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"Lobbyismus ist eine Gefahr für die Demokratie"

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Rede zur Beratung des Antrags: Transparenz herstellen - Empfehlungen des Bundesrechnungshofes zur Mitarbeit von Beschäftigten aus Verbänden und Unternehmen in obersten Bundesbehörden zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 34)

Gesine Lötzsch (DIE LINKE): „Lobbyismus war gestern. Die deutsche Politik ist längst unterwandert.“ Dieses wenig schmeichelhafte Urteil steht auf dem Umschlag eines Buches, das vor wenigen Wochen vorgestellt wurde und große Resonanz in der Öffentlichkeit gefunden hat. Die Journalisten Kim Otto und Sascha Adamek haben bei Kiepenheuer & Witsch ein Buch mit dem Titel „Der gekaufte Staat“ herausgebracht. Der Untertitel des Buches lautet: „Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben.“
Und genau um diese Frage geht es in dem Bericht des Rechnungshofes, auf den die Grünen sich in ihrem Antrag beziehen. Angeregt durch Nachfragen von Journalisten und auch durch Fragen von Abgeordneten hat der Bundesrechnungshof recherchiert, in welchen Ministerien welche Externen mit welchen Aufgaben betraut waren. Man kann die Externen auch sehr deutlich als Lobbyisten bezeichnen.
In aller Bescheidenheit möchte ich darauf hinweisen, dass ich bereits im Jahre 2003 dieses Thema im Deutschen Bundestag angesprochen habe. Ich fragte damals danach, ob es richtig sei, dass eine Juristin des Bundesverbandes Investment und Asset Management maßgeblich bzw. federführend an der Erarbeitung des Gesetzentwurfes des Finanzministeriums zu den Hedgefonds, im Klartext: zur Zulassung von Hedgefonds in Deutschland überhaupt, beteiligt war.
Wir erinnern uns: Der ehemalige SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Franz Müntefering hat die Hedgefonds als „Heuschrecken“ bezeichnet - und das war nicht lobend gemeint.
Damals - 2003 - wurde das Land von einer rot-grünen Koalition regiert. Man wollte modern sein und glaubte, ein Programm „Seitenwechsel“ sei Ausdruck besonderer Modernität. Das Programm „Seitenwechsel“ soll übrigens eine Idee von Otto Schily gewesen sein. Otto Schily ist ja in den letzten Tagen vor allem dadurch aufgefallen, dass er meint, Gesetze und Regeln gelten nur für andere.
Der Kollege Volker Beck von den Grünen gehörte damals bereits dem Bundestag an und glaubte - vorausgesetzt, er wusste von „Seitenwechsel“ - an diese vermeintliche Modernität. Aber ich freue mich immer, wenn Kollegen klüger werden und genauer nachfragen.
Meine Position ist eine ganz klare: Lobbyisten gehören nicht in Ministerien. Lobbyisten können Briefe schreiben, auf Veranstaltungen ihre Positionen darlegen.
Aber wenn Lobbyisten in den Ministerien ihre eigenen Gesetze schreiben, schicken sie uns damit Viren, Würmer und Trojaner. Diese Praxis muss ein Ende haben. Letztendlich ist das eine Frage der Demokratie. Wenn wir weiter zulassen, dass Lobbyisten in den Ministerien sitzen und zu allem Zugang haben, tragen wir zur Aushöhlung der Demokratie bei. Das dürfen wir alle gemeinsam nicht zulassen.

Rede zu Protokoll gegeben, Sitzung des Bundestages am 25.04.2008