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Haftung für atomaren Wahnsinn?

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Bundesregierung will den Bau des Atomkraftwerks Angra 3 in Brasilien durch Siemens mit einer Exportkreditgarantie ermöglichen. Die Steuerzahler müssten mit 2,5 Mrd. Euro haften. Im Haushaltsausschuss haben wir sehr ausführlich über die Risiken eines solchen Geschäfts diskutiert. Die Vertreter der Bundesregierung konnten auf unsere Fragen keine seriösen Antworten geben.

Es ist nicht akzeptabel, dass die Bundesrepublik solche Risikotechnologien weiter unterstützt und dafür noch die Steuerzahler in Haftung nehmen will. Umweltorganisationen benennen vier Kritikpunkte an diesem Risikogeschäft:

Ökonomische Risiken

Gerade bei Atomanlagen ist das Ausfallrisiko für Bürgschaften enorm hoch, da sie hohe Anfangsinvestitionen erfordern und es oftmals zu immensen Kosten- und Bauzeitüberschreitungen kommt. Bereits der Bau von Angra 2 hat mit 25 Jahren Bauzeit und einem zwei- bis dreimal höheren Preis als veranschlagt enorm zur Verschuldung Brasiliens beigetragen.

Politische Risiken

Die brasilianische Atomaufsicht ist nicht unabhängig, denn ein und dieselbe Behörde, die CNEN (Comissão Nacional de Energie Nuclear), ist für die Förderung und Kontrolle von Atomkraft zuständig. Die Internationale Konvention zu Atomsicherheit, die der brasilianische Kongress 1997/8 in nationales Recht übernommen hat, schreibt eine funktionale Trennung zwischen Aufsichtsbehörde und Förderern/Nutzern der Atomenergie vor. Die bestehende Struktur entspricht somit nicht einmal geltendes brasilianisches Recht, geschweige denn europäischen Standards.

Sicherheitsrisiken

Vom Stand der Technik ist Angra 3 vergleichbar mit dem in den 70er Jahren in Deutschland errichteten Kraftwerk Grafenrheinfeld. Dabei handelt es sich um einen Druckwasserreaktor der zweiten Generation. Der Neubau eines Atomkraftwerkes nach diesen Standards wäre heute in Westeuropa nicht mehr durchsetzbar.

Ungelöste Müllentsorgung

Zentrales ökologisches Problem der Anlage ist die - auch nach 20 Jahren Betriebslaufzeit von Angra 1 - noch immer sehr provisorische Lösung für die radioaktiven Abfälle. Zurzeit lagert der radioaktive Müll der Atomreaktoren Angra 1 und 2 unter Wasser in so genannten „blauen Schwimmbecken“. Der brasilianische Umweltminister Minc kritisiert diese Lagerung als völlig unzureichend und fordert endlich eine Langzeitlösung für die Abfälle. Tatsächlich empfehlen sich die geologischen Verhältnisse in diesem, von Erdbeben und Erdrutschen gefährdeten Küstengebirge zwischen Rio und São Paulo weder für „sensible“, Bauwerke noch für die Zwischenlagerung von strahlendem Müll.

Dieser Analyse ist nur hinzuzufügen, dass die Bundesregierung im Wissen um die genannten Probleme, trotzdem an einer Hermesbürgschaft festhält. Das zeigt, dass die Bundesregierung der Atomlobby blindlings folgt. Offensichtlich wird Politik nicht mehr gewählt, sondern nur noch bestellt. DIE LINKE, als großspendenfreie Partei, folgt den Empfehlungen der Umweltverbände und lehnt die Bürgschaft ab.