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Merkel und Schäuble sind eine Gefahr für Europas Sparguthaben

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Aktuelle Stunde auf Initiative der Fraktion DIE LINKE

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Was die Bundesregierung in Bezug auf Zypern angerichtet hat, ist eine politische Katastrophe, und zwar nicht nur eine finanzpolitische, sondern auch eine allgemeinpolitische Katastrophe.

(Beifall bei der LINKEN   Norbert Schindler (CDU/CSU): Um Gottes Willen! Das glauben Sie ja selbst nicht!)

Sie haben das Vertrauen der Europäerinnen und Europäer, auch das der Deutschen, hinsichtlich der Sparguthaben schwer zerstört.

Das Problem besteht darin, dass auf einer Tagung, an der auch Bundesfinanzminister Schäuble teilgenommen hat, en détail abgesprochen wurde, dass alle Kleinsparerinnen und Kleinsparer 6,75 Prozent zu bezahlen hätten und die Besitzer etwas größerer Sparkonten 9,9 Prozent.

(Norbert Schindler (CDU/CSU): Das hat aber nicht Schäuble gewollt! Sie unterstellen das!)

  Wie bitte?

(Norbert Schindler (CDU/CSU): Das hat Schäuble nicht vorgeschlagen!)

  Ich sage nicht, dass er das vorgeschlagen hat, aber er hat das genehmigt und gebilligt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD)   Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das hat er auch bei uns erklärt. Weil er das genehmigt und gebilligt hat, musste später eine Telefonkonferenz der EU-Finanzminister stattfinden, um sich auf etwas anderes zu einigen. Wenn man Zypern gleich gesagt hätte: „Den Weg müsst ihr alleine finden“, wäre das ja gar nicht nötig gewesen. Aber genau das hat man eben nicht gesagt. Man hat das bis ins Detail vereinbart. Damit hat die Bundesregierung auch allen Sparerinnen und Sparern in Deutschland, egal ob sie bei der Raiffeisenbank, der Sparkasse oder wo auch immer sind, gesagt: Es kann euch passieren, dass wir euch an einem Wochenende 7 oder auch 10 Prozent von euren Sparguthaben abziehen. - Das ist eine Katastrophe.

(Beifall bei der LINKEN   Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Dummes Zeug!   Norbert Schindler (CDU/CSU): Bei der Einführung der D-Mark im Osten haben wir doch auch Abschläge gemacht! Das wissen Sie doch auch! Weil ihr den Staat gegen die Wand gefahren habt!)

Die Bundesregierung hat dadurch nicht nur, wie sie das immer nennt, das Vertrauen in die Märkte untergraben, sondern auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger insgesamt, und zwar, wie gesagt, nicht nur in Zypern.

(Norbert Schindler (CDU/CSU): Wie war es denn bei der Einführung der D-Mark im Osten?)

Ich bin übrigens sehr zufrieden damit, dass die Menschen in Zypern Widerstand an den Tag legen. Dass nicht nur die Linke dagegen gestimmt hat   das war ja klar  , sondern sich auch die Konservativen nicht getraut haben, dafür zu stimmen   sie haben sich der Stimme enthalten  , das finde ich gut.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie finden das bedauerlich. Sie hätten den Sparerinnen und Sparern gerne das Geld abgezogen. Wir nicht. Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren von der FDP.

(Beifall bei der LINKEN - Holger Krestel (FDP): Wie kann man nur so frech lügen, wie Sie das tun! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

  Ich wusste, dass Sie sich so aufregen, aber ich kann doch nichts für Ihre Schandtaten. Sie müssten sich über sich selbst aufregen, nicht über uns.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schäuble -  das müssen Sie sich einmal überlegen - sagte im Fernsehen: Wir mussten das am Wochenende machen, damit man vorher nichts erfährt.   Was sagt er denn damit? Damit sagt er den Sparerinnen und Sparern: Wenn es kommt, kommt es für euch völlig überraschend. Ihr werdet es vorher nicht erfahren, damit niemand etwas abhebt.

(Holger Krestel (FDP): Wer so viel Dreck am Stecken hat wie Sie, sollte sich zurückhalten!)

Was soll denn jetzt die Schlussfolgerung für die Sparerinnen und Sparer sein? Sie werden sich sehr genau überlegen, wo sie ihr Geld künftig anlegen. Das Vertrauen in die Banken war schon verspielt, jetzt ist auch das Vertrauen in die Politik verspielt. Sie sind mit diesem Ansinnen gescheitert.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das müssen ausgerechnet Sie sagen!)

Nun wissen wir nicht, wie das Neue aussehen wird; aber man kann es ahnen. Es gibt eine Agenturmeldung. Danach ist Folgendes geplant: Es soll ein Fonds für Staatsanleihen gebildet werden. Diesen Fonds sollen die Kirchen, die Pensionskassen und andere Organisationen bezahlen. Das heißt, es sollen   wenn ich das richtig verstehe   Schulden gemacht werden, um Schulden zu begleichen. Dann haftet man gegenüber den Kirchen, den Pensionskassen und anderen Einrichtungen. Die Staatsanleihen müssen auch erst einmal verkauft werden. Dahinter setze ich noch ein Fragezeichen. Ich lasse das aber alles dahingestellt sein. Dann sollen Inhaber von Sparguthaben von über 100 000 Euro   so heißt es jetzt; das betrifft also nicht mehr die ganz kleinen Sparerinnen und Sparer, sondern die etwas größeren Sparguthaben   zur Kasse gebeten werden.

Ich frage Sie: Wie wollen Sie das eigentlich juristisch erklären? Man schließt doch einen Vertrag mit der Bank. In dem steht, dass die Bank mein Geld gut aufbewahrt, dass ich sogar ein bisschen Zinsen bekomme. Nun heißt es übers Wochenende: Pustekuchen, du bekommst nichts, wir ziehen 10 Prozent von deinem Geld ab.   Das klingt nach Bananenrepublik,

(Holger Krestel (FDP): Nach DDR!)

obwohl ich diese Art der Beleidigung Afrikas generell ablehne.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist überhaupt nicht zu fassen, was hier läuft.

Dann stellen Sie wieder Bedingungen. Mit einer Bedingung will ich mich auseinandersetzen: Zypern muss die Häfen und die Telekommunikationseinrichtungen verkaufen. Es gibt bloß ein Problem: Das sind Unternehmen, mit denen Zypern jedes Jahr Geld macht. Die sind nicht etwa marode. Nun zwingen Sie Zypern zum Verkauf   natürlich zu ganz billigen Preisen; das ist ja klar, wenn man sie zwingt. Damit verliert Zypern seine jährlichen Einnahmen.

Wir müssten ganz andere Wege gehen. Ich sehe aber, dass meine Zeit gleich herum ist. Deshalb sage ich Ihnen nur so viel:

Erstens. Wir müssten uns trauen, die beiden großen Banken in Insolvenz gehen zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Wir müssten die Großaktionäre heranziehen. Das sind nämlich die Eigentümer der Banken. Wieso werden die immer geschont?

(Dr. Daniel Volk (FDP): Das können nicht wir entscheiden!)

Wieso retten wir jede Bank, aber nie die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bzw. die Sparerinnen und Sparer?

Drittens. Wir könnten dann das isländische Modell wagen und sagen: Wir frieren in Zypern große Sparguthaben aus dem Ausland erst einmal ein. Dann prüfen wir, wer da was warum angelegt hat. Es gibt übrigens dort nicht nur die Oligarchen aus Russland, sondern auch die Oligarchen aus Großbritannien.

(Joachim Poß (SPD): Da hat er recht! Und da sind auch ein paar Deutsche!)

Sie vergessen immer, die zu erwähnen. Da sind also Wege offen.

Gehen Sie doch endlich einmal an die Nutznießer der Krise heran. Ziehen Sie denen das Geld ab! Verlangen Sie das nicht von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und den kleinen Sparerinnen und Sparern.

(Beifall bei der LINKEN)