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Kooperation endlich ermöglichen statt Wettbewerbsföderalismus fördern!

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Kolleginnen und Kollegen, Herr / Frau Präsident/in,

Im letzten Wintersemester fehlten mehr als 100.000 Studienplätze im Bundesgebiet, Tausende StudienberwerberInnen gingen leer aus – trotz Studienberechtigung in der Tasche. In Baden-Württemberg fehlen ab 2013 mindestens 7000 Masterstudienplätze pro Jahr, an der Hochschule Offenburg erhält nur jeder zehnte Bewerber eine Zulassung zu einem Masterstudiengang. Das Studentenwerk fordert den Bau von mindestens 25.000 Wohnheimplätzen, da viele Studierende gerade jetzt zu Semesterbeginn keine finanzierbare Wohnung finden. In Hannover kommen beispielsweise auf 760 freie Wohnheimplätze mittlerweile 2650 BewerberInnen. In München sind derzeit mindestens 6000 junge Menschen ohne Unterkunft. Und in den Ländern werden ab 2014 mindestens 700 Millionen € im Jahr für den Hochschulbau fehlen.
Ende 2011 stellte der Deutsche Philologenverband fest, dass in der Bundesrepublik jede Woche rund eine Millionen Unterrichtsstunden ausfallen. Die durchschnittliche Klassengröße liegt laut Statistischem Bundesamt bei 27 SchülerInnen an Gymnasien und bei 26 an Realschulen und Integrierten Gesamtschulen. Eine 2009 von Klaus Klemm veröffentlichte Studie schätzt den Einstellungsbedarf von Lehrerinnen und Lehrern bis zum Jahr 2015/16 bei konstanter Schüler-Lehrer-Relation auf 195.921.
Diese Liste wäre leicht zu erweitern, sie beschreibt lediglich einen Ausschnitt der bildungspolitischen Missstände und Leerstellen in der Bundesrepublik.

Während die Presse voll ist von solchen Nachrichten, verharrt die Bundesregierung im Aussitzmodus und hält an ihrem völlig unzureichenden und vielfach kritisierten Gesetzentwurf zur Lockerung des Kooperationsverbotes fest.


Seit der Bekanntmachung des Gesetzentwurfs im März diesen Jahres wurde von den Oppositionsparteien, von Gewerkschaften und vielen bildungspolitischen Akteuren Kritik geübt. Im Bildungsausschuss gab es eine Anhörung, in der die Sachverständigen fast einhellig die Position vertreten haben, dass das Verbot zu Kooperation abgeschafft und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern endlich verfassungsrechtlich verankert gehört. Dabei müsse vor allem sicherstellt werden, dass sich die Zusammenarbeit auf die gesamte Bildung erstreckt und eben nicht nur „Einrichtungen und Vorhaben an einigen Hochschulen von überregionaler Bedeutung“ , wie das der schwarz-gelbe Entwurf vorsieht.

Trotz dieser Kritik brachte die Bundesregierung ihre Grundgesetzänderung völlig unverändert im September zur Beratung in den Bundesrat ein und erhielt dort das absehbare Ergebnis: noch nicht einmal die einfache Mehrheit der Stimmen. Manche Niederlagen scheinen fast gewollt: die Bundesregierung legt einen sehr dürftigen Gesetzentwurf vor – verändert – trotz großer Kritik – keinen Satz und stellt sich dann als politisch gescheiterter Veränderer des Kooperationsverbotes dar.


Meine Damen und Herren von der Bundesregierung: das ist scheinheilig! Wenn sie wirklich den politischen Willen hätten, das Kooperationsverbot zu lockern, dann stellen Sie sich der Kritik, nehmen sie die Aufforderung des Bundesrates ernst, über einen neuen Entwurf gemeinsam zu beraten, überarbeiten Sie Ihren Vorschlag und weiten Sie die Möglichkeiten der Kooperation endlich auf die gesamte Bildung aus. Sie sind weiterhin am Zug, Damen und Herren von der Regierung!

Die derzeitigen Probleme in allen Bildungsbereichen sind gravierend und werden in dem schwarz-gelben Entwurf nicht berücksichtigt, denn Sie kümmern sich einzig und allein um die Spitzenforschung. Statt dem Umsteuern weg vom gescheiterten Wettbewerbsföderalismus hin zur politisch gewollten Kooperation von Bund und Ländern im Sinne der Bildung, statt sich der Verantwortung zu stellen, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die Qualität des gesamten Bildungs- und Wissenschaftssystems zu verbessern und endlich die Gleichheit von Bildungschancen – unabhängig von regionalen, sozialen oder herkunftsbedingten Unterschieden – politisch zu gewährleisten, setzen Sie weiter auf die Förderung einiger Leuchtturmprojekte in der Forschung.


Noch nicht einmal die grundlegenden Probleme der Hochschulfinanzierung würden mit Ihrem Gesetzentwurf gelöst. Wir brauchen dauerhaft ein gemeinsames Engagement von Bund und Ländern für mehr Studienplätze, wenn wir die unerträglichen Zustände bei der Hochschulzulassung überwinden wollen. Wir brauchen gemeinsame Initiativen von Bund und Ländern zur Öffnung der Hochschulen. Wir haben bereits eine Fernuniversität, die bundesweit arbeitet und die für viele die einzige Chance auf ein Hochschulstudium ist – aber der Bund gibt hierfür keinen Cent und die Fern-Uni Hagen pfeift finanziell aus dem letzten Loch. Mit ihrem Gesetzentwurf würde sich hieran nicht das geringste ändern.
Ganz zu schweigen von den Problemen in der allgemeinen Bildung: weder wären ein neues Ganztagsschulprogramm noch eine umfassende Verwirklichung von Inklusion mit vereinten Kräften möglich.
Wenn Sie diese Probleme noch nicht einmal interessieren, sollten Sie von der „Bildungsrepublik“ schweigen!

Die föderalen Strukturen sind für diese Regierung schon längst nur noch das Abschieben von Verantwortung und die Ausrede für unterlassene Finanzierungen und politische Steuerung! Der Föderalismus entlässt Sie aber nicht aus Ihrer bildungspolitischen Verantwortung! Wenn Sie keine Verantwortung tragen wollen, dann treten Sie ab statt Notwendiges zu verhindern!


Die LINKE fordert weiterhin die sofortige Abschaffung des Kooperationsverbotes, die Verankerung einer Gemeinschaftsaufgabe Bildung, eine gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern und eine kontinuierliche, institutionelle Mitfinanzierung der Hochschulen durch den Bund in der Fläche!

Diese Rede ging zu Protokoll