-Rede zu Protokoll-
Serh geehrte Damen und Herren,
Wir freuen uns, dass die Kolleginnen und Kollegen der Grünen sich im vorliegenden Antrag der Frage annehmen, wie mehr Partizipation in die Schwerpunktsetzung zur Forschungsförderung gebracht werden kann. Auch meine Fraktion mahnt dies seit langem an. Wir vermissen im Antrag jedoch, erstens, eine präzisere Analyse der Probleme der aktuellen Beratungs-, Foresight- und Entscheidungsprozesse und, zweitens, effektive und überzeugende Lösungsansätze.
Denn die Einseitigkeit, mit der seit langem die Innovationsförderung in diesem Land auf technologiebasierte Exporterfolge getrimmt wird, wird den komplexen Zukunftsproblemen nicht gerecht. Man muss dabei gar nicht bis zu Heinz Riesenhubers Politik als Forschungsminister zurückgehen.
In Zeiten der rot-grünen Koalition hatte die damalige Bundesregierung eine „Innovationsoffensive“ auf den Weg gebracht und gemeinsam mit illustren Partnern vom BDI, der BASF, der Telekom, EnBW, Schering, Siemens, Roland Berger und weiteren „Leuchtturmprojekte“ für ein besseres Innovationsklima entwickelt. Wir erinnern uns noch an die Kampagne „Du bist Deutschland“, die in diesem Rahmen entstanden ist. In Zeiten der Großen Koalition unter Kanzlerin Merkel und Forschungsministerin Schavan wurde das Label „Hightechstrategie“ entwickelt. Bis heute finden sich in den Beratungsgremien zu den Themen Forschung, Technologie und Innovation fast ausschließlich Vertreter großer, exportstarker Unternehmen, ihrer Verbände oder anwendungsnaher Forschungsrichtungen.
Wir erinnern uns an den „Rat für Innovation und Wachstum“, den die Kanzlerin kurz nach ihrem Amtsantritt berief. Geleitet wurde er von Heinrich von Pierer von Siemens, der später im Zuge von Schmiergeldzahlungen in die Kritik geriet. Weitere Mitglieder waren etwa die Vorstandschefs von ThyssenKrupp, Bayer, SAP und DaimlerChrysler. Gewerkschaften, Verbraucher- oder Umweltverbände? Fehlanzeige. Von Geschlechtergerechtigkeit war ebenfalls nichts zu sehen. Schon damals fragten wir, wie eine solche Runde Lösungen zum Klimaschutz, zur Energiewende oder für soziale Innovationen angemessen beraten soll?
Zwischenzeitlich wurde auch eine Verkehrswende notwendiger denn je, wenn unsere Städte lebenswert bleiben, das Klima geschützt und die Mobilität aller gesichert werden soll. Und - wie lässt sich die Bundesregierung zu diesem Thema beraten? Die Automobilindustrie und die Energieversorger, Hauptprofiteure der Innovationsförderung, dürfen im Rahmen der Nationalen Plattform Elektromobilität die neue „Leittechnologie“ für die Exportmärkte bewerben. Von den 148 Mitgliedern, die in den Arbeitsgruppen der Plattform arbeiten, wurden 111 aus der Industrie entsandt. Lediglich drei kommen von Umwelt-, Verkehrs- oder Verbraucherverbänden. Die Subventionsforderungen in dem 2011 übergebenen Bericht der Plattform summieren sich auf vier Milliarden Euro. Die Bundesregierung hat eine Milliarde jährlich zugesagt. Allein: die Ergebnisse der immensen staatlichen Förderung ernüchtern.
Die deutschen Hersteller produzieren weiter Fahrzeuge mit starken Spritschluckmotoren. Von einer echten Verkehrswende hin zu mehr kollektiver Mobilität in Bahnen und Bussen war ohnehin nie die Rede.
Diese Einseitigkeit zeigt sich ebenfalls beim so genannten Bioökonomierat, der sich mit den Themen rund um die Verwertung von Tieren und Pflanzen befasst und sich regelmäßig für industriefreundliche Lösungen etwa bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen oder der Patentierung von Forschungsergebnissen und –methoden einsetzt.
Um es klar zu sagen: wir kritisieren nicht, dass sich Unternehmen an der Debatte um Förderprioritäten beteiligen und natürlich ihre Interessen wahrnehmen. Uns geht es darum, dass diese exklusive und direkte Mitsprache anderen verwehrt wird, die diese Diskurse bereichern und voranbringen könnten. Forschung, Technologie und Innovation gestalten unsere Lebenswelt von morgen, sie sollen komplexe Probleme lösen helfen, die uns alle betreffen werden. Für die Lösung reicht häufig die Schaffung neuer Produkte nicht aus. Vielmehr müssen umfassende gesellschaftliche Veränderungsprozesse, soziale Innovationen, entwickelt und verabredet werden. Wir halten es daher für richtig, dass Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften, dass Umwelt-, Verbraucher- und Interessenverbände, dass auch kritische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Verwaltungen, Ressortforschungseinrichtungen und Behörden einbezogen werden und ihre Expertise beitragen können. Mit der zivilgesellschaftlichen Plattform „Forschungswende“ haben sich viele dieser Verbände und sozial-ökologischen Forschungseinrichtungen bereits zusammengefunden und fordern ihre Mitsprache ein.
Uns ist daher unverständlich, wieso der Antrag der Grünen angesichts der drängenden Probleme vor allem Prüfaufträge und Konzeptstudien verteilen will. Aus unserer Sicht springt er damit zu kurz. Immerhin werden bereits jetzt in Deutschland und Europa die Forschungsagenden für die kommenden zehn Jahre über 2020 hinaus entwickelt. Meine Fraktion wird daher einen eigenen Antrag zum Thema vorlegen. Zur Unterstützung der sozial-ökologischen Forschung haben wir in den Haushaltsverhandlungen einen starken Aufwuchs und ein umfassendes Konzept für Nachhaltigkeitsinnovationen und Transformationsforschung beantragt. Obwohl die Regierungskoalition dies abgelehnt hat, werden wir uns auch in den kommenden Verhandlungen weiter für eine Forschungswende stark machen. Wir brauchen mehr Transparenz, mehr Demokratie, eine echte Forschungsfreiheit öffentlich finanzierter Wissenschaft und einen klaren Fokus der Innovationsförderung auf einen sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft.