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Kommunen unterstützen, statt Zäune bauen!

Archiv Linksfraktion - von Clara Bünger,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir anschaue, wie sich die Fluchtdebatte in den letzten Tagen und Wochen entwickelt hat, bin ich entsetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin entsetzt über die Brutalität und die zutiefst inhumanen Maßnahmen, mit denen Politiker/-innen auf die gestiegenen Asylzahlen reagieren wollen. Ich nenne Ihnen ein paar Fakten: Rückführungsoffensive, verpflichtende Grenzverfahren an den Außengrenzen, sichere Herkunftsstaaten, Grenzkontrollen, Zäune, Mauern. Bei den Plänen, die momentan diskutiert werden, haben wir es tatsächlich mit nie dagewesenen Asylrechtsverschärfungen zu tun.

Frau Lindholz, Sie sprechen hier von Schleusung von Migranten.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist ein organisiertes Schleusen!)

Es geht hier um Menschen – Menschen, die ihre Angehörigen, ihre Kinder, ihre Eltern verloren haben, weil die Bomben ihre Häuser zerstört haben. Das sind die Menschen, die hierherkommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Takis Mehmet Ali [SPD] – Sebastian Hartmann [SPD]: Herzlos! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das sind Flüchtlinge, die von der Türkei nach Moskau geschickt werden! Häufig junge Männer!)

In der aktuellen Debatte gerät völlig aus dem Blick, worum es beim Thema Flucht eigentlich geht. Es geht um Familien, die fliehen müssen, weil in ihrem Land Krieg herrscht. Es geht um Aktivisten, die von repressiven Regimen verfolgt werden und denen mit dem Tod gedroht wird, weil sie für Demokratie kämpfen. Sie kommen nach Deutschland, um hier Schutz zu suchen. Wenn die Union in ihrem Antrag davon spricht, irreguläre Migration begrenzen zu wollen, dann meint sie eigentlich, dass sie diese Schutzsuchenden bekämpfen will.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Quatsch! Wenn wir „begrenzen“ schreiben, meinen wir auch „begrenzen“!)

Es gibt nämlich gar keine legalen Fluchtwege. Alle Asylsuchenden müssen doch zunächst irregulär einreisen.

(Beifall bei der LINKEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist Realitätsverweigerung bei Ihnen!)

Aber die allermeisten von ihnen, wenn sie hier ankommen, werden einen Schutzanspruch bekommen. Die bereinigte Schutzquote liegt bei über 70 Prozent, Frau Lindholz, und deshalb sind die Forderungen nach erhöhten Abschiebungen einfach völlig fehl am Platz.

(Beifall bei der LINKEN)

Wofür ich aber gar kein Verständnis habe: Finanzminister Lindner sprach davon, er wolle „alle Maßnahmen“ einleiten, „die dazu beitragen, die Kontrolle des Zugangs zu verbessern“. Wo bleibt denn hier die Rechtsstaatlichkeit? Menschenrechte?

(Beifall bei der LINKEN)

In einer Demokratie müssen Grund- und Menschenrechte Maßstab politischen Handelns sein, nicht die Umsetzung rechter und populistischer Forderungen um jeden Preis.

Es liegt doch auf der Hand, was stattdessen passieren müsste. Die Kommunen brauchen finanzielle Unterstützung, damit sie ankommende Geflüchtete menschenwürdig unterbringen, versorgen und integrieren können. Hierzu wären umfassende Investitionen in Kitas, Schulen, Wohnungen notwendig. Davon würden im Übrigen wir alle in Deutschland profitieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht Geflüchtete sind das Problem, sondern die mangelnde Infrastruktur in Deutschland.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ach du lieber Himmel! – Martin Hess [AfD]: Die Ampelkoalition ist das Problem in diesem Land, sonst gar nichts!)

Jetzt bekommen die Kommunen immerhin eine dringend benötigte Finanzspritze. Eine langfristige Lösung wurde auf dem gestrigen Flüchtlingsgipfel aber nicht gefunden. Und das Schlimmste ist, dass hauptsächlich Maßnahmen zur Abschottung beschlossen wurden: die Unterstützung für Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen, die Ausweitung der sicheren Drittstaatenregelung und noch mehr Abschiebehaft. Allein Thüringen hat sich deutlich gegen diese Verschärfungen ausgesprochen. Vielen Dank dafür!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Beschlüsse des Flüchtlingsgipfels werden, wenn sie so von der Bundesregierung weiterverfolgt werden, zur Folge haben, dass es mehr Tote und Leid an den Außengrenzen geben wird. Dass SPD, FDP und Grüne das verantworten, obwohl sie mit dem Versprechen eines fortschrittlichen Paradigmenwechsels in der Migrationspolitik angetreten sind, ist zutiefst enttäuschend.

(Beifall bei der LINKEN)

Hören Sie auf, die Politik von Seehofer weiterzubetreiben!

Stichwort „Anscheinspolitik“, Helge Lindh. Sie haben doch alles mitgetragen, was die EU-Kommission vorgeschlagen hat, wie auch die Grünen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau! Das ist die Wahrheit!)

Sie tragen das doch alles mit, die Vorschläge zur Abschottung an der Außengrenze mit verpflichtenden Grenzverfahren, Ausweitung sicherer Drittstaaten, und das bedeutet, dass es keine inhaltliche Prüfung von Asylanträgen geben wird.

(Stephan Thomae [FDP]: Nein, das heißt es nicht!)

Das ist ein Riesenproblem. Das ist eine Riesenenttäuschung dieser Koalition.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)