Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen hatte ich ein Treffen mit dem Rabbiner Jeremy Borovitz. Er ist Überlebender des Anschlags in Halle und Vorsitzender einer jüdischen Studierendenorganisation in Berlin. Seine Mitstreiter/-innen und er haben nach dem Ausbruch des Angriffskrieges Studierende aus der Ukraine aufgenommen. Darunter sind auch Personen aus Nigeria, die als Drittstaatler/-innen, anders als ukrainische Staatsangehörige, in Deutschland bisher keinen Anspruch auf einen Schutzstatus haben, obwohl sie vor demselben Krieg fliehen mussten und obwohl auch ihre Pläne und Existenzen durch den Krieg zunichtegemacht wurden.
Ich habe mit drei wunderbaren Menschen gesprochen, die gerne ihr Studium in Deutschland fortsetzen möchten. Esther und Emmanuel wollen ihr Medizinstudium beenden, und Gottfried möchte an der Technischen Universität in München weiterstudieren. Sie sind hochmotiviert, aber die deutsche Bürokratie legt ihnen bislang Steine in den Weg. Deshalb ist es ein Schritt in die richtige Richtung, wenn die Bundesregierung die Übergangsverordnung für Geflüchtete aus der Ukraine bis zum 31. August verlängern möchte.
(Beifall bei der LINKEN)
Dadurch haben die Studierenden etwas mehr Zeit, sich auf Studienplätze zu bewerben und sich zu orientieren. Sie brauchen aber mehr als das; sie brauchen Rechtssicherheit. Viel besser wäre es daher, ihnen ebenfalls Schutz nach § 24 Aufenthaltsgesetz zu gewähren.
(Beifall bei der LINKEN)
Für die deutsche Gesellschaft würde das kaum einen Unterschied machen; aber für die drei und für viele andere würde das die Zukunft bedeuten.
(Beifall bei der LINKEN)
Diesen Menschen dürfen wir ihre Zukunft nicht nehmen; wir müssen sie ihnen ermöglichen. Deshalb müssen wir diese Schutzlücken schließen.
(Beifall bei der LINKEN)
In aller Kürze möchte ich auf zwei weitere Punkte eingehen. Bei der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz soll beschlossen werden, dass Geflüchtete aus der Ukraine Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten sollen und nicht nach dem diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetz. Das begrüßen wir ausdrücklich, und es wäre ein Riesenskandal, wenn das jetzt nicht klappen würde.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Verbesserung muss aber für alle Geflüchteten gelten. Es ist höchste Zeit, dass das verfassungswidrige Asylbewerberleistungsgesetz in Gänze abgeschafft wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Letzter Punkt. Mich haben in den letzten Tagen mehrere Hilferufe von Oppositionellen aus Russland erreicht. Sie mussten fliehen, weil sie sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt oder gegen den Krieg protestiert haben. Jetzt sitzen sie in Drittstaaten fest. Am 16. März hat die Innenministerin hier in der Regierungsbefragung noch erklärt, dass auf europäischer Ebene Gespräche über Schutzangebote für russische Deserteure stattfinden. Das sind nette Worte; aber es müssen jetzt schnell konkrete Taten folgen.
(Beifall bei der LINKEN)
Vor allem braucht es humanitäre Visa, damit die Menschen sicher nach Deutschland gelangen können, und von diesem Schutz müssen auch Menschenrechtsaktivistinnen und ‑aktivisten profitieren, die mit ihrem Engagement gegen den Krieg ebenfalls hohe persönliche Risiken eingehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)