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Gute Arbeit muss angemessen bezahlt werden

Archiv Linksfraktion - Rede von Jan Korte,

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

natürlich unterstützen wir LINKEN das Anliegen des heute hier zur Debatte stehenden Antrages, die Entgelte und Arbeitsbedingungen der Wach- und Sicherheitskräfte im Deutschen Bundestag zu verbessern. Das ist selbstverständlich für eine Partei, die sich den Interessen der Beschäftigten verschrieben hat. Dass so ein Antrag überhaupt gestellt werden muss, ist mehr als peinlich, gerade für das Parlament. Und natürlich thematisiert der Antrag nur einen kleinen Teilaspekt eines drängenden und skandalösen gesamtgesellschaftlichen Problems. Das Problem der massiv gewachsenen prekären Beschäftigung.

Im Antrag heißt es: „Der Deutsche Bundestag hat als Gesetzgeber die Aufgabe, gute Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Arbeitsmarkt zu schaffen.“ Richtig. Fakt ist allerdings, dass in Deutschland die Löhne seit Jahren wesentlich langsamer steigen als im Rest Europas, ja, dass dieses reiche Land mittlerweile bei der Lohnentwicklung das Schlusslicht in Europa ist. Die Reallöhne in Europa entwickeln sich grob gesagt in zwei Richtungen: In fast allen Ländern gab und gibt es Zuwächse nur in Deutschland gab es ein sattes Minus von 4,5 Prozent.

Auf dem World Economic Forum 2005 in Davos rühmte sich der damalige sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder folgendermaßen (Zitat) „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt. Ich rate allen, die sich damit beschäftigen, sich mit den Gegebenheiten auseinander zu setzen, und nicht nur mit den Berichten über die Gegebenheiten.“

Richtig. Diese Politik und diese Gegebenheiten haben besonders SPD und Grüne mit zu verantworten. Sie haben der Lohndrückerei die Schleusen geöffnet und gleichzeitig über die wirtschaftliche Situation in der Bundesrepublik gejubelt. Sie haben im Zuge der Hartz-Gesetze den Niedriglohnsektor eingeführt - warum sollten ausgerechnet Parlament und Regierungseinrichtungen von den Folgen solcher Politik verschont bleiben. Leidtragende sind dennoch auch hier die Beschäftigten und ihre Angehörigen.

Seit dem sind offenbar selbst im Deutschen Bundestag Dumpinglöhne üblich. Ein Großteil des Sicherheitsdienstes wurde hier an private Firmen ausgelagert. Niemand außer den Betroffenen selbst hat irgendein Problem damit gehabt, dass das für unser aller Sicherheit zuständige Personal seitdem mit einem Stundenlohn von 6,25 Euro abgespeist wird.
Und selbstverständlich hatten auch die Bundesregierungen nach Rotgrün nichts gegen diese Politik einzuwenden. Dass jetzt die Grünen diesen Antrag einbringen erfreut mich und zeigt eine - wenn auch späte - Selbstkritik.
Die miese Bezahlung für eine anspruchsvolle Arbeit ist aber längst nicht das einzige Problem. Mit der Befristung wird dauerhaft Druck auf die Vertragsnehmer ausgeübt, damit die beauftragten Firmen, mit dem ständigen Wettbewerbsdruck im Nacken, leichter zu händeln und ggf. auch leicht gegen noch günstigere Mitbewerber wieder ausgetauscht werden können. Für die Beschäftigten allerdings bedeutet dies neben niedrigen Löhnen eine permanente existenzielle Unsicherheit auch ihre Verträge sind schließlich befristet.

Ich möchte an diesem Punkt aber auch noch einmal den Blick weiten und einen anderen Aspekt ansprechen: Welche Folgen hat denn eigentlich die Privatisierung von Sicherheit?
Auf der Internetseite des Nachrichtensenders n-tv wird der Vorsitzende der GdP für den Bereich Bundespolizei, Josef Scheuring, am 28.12.2009 folgendermaßen zitiert:
Die Privatisierung und der damit verbundene Kostendruck habe „dramatische Auswirkungen“ für die Sicherheit. Bei der Vergabe der Aufträge für Flughafenkontrollen „gibt es nur ein Kriterium – den Preis“. Dieses Verfahren sei „vollkommen unverantwortlich“.
Die Kontrollen an den Flughäfen seien „eine hoheitliche Aufgabe, die der Staat übernehmen muss“, kommentiert Scheuring in dem Artikel die Feststellung, dass nur noch etwa zehn Prozent des Sicherheitspersonals an Flughäfen von der Bundespolizei käme und der Großteil der Aufgaben von Privatunternehmen gestelltes Personal übernimmt. Die Linksfraktion hat schon im Jahre 2007 (Drs. 16/7108) in einem Antrag im Bundestag die Rückübernahme dieser Aufgaben in die öffentliche Hand gefordert.
Der ehemalige GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg wird in der Rheinischen Post zum selben Thema zitiert: „Teilweise verdienen die Mitarbeiter gerade einmal 7,50 Euro pro Stunde, melden sich deswegen krank oder haben einen Nebenjob. Das sind Zustände, die bei einem so wichtigen Punkt wie der Sicherheit im Flugzeugwesen nicht hinnehmbar sind".

Diese Probleme sind bekannt und Parlament und Regierung offensichtlich so peinlich, dass sie so weit wie möglich den Augen der Öffentlichkeit entzogen werden.
Auf vier schriftliche Fragen meines Kollegen Frank Tempel nach Umfang, Arbeits-, Entgelt- und Ausbildungsbedingungen privater Sicherheitsbediensteter bei Bundesministerien und obersten Bundesbehörden, wo teilweise die Quote privater Dienste angeblich bis über 90 Prozent geht, lautete die Antwort auf Drucksache 17/2892:
„Das Bundesministerium des Innern hat die Antworten des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche … als eingestuft. Die Antworten sind in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden.“

Ich will keinem Kollegen und keiner Kollegin privater Dienste persönlich Schlamperei oder schlechtere Arbeitsmoral als die ihrer verbeamteten Kolleginnen und Kollegen unterstellen – dagegen spricht im Übrigen auch meine tägliche persönliche Erfahrung mit ihnen hier in den Gebäuden des Deutschen Bundestages.
Aber Sicherheit darf nicht ausschließlich nach Cent und Euro gekauft werden, gute Arbeitsleistung muss angemessen bezahlt werden und wer eine solche abliefert muss entsprechende Anerkennung, Sicherheit, Ausbildungsmöglichkeiten und Zukunftsperspektive erhalten.

Und hier haben das Parlament und die Regierung enorm viel nachzuholen.