Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor elf Monaten begann der Krieg Russlands gegen die Ukraine: 280 000 tote und verletzte Soldatinnen und Soldaten auf beiden Seiten, Zehntausende zivile Opfer. Um es klar zu sagen: Wir verurteilen den Versuch Putins, lieber Jürgen Trittin, Grenzen in Europa zu verschieben, auf das Schärfste.
(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel in der Linken.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass es im Hohen Haus auch einen Konsens gibt, dass dieser Krieg schnellstmöglich enden soll.
(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Es muss Schluss sein mit dem Sterben mitten in Europa.
(Zuruf von der FDP: Sagen Sie das Russland!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür braucht es Deeskalation und nicht Eskalation.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Bundeskanzler hat eben in der Regierungsbefragung gesagt: Wir werden alles tun, um eine Eskalation zu verhindern. – Was ist denn aber die Realität, wenn man sich die letzten elf Monate anschaut?
(Ulrich Lechte [FDP]: Dass Putin angegriffen hat!)
Es gab immer weiter eine Eskalation. Das ist die Wahrheit.
(Zuruf)
– Ja, ich weiß: In diesem Hohen Haus gibt es offenbar eine Mehrheit dafür, Leopard-Panzer in den Krieg zu schicken.
(Ulrich Lechte [FDP]: Ja!)
Die CDU/CSU-Fraktion, die Grünen, mindestens Teile der SPD und Teile der FDP sehen Kampfpanzer als einen Beitrag zum Frieden – meine Fraktion ausdrücklich nicht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Bundeskanzler hat jetzt nachgegeben, und ich sage deutlich: Wir finden das falsch. Und wenn der neue Verteidigungsminister sagt: „Die ersten Leopard-Panzer werden in drei Monaten in der Ukraine sein“, frage ich: Was ist das für ein Verständnis? Das Ziel muss sein, dass es in drei Monaten in der Ukraine keinen Krieg mehr gibt, meine Damen und Herren.
(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das muss das Ziel sein!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Angesichts der russischen Ressourcen und der Bereitschaft der russischen Führung, Soldaten zu verheizen, wird dieser Krieg so weiter eskalieren, und es werden weitere Hunderttausende Menschenleben geopfert werden, wenn wir nicht aus der Kriegslogik aussteigen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist denn Ihr Vorschlag?)
Ich empfehle Ihnen dringend: Hören Sie nicht länger auf Ihr Bauchgefühl. Es belügt Sie. Sonnen Sie sich nicht in den Schlagzeilen des Boulevards, der den Krieg anheizt. Hören Sie auf Experten. Ich will nur einen zitieren.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Sie sollten ein bisschen ruhiger, entspannter und nachdenklicher sein bei den Grünen. Erinnern Sie sich mal, wo Sie herkommen!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Der ranghöchste US-General Mark Milley hat gesagt:
"Die Wahrscheinlichkeit eines ukrainischen militärischen Sieges –"
(Ulrich Lechte [FDP]: Das ist allen bekannt!)
"definiert als der Rauswurf der Russen aus der gesamten Ukraine, einschließlich der von ihnen beanspruchten Krim – ist militärisch gesehen … nicht sehr hoch."
Es gibt eine seltene Übereinstimmung des Generals mit meiner Position.
Jetzt hören wir seit Tagen von Ihnen: Wer nur nachdenklich ist, Kampfpanzer zu liefern, ist ein Putin-Freund.
(Ulrich Lechte [FDP]: Quatsch!)
Ehrlich gesagt, Sie beleidigen mit solchem Dünnpfiff nicht nur Ihren eigenen Intellekt, sondern auch die Mehrheit der Staatengemeinschaft, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Lieferung von Kampfpanzern mag im Deutschen Bundestag eine Mehrheit haben. In der Bevölkerung ist das Gegenteil der Fall.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Jürgen Coße [SPD])
In Ostdeutschlang ist nicht mal ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger dafür. Ein Ja zum Leopard beschädigt dort ausdrücklich auch die Demokratie, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit. Mehr Nachdenklichkeit ist angesagt.
(Beifall bei der LINKEN – Ulrich Lechte [FDP]: Keine Thüringer Verhältnisse in Deutschland!)
Ich höre jetzt auch immer wieder, Deutschland wäre international isoliert, wenn wir keine Leopard liefern würden. Was für ein Unsinn!
Herr Merz, die Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft hat nicht eine einzige Gewehrkugel in diesen Kriegswahnsinn geliefert. Die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft weiß, dass eine Atommacht nicht militärisch zu besiegen ist,
(Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
dass Kampfpanzer keinen Frieden bringen, meine Damen und Herren.
Jede Zurückhaltung, deutsche Kampfpanzer in eine Schlacht mit russischen Truppen zu schicken, ist mehr als gerechtfertigt angesichts unserer Geschichte, angesichts von 27 Millionen getöteten Sowjetbürgerinnen und Sowjetbürgern.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele davon Ukrainerinnen und Ukrainer!)
Diese historische Schuld gehört auch dazu, dass man nachdenklich ist.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf: Was Sie nicht sagen!)
Was die Wahrheit ist, zeigt die gestrige Meldung: Aktienkurs von Rheinmetall auf Rekordniveau. – Ja, die klatschen in die Hände. Rheinmetall kommt in den DAX. Das ist ja ein wunderbares Ergebnis.
Meine Damen und Herren, wer ohne strategisches Fundament immer mehr und immer schwerere Waffen liefern will, der bleibt auch nicht bei Kampfpanzern stehen. Morgen Kriegsschiffe? „Mehr“, hat Jürgen Trittin gerade gesagt. Morgen Kriegsschiffe, übermorgen Kampfflugzeuge, Tornados, Eurofighter, Flugverbotszonen, dann NATO-Soldaten? Wo soll denn das enden? Markus Kaim, immerhin von der Stiftung Wissenschaft und Politik, hat bei „Spiegel Online“ dazu Folgendes geschrieben:
"Mit einem derartigen Freibrief ließe sich auch die Lieferung taktischer Nuklearwaffen an die ukrainischen Streitkräfte rechtfertigen."
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ja, selbst so ein Unsinn wird gefordert.
Ich kann die Bundesregierung nur auffordern: Sagen Sie Nein zur weiteren Eskalation!
(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Legen Sie endlich eine abgestimmte europäische Friedensinitiative vor!
(Beifall bei der LINKEN)
Da sollten Sie Ihre Anstrengungen deutlich verstärken, meine Damen und Herren.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)