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Ja zur Frauenquote, "weil man die Öffnung einer Tür immer unterstützen muss"

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

In der Fraktion Die Linke im Bundestag gibt es 42 Frauen und 33 Männer,

(Beifall bei der LINKEN)

in der Fraktion der FDP im Bundestag gibt es 24 Frauen und 69 Männer. Ich sage Ihnen, Frau Bracht-Bendt: Wenn das, was Sie hier gerade vorgetragen haben, Ihre Auffassung bleibt, wird sich daran niemals etwas ändern.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Druck zur Einführung einer gesetzlichen Quote für Frauen in Aufsichtsräten ist kein Erfolg einer Partei, sondern sehr vieler Frauen und eher weniger Männer, die seit Jahren in Verbänden, Universitäten, Zeitungsredaktionen und Unternehmen kämpfen. Eine Initiative möchte ich besonders hervorheben: die „Berliner Erklärung“. Frauen aus vielen Verbänden und aus allen fünf Bundestagsfraktionen, unterstützt von Zehntausenden, haben sich dort zusammengefunden. Heute hätten wir die Chance für eine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten gehabt. Sie wird wohl verspielt werden. Aber der Druck des Bündnisses „Berliner Erklärung“ für   jetzt zitiere ich wörtlich   „eine gerechte Gesellschaft, die Frauen und Männern die gleichen Verwirklichungs- und Teilhabechancen auch praktisch einräumt“, wird noch deutlich zunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie, Herr Kauder, haben gesagt - Herr Brüderle vertritt die gleiche Auffassung -, dass man keine zwangsweise Erziehung der Erwachsenen staatlich durchführen sollte. Herr Kauder, Herr Brüderle, wenn es ohne gehen würde, müssten wir in Wirtschaft, Politik und Kultur eine ganz andere Zusammensetzung haben. Die haben wir aber nicht, und deshalb brauchen wir endlich die Quote.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Warum haben Sie eigentlich Ihre Führungsspitze abgeschafft?)

Der Antrag aus dem Bundesrat, initiiert vom Hamburger Senat, ist nicht so überwältigend. Mein Gott! Eine Quote von 20 Prozent, und das erst im Jahre 2018, ist der Kompromiss. Das bedeutete für die 30 großen DAX-Unternehmen gerade einmal 44 Frauen mehr. Darum machen Sie ein Gesums, als ob das Ganze das Ende der Bundesregierung und des Abendlandes bedeuten würde.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich sage Ihnen: Sie haben sogar in beiden Punkten recht. Nicht nur deshalb, aber auch deshalb wird die Bundesregierung tatsächlich abgewählt werden. Das Abendland geht insoweit unter, als es in ihm typisch war, Frauen die Entscheidungen innerhalb der Wohnungen und Männern die Entscheidungen außerhalb der Wohnungen zuzuweisen. Auch das muss ein Ende nehmen. Meine lieben konservativen Herren, ich sage Ihnen das ganz offen: Diese Zeit ist vorbei.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sagte schon, die Initiative aus dem Bundesrat ist eher unzureichend. Aber sie wäre dennoch ein erster Schritt hin zu einer gesetzlichen Frauenquote, der berühmte Fuß in der Tür, der sie öffnet. Ich sage das heute auch selbstkritisch. Das Lebenspartnerschaftsgesetz war auch der berühmte Fuß in der Tür. Seitdem haben sich die Dinge bis hin zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt. Deshalb ärgere ich mich noch heute über mich selbst, dass ich mich damals der Stimme enthalten habe. Ich hätte zustimmen sollen, weil man das Öffnen einer Tür immer unterstützen muss. Sie geht dann von allein immer weiter auf.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht doch nicht um die eher marginalen Interessen gutverdienender Managerinnen, die in die obersten Chefetagen wollen, obwohl auch das schon eine unterstützenswerte Forderung ist. Es geht um die gesellschaftliche Bewertung sogenannter Frauen- und Männerarbeit, das Aufbrechen von Rollenstereotypen und die gleichberechtigte Teilhabe in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur. Mich stört nicht nur, dass die Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in unserer Gesellschaft nicht durchgesetzt ist, sondern mich stört auch, dass die Forderung „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ noch gar nicht genügend erhoben wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Elke Ferner (SPD))

Sogenannte Frauenarbeit ist immer weniger wert. Ich weiß, dass der Stahlarbeiter eine harte Arbeit leistet, und er soll gut verdienen. Aber die OP-Schwester leistet eine genauso harte Arbeit, und sie soll genauso gut verdienen. Das müssen wir endlich durchsetzen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es geht um eine gerechte Teilhabe im Berufsleben. Die erfordert dann allerdings auch eine gerechte Teilhabe in der Familie, in der Partnerschaft, gegenüber Kindern und anderen Angehörigen und im Haushalt. Das wollen Sie verhindern, Herr Kauder und Herr Brüderle?

(Elke Ferner (SPD): Und Frau Merkel!)

Es gibt Frauen in der Union, die sich für das Gesetz einsetzen wollten. Die haben Sie so unter Druck gesetzt, dass die sich heute nicht trauen, dafürzustimmen. Was bekommen Sie dafür? Statt eines Gesetzes ein Stück Papier. Ich sage Ihnen: Was Sie in Ihr Wahlprogramm hineinschreiben, steht noch nicht im Koalitionsvertrag; da hat Herr Steinmeier völlig recht. Sie rufen überall, Sie wollen die Koalition mit der FDP fortsetzen, und die sagt: So etwas kommt gar nicht in den Vertrag der Regierungskoalition. Also ist das doch für nichts, Frau von der Leyen. Dafür geben Sie das auf? Sie hätten heute wirklich einmal Courage beweisen müssen statt so ein Stückchen Papier.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbst wenn es im Koalitionsvertrag steht - wir kennen das ja von der Angleichung der Rentenwerte Ost und West -, streichen Sie es dann hinterher, und es findet nicht einmal statt.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): So ist es!)

Ich glaube, die Frauen aus der Union und auch aus der FDP, die jetzt umgekippt sind, werden sich später schwere Vorwürfe machen. Immerhin haben die CDU-Ministerpräsidentin aus dem Saarland und der CDU-Ministerpräsident aus Sachsen-Anhalt im Bundesrat zugestimmt. Die hatten mehr Mumm; das muss ich einmal ganz klar sagen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Kompromiss des Bundesratsentwurfs ist doch nicht nur für die Konservativen ein weiter Weg, sondern aus umgekehrter Richtung auch für uns; denn wir wollen schneller und mehr Gleichstellung. Wir haben heute aber die Chance, ein Zeichen gegen die anhaltende Diskriminierung der weiblichen Bevölkerungsmehrheit zu setzen.
Ich sage Ihnen am Schluss: Frau Merkel, Herr Kauder, Herr Brüderle, es ist schlimm, dass Sie heute Frauen zwingen, gegen Frauenrechte zu stimmen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)