Rede zur aktuellen Stunde zur Haltung der Bundesregierung zur Zukunft der erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Seit letzter Woche toben Unwetter in ganz Deutschland. Es gab Überschwemmungen in Ilmenau, eine Schlammflut in Braunsbach und 50 Zentimeter Hagel in Sachsen. Unser Mitgefühl gilt allen Opfern. Wieviel müssen Betroffene noch erleiden, bevor unsere Gesellschaft, bevor diese Regierungskoalition endlich entschlossen gegen den Klimawandel vorgeht? Fragen Sie sich selbst: Sind Unwetter und Naturkatastrophen wie Fluten, Stürme und Dürren nicht häufiger und stärker geworden?
Wir brauchen die Energiewende und Mut zur Umsetzung. Das Regierungsziel, bis 2025 45 Prozent des Stroms aus erneuerbarer Energie zu gewinnen, ist zu wenig. Ja, die Energiewende kostet Geld. Keine Energiewende ist um ein Vielfaches teurer.
Ich habe, bevor ich in den Bundestag kam, Fertigungslinien geplant. Das Falscheste ist, eine neue Fertigung mit 100 Prozent Leistung aufzubauen und die alte Fertigung mit kompletter Kapazität zu erhalten. Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern in Deutschland liegt heute bei 35 Prozent; aber die Bundesregierung will sich nicht von 100 Prozent konventioneller Erzeugung trennen. Das macht die Energiewende teuer. Das erfordert diesen überdimensionierten Netzausbau.
Aber es geht ums Geld, wie immer. Bürgerinnen und Bürger können vielleicht Solaranlagen finanzieren. Landwirte und Genossenschaften können Biogasanlagen und auch ein paar Windräder bauen, und Stadtwerke schaffen vielleicht einen Windpark an Land. Damit haben diese Teilnehmer die Allmacht der Stromkonzerne gebrochen. Das unterstützt die Linke.
Die Union dagegen blockiert diese Entwicklung und schanzt das Geschäft mit Erneuerbaren-Strom internationalen Fonds und Konzernen zu. Ausschreibungsmodelle benachteiligen Bürger und Energiegenossenschaften. Der Bruttodeckel bei Biomasse reduziert die Bioenergie in 20 Jahren auf ein Drittel des heutigen Standes. Ein geplanter Deckel für Windkraft an Land bremst deren Ausbau aus.
Herr Gabriel, auch ich habe Informationen über das gestrige Gespräch. Die Ministerpräsidenten hatten zwei Möglichkeiten: entweder Ihrer Weltformel, die den Ausbau an Land völlig ausgebremst hätte, oder all dem, was Sie da vorgeschlagen haben, halbwegs zuzustimmen. Das nenne ich Erpressung zum Nachteil der Energiewende.
Das Einzige, was Sie noch richtig stark fördern, ist die Windkraft auf See. Sie ist zwar teuer, aber damit verbunden sind zentrale Großprojekte, bei denen Bürgerinnen und Bürger eben nicht mitbieten können. An Offshorewindparks verdienen beispielsweise Goldman Sachs, RWE, Vattenfall, Eon, der Staat Dänemark und Siemens. Die Union nimmt den Bürgern die Energiewende, und das zerstört die Akzeptanz. Das lehnt die Linke ab.
Jetzt komme ich zu Ihrem Gejammer über den fehlenden Netzausbau. Solarenergie braucht selten Übertragungsnetze. Da richten Sie einen Deckel ein wegen des fehlenden Netzausbaus. Windkraft in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen verhindern Sie durch Ausschreibungen. Dieser Strom würde den Netzausbaubedarf sogar senken. Geschätzte 700 Millionen Euro - Herr Fuchs sprach von 900 Millionen Euro - werden Offshorewindparks für die Abschaltungszeiten dieses Jahr erhalten, weil die Netzkapazität bis Hamburg fehlt. Aber diesen Ausbau bremsen Sie nicht. Erklären Sie mir einmal diese schwachsinnige Vorgehensweise.
Damit keine Irrtümer entstehen: Die Linke ist gegen den massiven Ausbau der Übertragungsnetze und der Gleichspannungsleitungen. Fast 30 Milliarden Euro wird der Ausbau der Stromnetze nach derzeitigen Planungen kosten, bezahlt von Verbraucherinnen und Verbrauchern, von Handwerkern und vom Mittelstand. Allein 1,1 Milliarden Euro jährlich garantierte Rendite für Ihre Freunde von 50Hertz, von TenneT, von EnBW-Netz und von Amprion schanzen Sie mit diesem Bauprogramm diesen Konzernen zu. Das nennen wir eine Umverteilung des Geldes von Verbraucherinnen und Verbraucher hin zu den Aktionären dieser Gesellschaften. Das lehnt die Linke ab.
Es gibt heute eine Übertragungskapazität zwischen Nord- und Süddeutschland von 26 Gigawatt. Das reicht aus, um die Windkraftüberschüsse auch im Jahr 2023 sicher nach Süden zu bringen, wenn man den Kohlestrom reduziert. Speicher entlasten die Stromnetze und ersetzen Reservekraftwerke für die Dunkelflaute. Deswegen ist die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen bereit, in Energiespeicher zu investieren - für eine schnellere Energiewende. Biomasse ist die erneuerbare Energie, die unsere Energieversorgung in Zeiten fehlender Sonne und fehlenden Windes sichern kann. Der 100-Megawatt-Bruttodeckel muss weg. Wir fordern einen jährlichen Nettozubau von mindestens 100 Megawatt. Das brauchen übrigens auch die Landwirte, damit ihnen wenigstens diese Verdienstmöglichkeit erhalten bleibt. Nur mit Milch und Ackerbau müssten viele aufgeben.
Liebe Landwirte, die CSU-Regierung in Bayern, die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen haben gemeinsam den 100-Megawatt-Zubau gefordert. Es ist die CDU im Bundestag, die diesen Vorschlag blockiert. Diese CDU-Abgeordneten nehmen unseren Bauern die Verdienstmöglichkeiten aus regionaler Stromerzeugung weg.
Um noch einmal zu dem Preisargument von Herrn Fuchs zu kommen: Im Jahr 2008 betrug der Börsenstrompreis, zu zahlen von allen mit Strom handelnden Unternehmen, 10 Cent je Kilowattstunde. Im Jahre 2016 ist er auf 2,5 Cent je Kilowattstunde gesunken. Das ist eine Reduzierung um 7,5 Cent. Konzerne wie Audi, wie die Aluminiumhütten bezahlen zurzeit unter 3 Cent je Kilowattstunde für ihren Strom. Das nenne ich preiswert.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Netzkunden, Sie und jeder Handwerker muss die EEG-Umlage bezahlen. Sie profitieren nicht von den Senkungen. Es ist eine Umverteilung von den Kleinen zu den Großen, die hier stattfindet. Darüber wird im Zusammenhang mit den Kosten nie gesprochen.
Wenn wir den Klimawandel und zukünftige verheerende Folgen reduzieren wollen, dann müssen wir zügig auf 100 Prozent erneuerbare Energien kommen.
Wir in der Bundesrepublik sollten, im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger, für diese sozialökologische Wende kämpfen - auch, damit die Zahl von Unwettern nicht noch weiter zunimmt.
Vielen Dank.