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Keine Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen!

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen,

diese Woche, vom 24. bis 29. September, findet die bundesweite Aktionswoche gegen die Aktivitäten von Bundeswehr an Schulen und Hochschulen statt. Die Hauptforderung des Bündnisses lautet: „Wir fordern die sofortige Kündigung der bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen Kultusministerien und der Bundeswehr sowie die flächendeckende Einführung und Einhaltung von Zivilklauseln, um eine Lehre und Forschung an Hochschulen zu garantieren, die ausschließlich zivilen Zwecken dient.“
Dem kann ich mich nur voll und ganz anschließen – gerade hier in der Bundesrepublik, einer der größten Waffenexportnationen der Welt!

Wissenschaft im Dienste des Krieges und des Militärs und die Einführung von Zivilklauseln, also die Verpflichtung auf eine friedlichen und zivilen Zwecken dienende Forschung und Lehre, werden an immer mehr Hochschulen unter Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, unter Professorinnen und Professoren und den Beschäftigten der Hochschule diskutiert. Und in einer Reihe von Hochschulen wurde in den letzten Monaten positiv über die Einführung von Zivilklauseln beschieden: In einer Urabstimmung an der Uni Frankfurt haben sich 76 % dafür ausgesprochen. An den Universitäten Tübingen und Rostock sowie an der Hochschule Bremen wurden Zivilklauseln direkt in die Statuten der Hochschulen aufgenommen. Immer mehr Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möchten sich also im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Hochschule nicht an der Entwicklung militärischer Güter beteiligen.

Diese Position reflektiert nicht nur die deutsche Geschichte – es ist auch der bewusste Umgang mit der ethischen Verantwortung als WissenschaftlerIn!

Die Haushaltsgesetze 2009-2012 bescheinigen, dass das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) jährlich Summen zwischen 900 Mio. und 1,2 Mrd. € für „Wehrforschung, wehrtechnische und sonstige militärische Entwicklung und Erprobung“ ausgibt.

Der Großteil dieser Gelder fließt an Institute der Ressortforschung sowie an private Firmen, doch auch an öffentlichen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wird Rüstungsforschung und militärisch nutzbare Forschung betrieben.
Nach bisherigen Erkenntnissen vergab das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) von 2006- 2009 jährlich etwa 8 Mio. € an Drittmitteln für wehrtechnisch relevante oder militärische Forschung an deutsche Hochschulen, rund 36 Mio. € flossen für dieselben Zwecke zwischen 2000-2010 jährlich an öffentliche Forschungseinrichtungen.

Diese Zahl zeigt aber nur an, was offiziell für militärische Forschung ausgegeben wird. Die Frage, was eigentlich alles unter militärische und Rüstungsforschung fällt, ist abschließend nicht einmal geklärt. Und leider sind oftmals bei offiziell als zivil deklarierten Projekten und Mitteln keineswegs auch wirklich zivile Absicht und Zweck sichergestellt.

Gerade im Rahmen des durch das Ministerium für Bildung und Forschung aufgelegten „zivilen Sicherheitsprogramms“ finden sich viele Forschungsprojekte, die unter den Begriff des „Dual-Use“ fallen. Projekte also, die sowohl einem zivilen Zweck dienen, genauso aber auch militärisch genutzt werden können. Viele Forscherinnen und Forscher wissen also oftmals gar nicht, wie die Ergebnisse ihrer Forschung letztlich verwertet werden. Sie sind Teil eines Großprojektes und arbeiten in ihren speziellen Teilbereichen, ohne zu erfahren, was als Endprodukt eigentlich heraus kommen soll. Diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben durch die fehlende klare Abtrennung und die mangelnde Transparenz nicht einmal die Chance, sich die Gewissensfrage zu stellen, ob sie bereit wären, Militär- oder Rüstungsgüter zu entwickeln. Wenn die Bundesregierung ihre viel gepriesene „Wissenschaftsfreiheit“ wirklich ernst nehmen würde, dann würde diese für sie auch unterhalb der Leitungs- und professoralen Ebene gelten – nämlich für alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler! Sie müssen endlich wieder die Kontrolle über ihr wissenschaftliches Handeln bekommen – dafür ist die Herstellung von Transparenz eine Grundvoraussetzung!

Wir fordern die Bundesregierung in unserem Antrag deshalb auf, sich für die Offenlegung von Kooperationsverträgen zwischen Hochschulen und privaten Auftraggebern einzusetzen und eine entsprechende Verpflichtung in den jeweiligen Gesetzen zur Informationsfreiheit bzw. in den Hochschulgesetzen zu verankern.
Und wir fordern die Bundesregierung auch auf, die Geheimhaltung bei ihrer eigenen Vergabepraxis aufzuheben. Es kann nicht sein, dass Mittel aus dem Verteidigungsministerium an öffentliche Hochschulen und Forschungseinrichtungen dem Geheimschutz unterliegen und der öffentlichen Kontrolle vorenthalten werden!
Die Bundesregierung sollte stattdessen gemeinsam mit den Ländern eine Initiative starten, um sicherzustellen, dass Forschung und Lehre an öffentlichen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ausschließlich zivilen und friedlichen Zwecken dient. Wir fordern, dass sich auch die Bundesregierung – genauso wie viele Studierende und einzelne Hochschulen – zu der im Grundgesetz verankerten Friedensverpflichtung bekennt und sich dafür einsetzt, dass bundesweit Zivilklauseln in den Statuten der Hochschulen und Forschungseinrichtungen und in den jeweiligen Landeshochschulgesetzen verankert werden. Was wir brauchen ist die Ausfinanzierung der Hochschulen in der Breite! Das würde die wissenschaftliche Unabhängigkeit gewährleisten, würde die Hochschulen unabhängig machen vom Druck, private Mittel einwerben zu müssen, um überhaupt forschen und lehren zu können.

Das Verteidigungsministerium gibt jährlich über eine Milliarde Euro für Wehrforschung aus. Kriege und bewaffnete Konflikte machen einen weltweit wachsenden Wirtschaftszweig aus: laut des Stockholmer Instituts für Friedensforschung belaufen sich die weltweiten Staatsausgaben für Militär- und Rüstungsgüter auf 1,74 Billionen US-Dollar im letzten Jahr.

Der aktuelle OECD Bericht „Bildung auf einen Blick 2012“ hat uns noch einmal vor Augen geführt, wie dringend in der Bundesrepublik Bildungschancen und Sozialstatus entkoppelt werden müssten: nur 20% der jüngeren Beschäftigten in Deutschland haben einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern, 22% einen niedrigeren – damit ist die Bundesrepublik Schlusslicht unter den OECD-Ländern.
Die Milliarden für Rüstungsgüter und militärische Forschung werden offensichtlich in diesem chronisch unterfinanzierten Bildungswesen dringend benötigt! Da wären sie besser aufgehoben!

Vielen Dank!

Rede vereinbart zu Protokoll.