Zum Hauptinhalt springen

Jörg Cezanne: Das Leitbild Kapitalmarktunion ist und bleibt ein marktgläubiger Irrweg

Archiv Linksfraktion - Rede von Jörg Cezanne,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben es schon gehört: Wir beraten zwei Gesetzentwürfe, mit denen europäisches Recht in deutsches Recht umgesetzt wird. Es geht um gedeckte Schuldverschreibungen, den deutschen Pfandbrief, und die Aufsicht über Finanzinstitute, die keine Bankgeschäfte anbieten, sondern mit Wertpapieren handeln. Dabei werden gemeinsame Qualitätsstandards geschaffen und einige vernünftige Regelungen, zum Beispiel zur Offenlegung von Klimarisiken, eingeführt. So weit, so unspektakulär. Wir werden uns enthalten.

Worüber ich reden möchte, ist aber: Was steckt denn hinter dieser Strategie zur Vereinheitlichung von Finanzprodukten? Es geht eben erklärtermaßen nicht darum, sicherere Finanzinstrumente zu schaffen. Es geht nicht darum, weniger spekulative, besser durchschaubare Finanzprodukte zu erreichen. Das Ziel ist ein anderes: Die einheitlichen Standards sollen die Konkurrenz zwischen den Anbietern verschärfen, den Markt vergrößern und dadurch weitere und angeblich bessere und billigere Finanzinstrumente schaffen. Die Europäische Union nennt das „Kapitalmarktunion“. So weit zur Theorie.

Ganz praktisch versprechen sich aber Bundesregierung und die deutschen Banken, dass sich mit den neuen Gesetzen deutsche Pfandbriefe künftig in Luxemburg, Dublin, Rom und dem Rest der EU besser verkaufen lassen. Geht diese Rechnung auf, dann werden dadurch die Refinanzierungsbedingungen zum Beispiel für Immobilienfinanzierungen in Deutschland günstiger, während gedeckte Schuldverschreibungen anderer Länder möglicherweise schwerer absetzbar, also teurer werden. Was also in der Theorie als Verbesserung für alle angekündigt wird, ergibt am Ende einen Nutzen, der ungleich verteilt ist und ökonomisch nicht wünschenswerte Folgen hat. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei den derzeit steigenden Immobilienpreisen in Deutschland zum Beispiel brauchen wir keine billigeren Immobilienkredite für große Wohnungskonzerne. Denen würde es damit noch leichter gemacht, noch mehr Wohnungen aufzukaufen. Das würde die Häuserpreise in Deutschland eher noch antreiben – eigentlich kein anstrebenswertes Ziel, oder?

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist echt Quatsch!)

Und für die Länder der europäischen Peripherie würde die Finanzierung eher schwerer und teurer, weil die Konkurrenz aus Deutschland weiter wächst – auch kein anstrebenswertes Ziel.

(Beifall bei der LINKEN)

Die ganze Konkurrenzlogik des EU-Binnenmarktes führt eben nicht und schon gar nicht automatisch zu sozialem und ökonomischem Ausgleich zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Mitgliedstaaten. Sie treibt unter Umständen sogar Ungleichheit und Konflikte voran. Statt weiterer Kapitalmarktuniongesetze sollten wir lieber die Finanzmärkte begrenzen und entschleunigen, zum Beispiel mit einer Finanztransaktionsteuer, die schon lange überfällig ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)