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Keine Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen!

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

(Rede zu Protokoll)

 

Frau / Herr PräsidentIn, Kolleginnen und Kollegen,


das renommierte „Stockholm International Peace Research Institut", kurz SIPRI, hat diese Woche eine neue Studie zu den weltweiten Waffenexporten veröffentlicht. Wie auch schon in den letzten Jahren ist Deutschland traurigerweise wieder ganz vorne mit dabei. Mit 7% der weltweiten Exporte landet Deutschland auf Platz 3, vor ihr nur die USA und Russland.


Dass die Bundesrepublik der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist, ist eigentlich schon Skandal genug. Aber dass die Entwicklung von Kriegs- und Mordwerkzeug auch an öffentlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen stattfindet, setzt noch eins drauf und bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Studierende in erhebliche ethische Schwierigkeiten.


Laut den Antworten auf eine Kleine Anfrage der LINKEN erhielten in den letzten 10 Jahren mindestens 47 Hochschulen Forschungsaufträge aus dem Verteidigungsministerium, und Kooperationen der Hochschulen mit der Rüstungsindustrie, z.B. mit EADS, mit Eurocopter, mit Krauss-Maffei und Rheinmetall nehmen stetig zu.


In den letzten Jahren ist darum an den Hochschulen eine neue Bewegung entstanden, die erfreulicherweise stetig wächst: eine Bewegung gegen Rüstungsforschung und für Zivilklauseln, also für die Verpflichtung der Hochschulen auf friedliche und zivile Forschung und Lehre. In einer Urabstimmung an der Uni Frankfurt sprachen sich jüngst 76% für die Einführung einer Zivilklausel aus, die Universitäten Tübingen und Rostock sowie die Hochschule Bremen haben die Zivilklausel direkt in ihre Statuten aufgenommen.


Dies zeigt, dass es immer mehr Studierenden, WissenschaftlerInnen und Beschäftigten an den Hochschulen eben nicht egal ist, an was sie arbeiten, dass ihnen nicht egal ist, in welche Produkte sie ihr Wissen und ihre Kompetenz stecken. Dass sie moralische Skrupel haben, wenn sie sich an der Entwicklung von Senfgas, an Kampfhubschraubern oder Drohnen beteiligen. Immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Studierende wollen nicht an der Entwicklung militärischer Güter beteiligt sein, und darüber darf man sich freuen - gerade in Anbetracht der deutschen Geschichte.

Im Grundgesetz ist die Friedensverpflichtung der Bundesrepublik konstitutiv verankert, dieser Verpflichtung haben die Regierungen – ob Bund oder Land – in allen gesellschaftlichen Bereichen nachzukommen - und natürlich auch im Hochschul- und Wissenschaftsbereich!

Insbesondere SPD und Grüne schlagen ja in der Rechtfertigung der von ihnen sehr gewollten und befohlenen, aber in der Gesellschaft äußerst unpopulären Kriegseinsätze in Jugoslawien oder Afghanistan große Pirouetten, um den Begriff "Frieden" bis zur Unkenntlichkeit zu verzerren und soweit zu dehnen, bis am Ende aus "Frieden" "Krieg" wird -
Zuletzt erklärten mir ja die Grünen im Bildungsausschuss in der Debatte zu unserem Antrag, "friedlich" und "zivil" sei seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr dasselbe, im Gegenteil sei jetzt der Kriegseinsatz die ultima ratio - Krieg also als ultimative Waffe für den Frieden".


Liebe Grüne, liebe SPD: das ist nicht nur Sophismus in Reinform, sondern auch zynisch bis zum Umfallen!

DIE LINKE fordert in ihrem Antrag, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern endlich Maßnahmen für den Schutz und die Absicherung der grundgesetzlich geforderten Friedensabsichten der Hochschulen ergreift: Zivilklauseln sollten flächendeckend in den Statuten der Hochschulen und in den Landeshochschulgesetzen verankert werden, damit dem Forschen für den Krieg und für Waffen eine klare Absage erteilt wird.


Weil ich die Koalition schon erwidern höre, dass das Sache der Länder und der Hochschulen sei - wir haben natürlich auch einen Vorschlag, wo die Bundesregierung ganz konkret handeln kann: die Bundesregierung kann ganz einfach und unverzüglich ihre öffentliche Mittelvergabe an die Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach zivilen Kriterien ausrichten. Und sie kann dafür sorgen, dass ihre eigenen Aufträge an Hochschulen offengelegt werden, und sie kann für Transparenz sorgen bei Kooperationsverträgen zwischen Wirtschaft und Hochschulen. Die existierende Praxis der Geheimhaltung ist für eine demokratische Hochschulöffentlichkeit absolut indiskutabel! Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende und Beschäftigte müssen über Forschungsprojekte, Gelder und Forschungsziele informiert sein. Projekte öffentlich zu machen und zu diskutieren ist ein Mehr an Wissenschaftsfreiheit im Hochschul-Alltag!


Und nicht zuletzt hat es die Bundesregierung in der Hand, in welchem finanziellen Zustand die Hochschulen sind - darum fordern wir, die Hochschulen mit öffentlichen Mitteln so auszufinanzieren, dass die Hochschulen nicht mehr angewiesen sind auf Kooperationen mit der finanzstarken Großkonzernen, alleine Forschung und Lehre aufrecht erhalten zu können.

 

Von Gegnerinnen und Gegnern der Zivilklausel, wird gerne das Argument ins Feld geführt, eine Zivilklausel kollidiere mit der Wissenschaftsfreiheit. Es gibt die Sorge vor einer vermeintlichen „Tendenzuniversität", die sich nur mit bestimmten gesellschaftlichen Interessen identifiziert und anderes dafür ausschließt.


Keine Frage: Die Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut - ebenso wie die Friedensverpflichtung grundgesetzlich verankert -, und wir sollten nicht leichtfertig damit umgehen. Aber wir müssen auch ausdrücklich sagen, dass die Friedensfinalität im Grundgesetz ausdrücklich kein „bestimmtes gesellschaftliches Interesse" ist, sondern ein konstitutives Motiv der Verfassungsgesetzgebung und in verschiedenen Artikeln des Grundgesetzes wiederholt wird!


Ausdrücklich bejaht wird durch das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit von interessenmäßig gebundener Forschung, außer wenn die Pluralität der wissenschaftlichen Disziplin in Frage steht.


Eine Einführung von Zivilklauseln, die Verpflichtung auf den Frieden auch in der Wissenschaft, ist sicherlich keine Einschränkung der Pluralität!

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben angesichts der historischen Erfahrungen eine besondere Verantwortung: Zwei Weltkriege, für die Deutschland verantwortlich war, und die Nazi-Diktatur haben gezeigt, welche unmenschliche Rolle Wissenschaft spielen kann.


Genau deswegen gab und gibt es eine Vielzahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wie Werner Buckel, ehemaliger Präsident der Deutschen und der Europäischen Physikalischen Gesellschaft, oder Carl Friedrich Weizsäcker, die sich einer Tradition der verantwortlichen Wissenschaft verpflichtet fühlten und fühlen.

 

Aufgabe von Politik ist es, diese Haltung und dieses Begehr zu unterstützen und es nicht durch Unterfinanzierung des Hochschulsystems und aufgrund der engen Zusammenarbeit mit der Waffenlobby zu untergraben.
Ich schließe mit den Worten Albert Einsteins: „Das Denken der Zukunft muss Kriege unmöglich machen" - diese Worte sind Verpflichtung für Wissenschaft wie für die Politik gleichermaßen.

 

Vielen Dank.