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Keine Panzer an Saudi Arabien: Parlament muss ein klares Stoppzeichen setzen

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi in der Debatte über die drei Anträge, in denen DIE LINKE, SPD und Grüne fordern, die Lieferung von 200 Kampfpanzern nach Saudi Arabien zu stoppen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Warum haben wir diesen Antrag, der heute beraten wird, gestellt? Es liegt ja bereits ein Antrag von uns vor, in dem wir fordern, Waffen-  und Rüstungsexporte in die gesamte Region, auch nach Saudi-Arabien, zu verbieten. Aber über die Anträge zu diesem Thema wird erst im Herbst entschieden.

Jetzt haben wir alle erfahren, dass angeblich entschieden worden ist oder in Kürze entschieden werden soll, 200 Panzer an Saudi-Arabien zu liefern. Ich halte das für einen einzigartigen Skandal

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und meine, dass das Parlament hier ein klares Stoppzeichen setzen muss. Jetzt ist das Parlament gefragt, und jetzt muss es auch handeln.

Die Panzerlieferung macht übrigens die gesamte deutsche Außenpolitik, auch die Sicherheits- und Kriegspolitik, völlig unglaubwürdig. Ich will das begründen.

Diese Regierung hat uns gerade erklärt, dass sie den arabischen und nordafrikanischen Frühling in jeder Hinsicht unterstützt. Deshalb   diese Begründung findet sich tatsächlich   müssten jetzt Waffen an die NATO geliefert werden, damit man Libyen bzw. Tripolis besser bombardieren könne, weil dies, zumindest angeblich, den Aufständischen und Demonstranten helfen werde. Wenn Sie gleichzeitig entscheiden, auch Waffen an ein Land zu liefern, das im Nachbarstaat einmarschiert ist, um die Demokratie- und Freiheitsbewegung zusammenzuschießen, machen Sie sich restlos unglaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung wird absolut unglaubwürdig, wenn sie einmal Waffen mit der Begründung liefert, sie sollen den Freiheitskämpfern dienen, und zum anderen Waffen an ein Land liefert, das die Freiheitsbewegung im Nachbarland zusammenschießt. Wie wollen Sie dies Ihren Kindern und Enkelkindern erklären?

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man Waffen liefert, weiß man nie, wann sie eingesetzt werden. Stellen Sie sich doch einmal Folgendes vor: Es entsteht eine Demokratie- und Freiheitsbewegung in Saudi-Arabien, und auf die wird mit deutschen Panzern geschossen. Ich frage Sie wieder: Was erklären Sie dann Ihren Kindern und Ihren Enkelkindern?

(Beifall bei der LINKEN)

Sie begründen den Krieg in Afghanistan mit dem Kampf gegen Terror. Die übelste und gefährlichste Terrororganisation ist al-Qaida. Al-Qaida wird ausschließlich von den reichen Familien Saudi-Arabiens bezahlt. Auch hier wird die Politik restlos unglaubwürdig. Sie schicken Soldaten nach Afghanistan. Die verursachen dort Tote, übrigens auch in den eigenen Reihen. Nach Ihrer Erklärung dient das Ganze dem Kampf gegen al-Qaida. Gleichzeitig liefern Sie 200 Panzer an das Land, aus dem al-Qaida bezahlt wird. Wie erklären Sie denn das Ihren Kindern und Enkelkindern?

(Beifall bei der LINKEN)

Die Panzer dienen nicht dem Gleichgewicht. Sie sind ausdrücklich für den Einsatz gegen Aufständische und Demonstranten geeignet; denn sie sind mit Räumschild, Wasserwerfern, Tränengas etc. ausgerüstet.

Krauss-Maffei Wegmann, das Unternehmen, das die Panzer liefert, hat an die Koalitionsparteien 2009  55 000 Euro gespendet. Das hat sich sehr gelohnt; denn zwei Jahre später bekommt es einen Milliardenauftrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Saudi-Arabien gibt mehr Geld für Militär aus als jedes andere Land in der Region, sogar mehr als der Iran, Israel, Irak und Ägypten zusammen, allein im Jahr 2010  43 Milliarden Dollar.
Was ist Saudi-Arabien für ein Land? In Saudi-Arabien gibt es nicht einmal im Ansatz eine Gleichstellung von Frauen und Männern. Frauen ist das Fahren von Pkw untersagt. Frauen unterliegen einer gesetzlichen männlichen Vormundschaft, bis zur Ehe in der Regel der des Vaters, danach der des Ehemanns. Ohne Genehmigung des Vormunds, also in der Regel des Ehemanns, darf eine Frau nicht einmal ins Ausland reisen.

Ich glaube, es ist erstmalig in meiner Geschichte, dass ich im Bundestag eine bestimmte Zeitung zitiere. Ich zitiere heute die Bild-Zeitung. Sie hat in der Ausgabe von gestern Folgendes wörtlich erklärt:

Saudi-Arabien ist eine der schärfsten Diktaturen der Welt.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat sie recht!)

Politische Opposition gegen die königliche Herrscherfamilie wird unterdrückt, auf Demonstrationen stehen drastische Gefängnisstrafen. Saudi-Arabien vollstreckt die Todesstrafe …
  auch bei Homosexualität; ich bitte Sie: auch bei Homosexualität die Todesstrafe!   
durch Enthauptung mit dem Schwert. Saudische Truppen halfen dabei, die Demokratiebewegung im Nachbarstaat Bahrain blutig niederzuschlagen.

All das steht in der Bild-Zeitung! Wenn Sie mir schon nicht glauben, dann werden Sie doch wenigstens der Bild-Zeitung glauben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Zahl der Hinrichtungen von 1993 bis 2009 betrug 1 912. Wie wollen Sie Ihren Kindern und Enkelkindern erklären, dass Sie an ein solches Land Panzer liefern?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss.   Ich spreche nicht über frühere Genehmigungen und Fehler. Ich spreche auch nicht darüber, dass die Rüstungsexportrichtlinien entgegen der Annahme der SPD leider nicht restriktiv sind. Ich sage nur eines: Wenn Deutschland in seiner Außenpolitik, in seiner Menschenrechts- und Demokratiepolitik nicht jede Glaubwürdigkeit verlieren will, wenn Sie Ihren Kindern und Ihren Enkelkindern je die Welt nach bestimmten moralischen Maßstäben erklären wollen, dann müssen Sie heute den Export von 200 Panzern nach Saudi-Arabien stoppen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)