Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich 1996 angefangen habe, zu studieren, habe ich mir nicht träumen lassen, dass sich innerhalb von 20 Jahren so wenig in Sachen Gleichstellung tun würde und dass man heute immer noch derart gegen die Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft kämpfen muss. Das muss sich endlich ändern. Deswegen hat die Linke heute diesen Antrag vorgelegt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Problem ist nicht etwa, dass es zu wenig qualifizierte Frauen in der Wissenschaft gibt, sondern das Problem ist, dass die Frauen an eine gläserne Decke stoßen, dass sie behindert werden. Da muss man endlich politisch ran.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frauen absolvieren über die Hälfte aller Studienabschlüsse. Bei den Promotionen gibt es fächerübergreifend mittlerweile einen Frauenanteil von einem Drittel bis 40 Prozent, aber dort, wo es um die Karriere geht, bei den Habilitationen, bei den Professuren, bricht es ab; da verlassen die Frauen das Wissenschaftssystem. Eine Zahl macht sehr deutlich, wie unfassbar langsam sich hier etwas tut: Zwischen 2003 und 2013 ist der Anteil von Professorinnen pro Jahr trotz des aufgelegten Professorinnenprogramms um weniger als 1 Prozentpunkt angestiegen. Diese Zahl ist einfach nur blamabel und sonst gar nichts.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In der Wissenschaft gelten leider die gleichen sexistischen Stereotypen wie im Rest der Gesellschaft auch. Das Klischee des wissenschaftlichen Genies wird typischerweise mit Männern assoziiert. Nach wie vor kämpfen wir mit dem auf die Mutterrolle fixierten weiblichen Rollenbild in der Gesellschaft. Wir haben es natürlich auch mit der Tatsache zu tun, dass Führungskräfte dazu neigen, ihresgleichen zu rekrutieren. All das macht es Frauen heute immer noch schwer, auf feste Stellen oder in Leitungsfunktionen zu kommen. Das muss sich endlich ändern. Wir sind im Jahr 2016 und nicht mehr im vorigen Jahrhundert.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dazu kommt die elende prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft. Frauen sind noch häufiger befristet beschäftigt als Männer, weil ihnen der Zugang zu den wenigen Professuren oft verwehrt ist und weil es schlicht viel zu wenig unbefristete Stellen in der Wissenschaft gibt. Über 90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen an Hochschulen waren 2012 nur befristet beschäftigt. Solange nicht auch die Bundesregierung endlich engagierte Impulse zur Schaffung von unbefristeten Stellen gibt, ändert das geänderte Wissenschaftszeitvertragsgesetz daran nur wenig. Deswegen kann ich nur sagen: Werden Sie hier endlich aktiv!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Fatal wirkt sich auch die wettbewerbliche Organisation des Wissenschaftssystems aus. Wissenschaftlicher Erfolg wird quasi nur noch an eingeworbenen Drittmitteln oder an der Anzahl der Publikationen festgemacht. Das fördert eine ganz ungesunde Kultur von unbegrenzter Verfügbarkeit. In der Wissenschaft zu arbeiten, bedeutet heute doch meistens, befristet zu arbeiten, unbezahlte Überstunden zu machen und den Arbeitsort regelmäßig zu wechseln. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ein Leben mit Kindern planen, sind in diesem System nahezu chancenlos. Das darf so nicht bleiben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was hat die Bundesregierung in den letzten Jahren unternommen? Ich sage einmal: das Übliche. Sie haben sich im Wesentlichen auf Appelle und auf Selbstverpflichtungen beschränkt, obwohl Sie ganz genau – auch aus den Beispielen aus der Wirtschaft – wissen, dass das kaum wirkt. Sie haben auf feste Vorgaben oder Sanktionsmechanismen verzichtet. Mir ist echt unbegreiflich, wie die Bundesregierung bei der Verabschiedung neuer Programme, zum Beispiel jetzt beim Programm „Innovative Hochschule“ oder beim Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, wieder darauf verzichten kann, feste Quoten oder Geschlechtergerechtigkeit als Programmziel zu verankern. Das kann doch wirklich nicht wahr sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen, dass die Bundesregierung endlich Verantwortung übernimmt und zusammen mit der GWK ein Gesamtkonzept zur Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft erarbeitet, und zwar mit sanktionsfähigen Zielquoten. Nur so lässt sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren etwas erreichen. Mit Ihren Vorschlägen dauert es eher 50 bis 100 Jahre. Diese Zeit haben wir nicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)