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Gesine Lötzsch: Deutsche Wohnen enteignen ist ein Akt der Notwehr

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An diesem Freitag geht das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“ in Berlin in die nächste Runde.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir als Linke unterstützen dieses Volksbegehren, nicht nur aus voller Überzeugung, sondern auch tatkräftig. Man kann den Inhalt in einem Wort zusammenfassen: Dieses Volksbegehren ist „Notwehr“ gegen die Willkür von Vermieterinnen und Vermietern, „Notwehr“ gegen große Konzerne. Wir als Linke stehen an der Seite der Mieterinnen und Mieter.

(Beifall bei der LINKEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)

Herr Seehofer, Sie haben hier eine sehr positive Bilanz gezogen. Allerdings muss ich Wasser in den Wein gießen; denn mit der Realität hat vieles, was Sie gesagt haben, nichts zu tun. Ein Beispiel: Am Ende dieser Wahlperiode wird es 160 000 Sozialwohnungen weniger geben als zu Beginn, und nicht einmal jede zehnte neu gebaute Wohnung ist eine Sozialwohnung. Dabei hat in vielen Städten die Hälfte der Bevölkerung ein Anrecht auf eine Sozialwohnung. Die Mieten werden für die Menschen zu einer enormen Belastung. Jeder siebte Haushalt muss schon mehr als 40 Prozent des Einkommens für Wohnen ausgeben. Die Miete frisst den Lohn auf. Das darf so nicht weitergehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit der Finanzkrise sind die Mieten explodiert. Nicht nur in Berlin haben sich die Angebotsmieten verdoppelt: In München betrug der Anstieg 60 Prozent, in Nürnberg, Hannover oder Stuttgart jeweils 50 Prozent. In sieben großen Städten haben sich die Bodenpreise seit der Finanzkrise vervierfacht. In München zum Beispiel macht der Bodenpreis bis zu 80 Prozent der Neubaukosten aus. Das darf so nicht weitergehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Daniel Föst [FDP]: Jahrzehntelang SPD-regiert!)

Beim Wohnungsgipfel 2018 im Kanzleramt wurden die eigentlichen Ursachen der Wohnungsnot nicht erkannt. Nach der Finanzkrise ist nämlich viel Geld von den Börsen in den Wohnungsmarkt geflossen. Immobilienhaie und Wohnungskonzerne machten auf dem Rücken von Mieterinnen und Mietern das Geschäft ihres Lebens. Es wäre die Aufgabe der Bundesregierung gewesen, die Menschen vor diesen Wohnungsspekulanten zu schützen. Das haben Sie nicht getan. Das ist unterlassene Hilfeleistung. Das muss sich ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Mietenbremse – darüber haben wir hier schon oft diskutiert – ist ein schlechter Witz. Sie bremst nicht genügend und für viele überhaupt nicht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Trommelbremse! Wir brauchen Scheibenbremsen!)

Ich sage ganz deutlich: Wir haben in Berlin mit dem Mietendeckel ein gutes, ein wirksames Mittel gefunden, und das werden wir auch verteidigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der FDP)

Gegen diesen Mietendeckel laufen nun die Parteien der Wohnungseigentümer Sturm. Und wie wir alle wissen – und wie es der Vorredner schon erwähnte –, spenden Immobilienhaie besonders gern an die CDU. Das muss doch einen Grund haben, oder, Kollege Wegner von der CDU?

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, genau!)

Eine Bemerkung zur FDP: Sie sprechen hier vom Wohnungsmarkt als Spielball der Politik. Ich frage mich: Wer spielt hier eigentlich mit wem?

(Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Das ist eine gute Frage!)

Die Situation ist, dass mit vielen Mieterinnen und Mietern gespielt wird. Dieses Spiel muss endlich ein Ende haben. Dafür steht Die Linke, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die FDP will wohl, dass der Wohnungsmarkt alleiniger Spielball von Wohnungskonzernen und deren Aktionären bleiben soll. Dieses Spiel muss beendet werden. Wir sagen ganz deutlich: Wohnen ist Menschenrecht. Schluss mit dem Monopoly!

(Beifall bei der LINKEN)

Nun klagt die Bundestagsfraktion der CDU/CSU gegen den Berliner Mietendeckel. Sie behaupten: Wenn mehr Wohnungen gebaut werden, dann sinken die Mieten.

(Frank Sitta [FDP]: Genau! – Daniel Föst [FDP]: Genau!)

Aber der Gegenbeweis ist inzwischen längst erbracht.

(Daniel Föst [FDP]: In Berlin werden gar keine Wohnungen mehr gebaut!)

Also muss man beides tun: mehr bezahlbare Wohnungen bauen und den Wohnungsmarkt wirksam regulieren, und die Betonung liegt hier auf „wirksam“ und nicht auf „Scheinregulierung“, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir brauchen bezahlbare Wohnungen!)

Das Volksbegehren ist ein Akt der Notwehr. Dass Bürgerinnen und Bürger die Enteignung von Deutsche Wohnen & Co fordern, das ist etwas, was wir unterstützen und was auch mit dem Grundgesetz – um das hier in aller Deutlichkeit noch einmal zu betonen – vereinbar ist.

(Beifall bei der LINKEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja wer bezahlt denn das?)

In Deutschland wird ständig enteignet, wenn es um den Bau von Autobahnen geht. Ich finde Wohnungen wichtiger als Autobahnen.

Der Zwischenruf war: Wer bezahlt? – Natürlich werden alle, die enteignet werden, entschädigt.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: 36 Milliarden!)

Die Frage ist natürlich immer: Was ist die Höhe der Entschädigung? Es ist ausgerechnet worden: Die Entschädigung kann aus den zukünftigen Mieten bezahlt werden.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP)

Aber was dann nicht mehr passieren wird, ist, dass die Mieterinnen und Mieter die Dividende von Aktionären bezahlen. Nur ein Beispiel: In den fünf Jahren von 2012 bis 2017 sind 1,9 Milliarden Euro Dividende an Aktionäre ausgeschüttet worden. Das muss beendet werden. Wohnen ist ein Menschenrecht. Wir wollen, dass alle Menschen sicher und preiswert wohnen können und dass sie nicht um ihre Wohnung fürchten müssen. Wir wollen Sicherheit für die Menschen in unserem Land. Dafür steht Die Linke.

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)