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Panzerlieferung an Saudi Arabien ist wirklich das Letzte

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi in der Aktuellen Stunde zur mutmaßlichen Liefergenehmigung durch die Bundesregierung von wohl 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi Arabien

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Dr. Gregor Gysi hat das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN   Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Jetzt kommt pro Israel ganz groß!)

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Mißfelder, es ist interessant, dass Sie sich gleich aufregen. Vielleicht hätten Sie in der Union und in der FDP kurz über die deutsche Geschichte nachdenken sollen.

(Peter Beyer (CDU/CSU): Und zwar über die jüngste deutsche Geschichte, Herr Gysi!)

Dann hätten Sie vielleicht begriffen, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg eine Schlussfolgerung hätte geben müssen, nämlich dass wir nie wieder an Kriegen verdienen wollen. Sie aber praktizieren exakt das Gegenteil.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Reden Sie mal über DDR-Geschichte! Was lernen Sie denn aus der Zeit bis 1989?)

- Hören Sie zu! - Wir sind der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Mehr Waffen verkaufen nur die USA und Russland. Wir liegen vor China, Frankreich und Großbritannien. Angesichts unserer Geschichte ist es nicht zu fassen, dass ein solcher Weg beschritten wird und dass die Rüstungslobby einen solchen Einfluss auf Ihre Parteien hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es war schon ein Fehler - damit haben Sie recht -, dass Rot-Grün zwischen 1999 und 2005 Waffenexporte im Wert von 260 Millionen Euro nach Saudi-Arabien genehmigt hat. Unter Schwarz-Rot gab es zwischen 2006 und 2009 genehmigte Waffenexporte im Wert von 440 Millionen Euro. Damit lagen wir bei etwa 700 Millionen Euro. Wegen des arabischen Frühlings gab es dann aber wenigstens einen Stopp.

Jetzt hat man gesagt, es sei dort ein neues Spannungsgebiet entstanden. Sie beenden nun den Stopp, indem Sie gerade an das Regime von Saudi-Arabien 200 Panzer liefern. Das ist unerhört, und das hat unsere Bevölkerung nicht verdient.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Trittin hat es schon angesprochen: In Bahrain gibt es eine Minderheit von Sunniten, die die Mehrheit der Schiiten unterdrückt. In Saudi-Arabien ist die Situation umgekehrt. Aus diesem Grund, abgesehen von seiner Bedeutung als amerikanischem Stützpunkt, unterstützt das dortige Königshaus Bahrain.

Aber was ist Saudi-Arabien für ein Land? Was herrschen dort für Zustände? Ich darf Ihnen ein paar Beispiele nennen - Jürgen Trittin hat es schon gesagt  : Frauen dürfen nicht Auto fahren. Es gibt keine Wahlen. Es gibt keine legale Opposition. Es gibt Todesurteile.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Scharia!   Zuruf von der FDP: DDR!)

Es gibt Folter. Es gibt öffentliche Auspeitschungen und das Abhacken von Händen. Und dahin liefern Sie Waffen und Panzer! Das ist doch nicht zu fassen. Das muss man ganz klar sagen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bei der Begründung des Kriegs in Afghanistan heißt es immer: Es geht um den Kampf gegen Terrorismus. Das amerikanische Außenministerium hat bestätigt: Alles Geld für al-Qaida kommt aus Saudi-Arabien. Es kommt nicht direkt vom König   damit haben Sie recht, Frau Staatsministerin  , aber von reichen Familien in Saudi-Arabien; sie bezahlen al-Qaida. Was haben Sie jemals dagegen gesagt oder getan? Wie glaubwürdig ist ein Krieg gegen Terrorismus, wenn man gleichzeitig an diejenigen, die den Terrorismus bezahlen, Panzer liefert? Das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Saudi-Arabien ist in Bahrain einmarschiert und hat auf die Demokratie- und die Freiheitsbewegung geschossen.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Viele Tote!)

Es gab viele Tote. Es gibt viele Inhaftierte. Menschen sind im Krankenhaus und zittern um ihr Leben.

Sie aber entscheiden sich, dorthin Waffen zu liefern, statt eine gegenteilige Politik zu betreiben. Herr Westerwelle hat erklärt, dass das nicht gehe: Wir dürften solche Regime nicht unterstützen. In Wirklichkeit passiert das Gegenteil.

Jetzt betreiben Sie damit auch noch Geheimniskrämerei. Das ist der Gipfel. Dann sollten Sie es wenigstens öffentlich bekennen. Dann sollten Sie sich mit der Bevölkerung auseinandersetzen, statt sich hinter einem Schweigegebot zu verstecken.

Wir haben einen Antrag gestellt, dass an Saudi-Arabien keine Waffen geliefert werden dürfen. Wenn der Bundestag ihn mit Mehrheit beschließen würde, dann brauchten Sie den Bundestag, um doch Waffen dorthin zu liefern. Dann bekämen wir endlich eine parlamentarische Kontrolle. Ich bin überhaupt dafür, dass wir das Gesetz ändern. Wenn es schon einen Waffenexport gibt, dann soll das Parlament das wissen und darüber entscheiden. Anders geht es meines Erachtens nicht.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP))

  Sie wollen weiterhin ein Geheimnis daraus machen. Was haben wir davon? Erklären Sie mir doch einmal: Was haben wir davon, außer dass die Rüstungslobby daran verdient?
Wissen Sie, was in den Richtlinien steht? In den Richtlinien steht, dass Waffenlieferungen den Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht schaden dürfen. Jetzt frage ich Sie einmal: Liegt es also im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass Saudi-Arabien in Bahrain einmarschiert? Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass Saudi-Arabien in Bahrain auf Freiheitskämpfer und Demokratiekämpfer schießt? Liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass die Bevölkerung in Saudi-Arabien so behandelt wird, wie ich es Ihnen geschildert habe? Was liegt eigentlich im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, außer die Demokratie- und Freiheitsbewegung zu unterstützen? Sie betreiben das Gegenteil. Damit verstoßen Sie gegen die Richtlinien. Schade, dass es noch keinen Gerichtsweg gibt, um das zu klären.

(Zuruf von der CDU/CSU)

  Ja, das ist wirklich schade. Das kann aber so nicht bleiben. Sie haben jetzt den Grund dafür geschaffen, dass auch bei SPD und Grünen die Überlegung entsteht, dass wir das Gesetz ändern müssen und das Parlament zuständig werden muss.

(Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Wir haben doch den Antrag eingebracht!)

  Ja, aber nicht, als ihr an der Regierung wart. Das ist das Problem. So etwas geschieht immer nur, wenn ihr in der Minderheit seid.

(Beifall bei der LINKEN - Sigmar Gabriel (SPD): Gregor, du hast noch Hartz IV vergessen!))

Jetzt werden wir das Ganze forcieren, damit wirklich eine Parlamentszuständigkeit entsteht. Ich hoffe, dass es dann kein Parlament in Deutschland gibt, das noch einmal zulässt, dass Waffen, dass Panzer an Saudi-Arabien geliefert werden. Das ist wirklich das Letzte.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)