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Nicht den Krieg sondern den Frieden gewinnen

Archiv Linksfraktion - Rede von Bernd Riexinger,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms ist eine riesige Katastrophe für Menschen und Natur in der Ukraine. Ganze Landstriche sind unwiederbringlich zerstört, Tausende Menschen ihres Zuhauses beraubt, die Trinkwasserversorgung im Süden und auf der Krim wird knapp. Humanitäre Hilfe ist das, was jetzt am drängendsten ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Krieg heißt Leid, Barbarei, Massenmord. Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms ist die Folge des schrecklichen Angriffskriegs, den Putins Regime seit über einem Jahr gegen die Ukraine führt. Dafür gibt es keine Rechtfertigung und keine Relativierung. Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik ohne Wenn und Aber ab und treten vehement ein für einen Waffenstillstand, den Rückzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten und für Verhandlungen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Auch Frau Wagenknecht?)

In der Ukraine findet aktuell ein – in Anführungszeichen – „Abnutzungskrieg“ statt, der kaum vom Fleck kommt. Nach mehr als 16 Monaten Krieg mit einer hohen Zahl an Toten und Verletzten auf beiden Seiten und unerträglichem Leid für die ukrainische Bevölkerung zeigt sich, dass die Lieferung von immer mehr und immer schwereren Waffen nicht zu einer Beendigung des Krieges führt.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Aha! Was empfehlen Sie denn?)

Die Bevölkerung ist die große Leidtragende. Das Land wird mehr und mehr zerstört.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Soll die Ukraine aufgeben, Herr Riexinger?)

Die Bundesregierung muss dringend aus der Logik des militaristischen Denkens ausbrechen,

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Putin muss da rauskommen!)

die sich fast alle Parteien hier im Bundestag zu eigen gemacht haben – Sie auch –, und für einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen eintreten.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Ulrich Lechte [FDP])

Heribert Prantl von der „Süddeutschen“ schreibt: „Man kann und soll Verhandlungsbereitschaft auch herbeiverhandeln. Dieser Plan ist viel aussichtsreicher als der Plan, Frieden herbeizubomben.“

(Nils Gründer [FDP]: Wie sieht denn dann so ein Kompromiss aus?)

Die militärische und politische Logik für nahezu unbegrenzte Waffenlieferungen besagt, dass Präsident Putin erst dann verhandelt, wenn er sieht, dass die Ukraine nicht militärisch besiegt werden kann oder gar die Ukraine siegen wird. Das Ergebnis sehen wir täglich.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist doch zynisch, was Sie erzählen! – Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das fürchterliche Wort „Abnutzungskrieg“ heißt, dass noch mehr Menschen auf beiden Seiten sterben müssen. Das zu verhindern, sollte oberste Priorität einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik sein.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Die Ankündigung von Präsident Selenskyj, keine Verhandlungen mit Präsident Putin führen zu wollen, weil er jeden Vertrag brechen würde, ist sicherlich hauptsächlich der Aufrechterhaltung der Kampfmoral im eigenen Land geschuldet. Konkret würde das bedeuten: Erst nach einem Regimewechsel kann es Friedensverhandlungen geben. Die Absetzung von Putin ist jedoch nicht in Sicht. Demnach würde der Krieg noch jahrelang weitergehen. Dabei wird ja aktuell verhandelt: über Gefangenenaustausch, über den Transport von Getreide.

Und was passiert eigentlich, wenn die Ukraine nicht siegt,

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Sie wird es!)

sondern Russland oder keine Seite? Das wird dann ein Schrecken ohne Ende.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Ja! Richtig!)

Russland ist durch die westlichen Sanktionen wirtschaftlich mehr und mehr von Indien und besonders China abhängig. Beide haben wenig bis kein Interesse an einer Fortsetzung dieses Krieges. Mir ist völlig unverständlich, warum das Positionspapier von China und Vermittlungsangebote von Brasilien fast schon lapidar abgetan wurden.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sie glauben dem Diktator Xi als Vermittler?)

– Ich weiß, Sie können nicht ertragen, dass es hier auch eine andere Meinung gibt. Aber das müssen Sie sich halt anhören. Das gibt es auch in der Gesellschaft,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sie kriegen aber einen Widerspruch! Auch das gehört zur Demokratie!)

offensichtlich nicht in Ihrer Partei; das scheint mir das Problem zu sein.

(Zuruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

– Ich rede jetzt weiter. Ich habe, glaube ich, meine Meinung gesagt. Aber Sie hören vielleicht auch nicht richtig zu.

(Ulrich Lechte [FDP]: Doch! Leider hören wir zu! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Wer Xi als Vermittler sieht, dem ist nicht mehr zu helfen!)

Die Initiative von Peking verlangt, die Souveränität und Integrität aller Staaten zu garantieren.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ausgerechnet China! So was von weltfremd!)

Deshalb ist es ein großer Fehler, die chinesische Friedensinitiative abzutun oder weiter abzulehnen. Stattdessen wird gefährlich an der Eskalationsspirale gedreht und häufig verharmlost, dass es sich bei Russland um eine Atommacht handelt und die Gefahr einer Ausdehnung des Krieges oder sogar des Einsatzes von Atomwaffen steigt.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Denjenigen, der Taiwan angreifen will, wollen Sie als Vermittler! Das ist doch irre!)

Dass verschiedene besonders martialisch auftretende Politiker/-innen diese Gefahr herunterspielen oder gar Drohungen als Bluff bezeichnen, ist im Übrigen lebensgefährlich. Woher wollen Sie denn wissen, dass Putin nur blufft?

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Krieg wird es auf beiden Seiten keine Sieger geben, sondern nur Verlierer, vor allem in der Bevölkerung.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Sie haben schon verloren, die Ukrainer!)

Das Leid und die Barbarei und die Zerstörung müssen enden.

(Zuruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Für uns gilt immer noch der Satz –

– ich bin fertig, letzter Satz –: Es geht nicht darum, den Krieg, sondern den Frieden zu gewinnen.

(Beifall bei den LINKEN – Ulrich Lechte [FDP]: Tosender Applaus bei der eigenen Fraktion!)