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Millionärsteuer brächte 80 Milliarden Euro jährlich - für Bildung, Kultur und soziale Gerechtigkeit

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi in der Debatte über den Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag »Wer Schulden bremsen will, muss Millionäre besteuern«

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP ist beim Thema Vermögensteuer wirklich reichlich vertreten. Das liegt an der inneren Ablehnung, die da herrscht.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Ich habe gehört, dass Sie zu den Millionären gehören!)

Vor 15 Jahren wurde die Vermögensteuer ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass die unterschiedliche Bewertung von Geldvermögen und Grundvermögen nicht zulässig sei. Dieser Fehler sollte korrigiert werden. Er ist nicht korrigiert worden. So lief dann die Erhebung der Vermögensteuer aus. Wir treten ganz energisch für eine Wiedererhebung ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Ungleichheit der Vermögensverteilung ist durch massive Umverteilung von unten nach oben immer größer geworden, nicht nur in Deutschland, aber auch in Deutschland. Ich nenne einmal ein Beispiel: Der VW-Chef Martin Winterkorn bezieht ein Jahreseinkommen von 17,5 Millionen Euro.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Dafür zahlt er Steuern!)

Das ist etwa das Doppelte von dem, was Herr Ackermann verdient. Da darf man sich als Erstes die Frage erlauben, ob er wirklich doppelt so viel arbeitet wie Herr Ackermann. Aber jetzt kommt das Entscheidende: Er verdient das Tausendfache eines Leiharbeiters bei VW. Ich frage Sie: Glauben Sie im Ernst, dass er das Tausendfache leistet? Auch sein Tag hat nur 24 Stunden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt, das Ganze wird unvermittelbar.

Das Nettovermögen hier in Deutschland - Geld und Immobilien - belief sich 2011 auf 8,2 Billionen Euro. Das reichste Zehntel unserer Bevölkerung besitzt davon 61 Prozent; das sind 5 Billionen Euro. Die untersten 70 Prozent   was heißt hier eigentlich „untersten“?   besitzen unter 9 Prozent des Nettovermögens. Bei uns leben jetzt 830 000 Euro-Vermögensmillionäre; vor drei Jahren waren es 720 000. Das heißt, während der Krise ist die Zahl der Vermögensmillionäre um 110 000 gestiegen. Sie müssen der Bevölkerung einmal erklären, weshalb die Bevölkerung arm wird, aber die Vermögensmillionäre immer mehr und auch noch reicher werden.

(Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Die gehören auch zur Bevölkerung!)

Diese 830 000 Vermögensmillionäre in Deutschland haben ein Gesamtvermögen von 2,2 Billionen Euro. Das ist mehr als die Gesamtverschuldung des Bundes, der Länder und der Kommunen, die bei nur 2 Billionen Euro liegt.

(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Spitzenvergleich!)

Theoretisch könnte man das ausgleichen   das fordern wir gar nicht  , aber eine angemessene Vermögensteuer ist doch wohl das Mindeste, was man in diesem Zusammenhang leisten muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Milliardäre - es sind übrigens knapp über 100 - haben ein Vermögen von 300 Milliarden Euro; das deckt unseren gesamten Bundeshaushalt ab.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber nur einmal!)

Ihr Vermögen steigt seit 2003 jährlich um 10 Prozent. Für den öffentlichen Dienst verlangt Verdi nun eine Lohnsteigerung von 6,5 Prozent. Und Sie sagen, das sei unbezahlbar? Ich halte das in Anbetracht dieser Tatsachen für eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stiegen seit 2000 um knapp 31 Prozent. Die Reallöhne fielen in den letzten Jahren, bis 2010, um 4,5 Prozent, im Niedriglohnbereich sogar um bis zu 19 Prozent. Diese Umverteilung   das muss man klipp und klar sagen   haben SPD und Grüne, dann Union und SPD und jetzt Union und FDP organisiert, indem die Reichen steuerlich privilegiert wurden. Ich nenne Ihnen einige Beispiele: Aussetzung der Vermögensteuer 1997, Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer von 53 Prozent auf 42 Prozent. Früher musste man für Zins- und Kapitaleinkünfte Einkommensteuer bezahlen, das heißt, bei hohen Einkünften 53 Prozent und dann abgesenkt wenigstens 42 Prozent. Auch das wurde nicht gehalten. Man hat für solche Einkünfte die Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent eingeführt.
Es gibt einen Verein, in Hamburg gegründet, mit über 40 Mitgliedern   alles Vermögensmillionäre. Dieser Verein blamiert die Bundesregierung, indem er regelmäßig fordert, endlich wieder Vermögensteuer bezahlen zu dürfen. Das müssen Sie sich einmal überlegen: Da setzen sich über 40 Vermögensmillionäre zusammen und fordern das, und die Regierung sagt: Um Gottes willen!

(Dr. Daniel Volk (FDP): Nennen Sie doch einmal Fakten!)

- Ich will Ihnen ein Mitglied nennen: Peter Vollmer. Er hat gesagt, dass er für seine verzinslichen Papiere und Sparguthaben unter Kohl 53 Prozent bezahlen musste, jetzt nur noch 25 Prozent. Er   nicht ich!   bezeichnete Deutschland als ein Niedrigsteuerland für Reiche. Das ist die Tatsache, mit der wir es zu tun haben!

(Beifall bei der LINKEN   Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Skandal!)

Würden noch die Steuergesetze gelten, die unter Kohl galten, hätten wir jährlich Mehreinnahmen von 51 Milliarden Euro.

Es gibt noch einen zweiten Grund. Die Konzentration auf immer größere Vermögen hat die maßlose Spekulation und die Jagd nach immer höheren Renditen beflügelt. Vermögende konsumieren nicht mehr, sie investieren auch nicht mehr, wenn sie glauben, einfach durch Spekulation aus Geld mehr Geld machen zu können. Nur: Jemand muss das bezahlen. Diese Illusion ist zerplatzt und hat zur bisher schwersten Finanzkrise geführt.

Um die maroden Banken und Hedgefonds zu retten, mussten sich die Staaten immer höher verschulden. Wer kommt für die Verluste auf? Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Wir haben einen Rettungsschirm für die Banken in Höhe von 480 Milliarden Euro. Sie kennen die europäischen Rettungsschirme. Hier haftet Deutschland mit Bürgschaften und für Risiken in einer Gesamthöhe von 280 Milliarden Euro. Wer haftet letztlich dafür? Wer bezahlt das Ganze? Die Lohnabhängigen, die Rentnerinnen, die Arbeitslosen, die Handwerker und die kleinen und mittelständischen Unternehmer! Die Vermögenden bleiben ungeschoren.

Die Banken kennen überhaupt kein Risiko mehr; Profite verteilen sie, und Verluste werden den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern auferlegt. Das verletzt sogar das Eigentumsrecht; denn man haftet auch für die Verluste seines Eigentums. Nicht einmal das kriegen Sie gebacken!

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sage ich Ihnen immer wieder: Die großen Banken müssen verkleinert und öffentlich-rechtlich gestaltet werden.

Frau Merkel kennt beim Schuldenabbau immer nur eine Medizin, nämlich Ausgabenkürzungen und Schuldenbremse. Warum kommen Sie eigentlich nie auf die Idee, die Einnahmen zu erhöhen? Das wäre doch eine selbstverständliche, zumindest zweite Methode.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Aber Gott sei Dank kommen Sie auf die Idee!)

Aber das tun Sie nicht; denn dann müssten Sie sich einmal mit der Privilegierung und der Verhätschelung der Vermögensbesitzer auseinandersetzen

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Allerdings!)

 und sagen: Wir treiben das nicht weiter.   Es wäre vielleicht höchste Zeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erinnere noch einmal daran: Nachdem Sie all das gemacht haben, sagen Sie den Beschäftigten im öffentlichen Dienst: 6,5 Prozent Lohnerhöhung ist zu viel. - Dieser Grad der Ungerechtigkeit ist nicht vermittelbar.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Volker Wissing (FDP): Wer sagt das denn, Herr Gysi?)

- Der Bundesinnenminister.

Wir brauchen eine Vermögensteuer von 5 Prozent - da sehen Sie mal, wie radikal unsere Forderung ist - auf Privatvermögen, das über 1 Million Euro liegt.

(Lachen des Abg. Olav Gutting (CDU/CSU))

Mein Gott, davon ginge doch die Welt nicht unter! Aber es brächte uns steuerliche Mehreinnahmen von jährlich 80 Milliarden Euro, die wir sehr sinnvoll für Bildung, Kultur und soziale Gerechtigkeit ausgeben könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen zum Schluss: Wer hier kein Stück Gerechtigkeit einführt - wer unseren Antrag also ablehnt -, macht sich mit sozialen Forderungen, mit Forderungen nach mehr Bildung und nach mehr Kultur restlos unglaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN)