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"Mit Steuermehreinnahmen Armut in den Griff bekommen"

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Unternehmenssteuerreform abblasen, Armut bekämpfen

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Fragestunde war die Bundesregierung nicht gewillt, uns Auskunft über die Verwendung der Steuermehreinnahmen zu geben. Insgesamt werden 200 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen für Bund und Länder prognostiziert. Davon sollen ungefähr 90 Milliarden Euro auf den Bund entfallen.
Bei dieser Summe hätten wir schon erwartet, dass die Bundesregierung weiß, ob sie - was dringend notwendig wäre - mehr Geld für Bildung, für Krippenplätze oder für öffentliche Investitionen aufwendet.
(Zuruf von der CDU/CSU: Warten Sie erst einmal die Steuerschätzung ab!)
- Den Zwischenruf „Fragen Sie doch erst einmal die Steuerschätzer!“ nehme ich gerne auf. Ich rege an, dass Sie innerhalb der Koalition eine Diskussion darüber führen. Denn Herr Steinbrück wird seine private Steuerschätzung nicht ohne Grund vor der der Steuerschätzer verkündet haben. Aber das ist Ihre Sache, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun wollen von diesem Kuchen der Steuermehreinnahmen alle etwas abbekommen. Sinnvolle Verwendungen habe ich gerade benannt: Krippenplätze, Bildung, öffentliche Investitionen. Einige werden etwas abbekommen - dieses Beispiel ist fast dramatisch -: Die Empfänger von Arbeitslosengeld II bekommen vom 1. Juli an 2 Euro mehr - nicht pro Tag, sondern pro Monat. Umgerechnet auf den Tag sind das weniger als 7 Cent. Was kann man mit 7 Cent pro Tag so alles anfangen? Ein Arbeitslosengeld II-Empfänger bekommt am Tag 3,33 Euro für Lebensmittel. Ab Juli kann er dann schon 3,40 Euro für Frühstück, Mittag und Abendbrot ausgeben, also 1,13 Euro pro Mahlzeit. Aber man muss die 7 Cent nicht verprassen, man kann sie auch anlegen, zum Beispiel für die Altersvorsorge. Ich will damit sagen, dass die Steuermehreinnahmen in diesem Land insbesondere zur Stärkung der Menschen, denen es sozial schlecht geht, verwendet werden sollten und nicht in eine sinnlose Unternehmensteuerreform investiert werden dürfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Um bei den Zahlen zu bleiben: In Anbetracht dieser sozialen Wohltaten kann man sich über die schlechten Umfragewerte der SPD nur wundern. Doch offensichtlich sind immer mehr Menschen der Meinung, dass diese Politik nicht sozial, sondern zynisch ist. Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren von SPD und CDU, nur empfehlen, in Bremen mit diesen 7 Cent pro Tag für Arbeitslosengeld II-Empfänger zu werben. Die Bremerinnen und Bremer werden dann verstehen, dass der Aufschwung an ihnen nicht vorbeigeht.
Insgesamt kostet die Erhöhung des Arbeitslosen-geldes II um 2 Euro rund 150 Millionen Euro. Das ist - um das ins Verhältnis zu setzen - weit weniger als die 175 Millionen Euro, die der geplante, überdimensionierte Prestigebau des Bundesinnenministeriums kosten soll. Die Bundesregierung setzt also, wenn es um die Geldverteilung geht, eindeutige Prioritäten. Diese Prioritäten halten wir für falsch und unsozial.
(Beifall bei der LINKEN)
Noch ein letztes Wort zum Arbeitslosengeld II. Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden würden wir eine Erhöhung auf mindestens 420 Euro im Monat als einen ersten Schritt betrachten. Damit wird niemand reich; aber immerhin wäre ein etwas würdevolleres Leben möglich. Diese 420 Euro pro Monat würden für den Bund Mehrausgaben von rund 5,8 Milliarden Euro bedeuten. Doch der Bundesfinanzminister hat für 6 Milliarden Euro eine ganz andere Idee: Diese Summe will er im Zuge der Unternehmensteuerreform den Unternehmen schenken, die will er ihnen hinterherwerfen. Dabei kann wirklich keiner erklären, warum wir in Deutschland die Unternehmensteuern schon wieder senken müssen, wo doch die Wirtschaft brummt wie schon lange nicht mehr.
Das Problem ist doch, dass nicht mehr die alte Regel gilt: Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut. Wir erleben einen geteilten Aufschwung: Sagenhafte Gewinne der DAX-Unternehmen und absurde Gehälter für deren Manager auf der einen Seite, eine zunehmende Verarmung von Menschen, die durch die Politik der Bundesregierung von jeder Entwicklung abgekoppelt werden, auf der anderen Seite. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Diskussion über die Finanzierung der notwendigen Krippenplätze zeigt, dass der Finanzminister eine Umverteilung von oben nach unten mit allen Mitteln verhindern will. Die zusätzlichen Mittel für Krippenplätze sollen nicht aus Steuermehreinnahmen finanziert werden, nein, der sozialdemokratische Finanzminister will lieber innerhalb des Systems umverteilen und dafür das Kindergeld nicht erhöhen. Ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen, dass sich der Finanzminister nicht zu schade ist, in dieser Diskussion mit falschen Zahlen zu hantieren. Was wird da alles zu den Leistungen für Familien gerechnet! Dabei hat zum Beispiel das Ehegattensplitting mit Leistungen für Familien mit Kindern nichts zu tun.
(Beifall bei der LINKEN)
Abschließend möchte ich darauf verweisen, dass der Abbau der Neuverschuldung eine wichtige Aufgabe ist, aber kein Selbstzweck. Ein ausgeglichener Haushalt ist kein Zweck an sich. Es wäre wichtig, dass in einem der reichsten Länder der Welt, in Deutschland, keine Armut mehr möglich ist.

Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)

Rede im Deutschen Bundestag in der Aktuellen Stunde am 09.05.2007.