Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen!
Eine sachfremde Bemerkung muss ich vorwegschicken: Ich glaube tatsächlich, dass Ihre Bundeskanzlerin mit der SED und der FDJ etwas mehr zu tun hatte, als ich jemals zu tun hatte.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es wäre schön, wenn Sie 25 Jahre später vielleicht auch so weit denken könnten.
Der Antrag der Linken, der heute auch vorliegt, will den gleichberechtigten Zugang zu Bildung für Geflüchtete sicherstellen; denn jeder weiß, wie zentral Bildung und Sprache dabei sind, Menschen gesellschaftliche Teilhabe und Perspektiven zu eröffnen. Aus zwei Gründen ist diese Initiative der beiden Oppositionsparteien dringend nötig:
Erstens. Die Regierung darf nicht länger mit dem Finger auf die Länder zeigen. Es ist ja völlig klar: Viele Dinge fallen in die Zuständigkeit der Länder und der Kommunen, und sie tragen bislang die finanzielle Hauptlast. Genauso klar ist aber doch wohl auch, dass wir es hier mit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu tun haben. Das Herumschieben von politischen Verantwortlichkeiten ist der Situation absolut unwürdig,
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist kein Herumschieben! Das ist Realität!)
und der Bund ist viel stärker als bisher gefordert.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zweitens. Die Initiative ist auch deswegen nötig, weil die eigentlich selbstverständliche Haltung, nämlich schnell und unbürokratisch Unterstützung für Menschen in Not zu leisten, leider nicht in allen Teilen der Großen Koalition selbstverständlich ist. Es war zwar wirklich positiv – es fällt mir jetzt gerade zwar ein bisschen schwer, das zu sagen, aber ich sage es trotzdem, weil es wirklich positiv war –, dass die Bildungsministerin nicht in die schrille Tonlage von manch anderem eingestimmt hat
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
und stattdessen, auch im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung, Maßnahmen zur Integration von Geflüchteten angekündigt hat.
Aber gleichzeitig sind es Ihre Fraktionskollegen, die einen ganz dumpfen Rassismus bedienen,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Unglaublich!)
zum Beispiel, wenn aus Bayern Parolen kommen wie die, dass Deutschland „nicht das Sozialamt für den Balkan“ sei, und wenn Horst Seehofer große Verbrüderung mit einem Rassisten wie Viktor Orban feiert.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich muss sagen: Ich erwarte von der Bildungsministerin auch mal ein paar klare Worte, wenn hierzulande Flüchtlingskinder von der Polizei mitten aus dem Unterricht geholt werden, weil den Eltern die Abschiebung droht,
(Beifall bei der LINKEN)
oder wenn so unglaubliche Vorschläge gemacht werden wie der, die Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern gleich ganz abzuschaffen.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Der kommt übrigens aus Thüringen! Da regieren Sie!)
Kolleginnen und Kollegen, hier geht es um ein Menschenrecht, um das Recht auf Bildung. Dieses Recht gilt universell. Es ist nicht verhandelbar. Ich finde, das hat die Bildungspolitik auch einmal klarzustellen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen: Es ist sehr gefährlich, wenn hier ständig nach Gruppen gesucht wird, für die diese Rechte nicht gelten sollen. Mal sind es die Asylsuchenden insgesamt, dann versucht man, Menschen über die Konstruktion von sogenannten sicheren Herkunftsstaaten von Arbeit und Bildung auszuschließen. Wer so denkt und so Politik macht, hat die Menschenrechte nicht verstanden.
(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Bundesregierung steht in der Pflicht, allen Menschen, auch den zugewanderten, gute Bildung zu ermöglichen und die Länder und Kommunen dabei zu unterstützen, das umzusetzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen fordert die Linke ein Bund-Länder-Programm für Sofortmaßnahmen in der Bildung. Und die beginnt in der Kita. Da brauchen wir endlich ausreichend Plätze. Das war schon richtig, bevor eine größere Zahl von Geflüchteten zu uns gekommen ist, und jetzt gilt es erst recht. Viel zu lange haben Sie in der Regierung mit der sinnlosen Herdprämie herumgemurkst und den Kitaausbau hinten angestellt.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Na, na! Nicht alle Teile!)
Mehr als ein Drittel der Geflüchteten ist jünger als 18 Jahre. Es ist mit bis zu 400 000 neuen Schülerinnen und Schülern zu rechnen, die in den Schulalltag integriert werden müssen. Da sage ich Ihnen: Dem Bildungsministerium muss natürlich mehr einfallen als eine Smartphone-App zum Deutschlernen und ehrenamtliche Flüchtlingshelfer als Lernbegleiter.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Haben Sie zugehört?)
Diese Aufgabe kann man nicht auf diese Weise abwälzen. Was es braucht – jetzt können Sie mir zuhören –,
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Tue ich!)
sind mehr festangestellte, qualifizierte und gut bezahlte Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte, und zwar an öffentlichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen,
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Können Sie in den Ländern, wo Sie Verantwortung haben, machen! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Fangen Sie in Thüringen an!)
und da muss der Bund mithelfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist der Unterschied zwischen uns, Frau Wanka: Ihre Partei hat Stellen von Lehrerinnen und Lehrern zum Beispiel in Brandenburg in der Zeit der Großen Koalition zu Tausenden – ich glaube, es waren über Zehntausend – abgebaut. Wir wollen Lehrerinnen und Lehrer neu einstellen,
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wir in Bayern haben es gemacht!)
weil wir wissen, vor welchen Aufgaben wir im Bildungsbereich stehen.
(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sie wollen es, und wir haben es gemacht!)
An dieser Stelle wird wieder einmal deutlich, was für ein Hemmnis das Kooperationsverbot, das Verbot der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, in der Bildung ist.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Bitte konkret statt Ideologie!)
Sie als Regierung hätten es in der Hand, damit endlich Schluss zu machen und dieses unnötige Problem aus dem Weg zu räumen und einfach das Selbstverständliche zu tun und gesamtgesellschaftliche Bildungsaufgaben auch gemeinsam zu stemmen. Es wäre schön, wenn die neue Situation wenigstens dazu führte, dass Sie einmal darüber nachdenken.
(Beifall bei der LINKEN)
Lassen Sie mich noch einen Satz zur Finanzierung sagen. Es ist unredlich, wenn aus der Politik suggeriert wird, die neue Situation brächte das Land an seine Belastungsgrenze. Was uns an die Belastungsgrenze bringt, ist schlechtgemachte Politik. Die Bundesrepublik hat im ersten Halbjahr dank der guten Konjunktur den höchsten Überschuss seit rund 15 Jahren erzielt. Bund, Länder und Kommunen haben deutliche Mehreinnahmen zu verzeichnen. Ich weise Sie gerne noch einmal darauf hin, dass wir ein Land mit einer sehr hohen Steuerbasis sind. Es kommt auf die richtige Verteilung an. Haben Sie den Mut, endlich die Verteilungsfrage zu stellen!
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Ideologie! Ideologie! Ideologie!)