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Gesine Lötzsch: Impf-Priorisierung - arme Menschen besonders schützen

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Impfen ist Vertrauenssache, und in einer solchen Krise ist Vertrauen die härteste Währung. Aber Vertrauen schafft man nur mit Transparenz und demokratischer Willensbildung in Parlamenten, also vor den Augen der Öffentlichkeit. Und das fordern wir ein!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung will uns mit einer Coronaimpfverordnung wieder vor vollendete Tatsachen stellen. So schaffen Sie nicht mehr Vertrauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat doch ganz klar gesagt: Eine solche Regelung ist Aufgabe des Parlamentes und nicht der Bundesregierung. Und wir haben doch schon so oft bewiesen in diesem Parlament, wie schnell es möglich ist, Gesetze zu beschließen. Das sollten wir auch in diesem Fall tun, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Denn ein demokratisches Gemeinwesen verträgt keine Geheimnistuerei.

Wir brauchen jetzt mehr Transparenz und mehr offene Diskussionen, die auch Widersprüche zulassen.

(Zuruf des Abg. Rudolf Henke [CDU/CSU])

Es werden ja auch Widersprüche aufgemacht und Stimmung gemacht. Die „Bild“-Zeitung zum Beispiel hat Stimmung gemacht und fordert eine schnelle Notzulassung des Impfstoffes. Davor können wir nur warnen. Wir sagen: Sicherheit geht vor Schnelligkeit, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])

Wir dürfen auch nicht übersehen, dass es Impfskepsis in unserem Land gibt. Ich gehöre ausdrücklich nicht zu den Skeptikern, aber ich möchte möglichst viele Menschen überzeugen. Ansonsten ist die Impfung ja für viele wirkungslos. Wir brauchen viele, die sich impfen lassen wollen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir dürfen auch in dieser Diskussion nicht übersehen, dass die Hauptlast der Pandemie die Menschen tragen, die im Gesundheitswesen arbeiten. Sie sehen vor Ort, wie das Gesundheitswesen in den letzten Jahren kaputtgespart worden ist, wie vieles auf Profit ausgerichtet wurde. Das muss sich jetzt endlich ändern, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hauptlast im Gesundheitswesen tragen die Krankenschwestern und Pflegerinnen und Pfleger. Es sind in der Mehrheit Frauen, die sich besonders häufig wegen ihrer Arbeit anstecken und hart von der Krankheit getroffen werden. Sie müssen wir schützen. Umfassend, schnell und nachhaltig, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Und: Wir wissen doch alle, die Pharmaindustrie handelt nicht uneigennützig. Es ist ein Markt, nicht nur von Millionen, sondern von Milliarden Euro. Darum brauchen wir eine Bundesregierung und vor allen Dingen auch eine EU-Kommission, die entschieden die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertritt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber was erleben wir? Die EU-Kommission will die Verträge mit Pharmaunternehmen mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis nicht offenlegen. Ich denke, wir dürfen niemals hinnehmen, dass Geschäftsgeheimnisse von Konzernen schwerer wiegen als das berechtigte Informationsinteresse der Bevölkerung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann doch nicht sein, dass Hunderte Millionen öffentlicher Mittel in die Entwicklung und Produktion von Impfstoff investiert werden und wir dann mit dem Schlagwort „Geschäftsgeheimnisse“ abgespeist werden sollen. Das werden wir niemals hinnehmen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Nationale Akademie der Wissenschaften, die Leopoldina, fordert, die Priorisierung, also die Reihenfolge der Impfungen, medizinischen, ethischen und rechtlichen Prinzipien folgen zu lassen. Das ist richtig. Aber ich möchte noch ein Kriterium hinzufügen, nämlich das soziale.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Natürlich!)

– Selbstverständlich, natürlich. Das ist richtig. – Eine Studie des Universitätsklinikums Düsseldorf zeigt: Ärmere Menschen sind besonders stark von Covid-19 betroffen, und Menschen, die Hartz IV beziehen, hatten ein um 84 Prozent erhöhtes Risiko, mit der Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Wenn also jetzt die Frage gestellt wird, wer zuerst geimpft werden muss, dann sagen wir: Wir müssen auch die Menschen schützen, die in prekären Verhältnissen wohnen und arbeiten. Das muss unstrittig sein, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Und unstrittig ist doch auch: Wer jeden Tag im Homeoffice wichtige Coronaverordnungen schreibt, ist nicht an erster Stelle gefährdet, sich anzustecken. Viel gefährlicher ist es für Menschen, deren Beruf es erfordert, täglich andere zu treffen, wie Busfahrerinnen, Verkäufer, Paketboten. Auch geflüchtete Menschen, die sich in Massenunterkünften befinden, sind besonders gefährdet. Diese müssen wir schützen, und zwar in unser aller Interesse, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Und, meine Damen und Herren, wir wollen eine solidarische Globalisierung. Es kann nicht die Idee sein, dass Impfdosen, die in Deutschland und in der EU nicht gebraucht werden, armen Staaten zur Verfügung gestellt werden. Wir brauchen einen ethischen und einen sinnvollen Weg; denn allein die Kühllogistik, die man für den Impfstoff, der jetzt in Rede steht, braucht, ist in vielen ärmeren Ländern überhaupt nicht möglich. Darum müssen wir die Entwicklung von Impfstoffen fördern, die auch bei 30 Grad in der Sonne funktionieren. Eine Voraussetzung dafür ist, dass endlich der Patentschutz aufgehoben wird, damit auch ärmere Länder den Impfstoff kostengünstig herstellen können. So geht solidarische Globalisierung. Dafür steht Die Linke.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)