Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Verzweifelte Eltern suchen für ihre kranken Kinder in Apotheken im grenznahen Ausland nach Fiebersäften oder schnitzen Fieberzäpfchen auf die richtige Größe zurecht. Krebskranke Frauen müssen befürchten, dass ihr lebensrettendes Medikament nicht mehr verfügbar ist. Chronisch Kranke fangen an, Medikamente zu horten, einfach aus Angst, dass ihre Blutdruckarznei oder ihr Insulin irgendwann nicht mehr zu kriegen ist. Ende 2022 gab es einen Engpass bei 311 Medikamenten, aktuell sind 474 betroffen. Das sind unhaltbare Zustände, bei denen nicht länger tatenlos zugesehen werden darf.
(Beifall bei der LINKEN)
Gestern waren ja die Apothekerinnen und Apotheker bundesweit im Streik und auch hier in Berlin zu Tausenden auf der Straße. Wenn selbst die Apothekerschaft aufsteht und vor Minister Lauterbachs Ministerium „Patientenversorgung ohne Lieferengpässe!“ fordert, dann reicht es ganz bestimmt nicht aus, davon ein Foto zu twittern, wie der Herr Minister das gemacht hat. Hier muss endlich gehandelt werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber wenn die Union sich hier so wortstark hinstellt, muss ich schon sagen: Es hat so ein bisschen was von „Haltet den Dieb! Er hat mein Messer im Rücken!“; denn die Regierungen die letzten 25 Jahre haben unsere Gesundheitsversorgung mehr und mehr den Prinzipien von Markt und Wettbewerb unterworfen. Da waren Sie auch dabei. Und nun stellen Sie überrascht fest, dass diese Prinzipien auf globalisierten Märkten zwar die Profite der Hersteller sichern, aber mitnichten die Versorgung der Bevölkerung. Überraschung! Das hätte doch niemand ahnen können, dass Rabattverträge, die lebensrettende und bewährte Medikamente beim Preis in eine gnadenlose Abwärtsspirale schicken, dazu führen könnten, dass Produktionsstätten in Niedriglohnländer verlagert werden und dass die Lieferketten immer anfälliger werden. Wer hätte das gedacht?
Deutschland, meine Damen und Herren, ist nicht nur Europas größter Abnehmer für Arzneimittel, sondern auch ein großer Produzent. Allerdings gibt es bei den Pharmafirmen genau wie im richtigen Leben eine deutliche Zweiklassengesellschaft.
Da ist die Oberklasse der neuen, patentgeschützten Medikamente, für die noch immer in den ersten sechs Monaten nach der Zulassung Fantasiepreise zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden können. Sie sichern die enormen Profite der Konzerne.
Und da ist die Arbeiterklasse unter den Medikamenten, die Generika. Das sind wirksame und bewährte Mittel, deren Patentschutz abgelaufen ist und die den Hauptteil bei der Medikamentenversorgung sichern. Diese Generika sind es, die von den Engpässen betroffen sind. Das ist dramatisch, weil viele von ihnen essenzielle Mittel für chronisch Kranke sind. Sie stellen drei Viertel der verschriebenen Medikamente. Ihr Anteil an den Ausgaben der Krankenkassen liegt allerdings nicht mal bei 10 Prozent. Während die Ausgaben für Arzneimittel insgesamt von Jahr zu Jahr ansteigen, bleiben sie für Generika stabil oder sinken sogar, trotz steigender Produktionskosten. Sie haben also keinen Anteil an den Finanznöten der Krankenkassen, aber sie stellen fast 100 Prozent der von Lieferengpässen betroffenen Medikamente. Ein Apotheker hat mir das so geschildert: Medikamente, die 1 000 Euro pro Packung kosten, kriege ich immer.
Nun weiß auch Die Linke, dass man Fehlentwicklungen, die durch jahrzehntelange politische Fehlentscheidungen verursacht worden sind, nicht mit einem Federstrich beseitigen kann. Aber das von der Regierung vorgelegte Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungsgesetz ist nun wirklich ein erneutes Politikversagen mit Ansage.
(Beifall bei der LINKEN)
In der Anhörung im Ausschuss am Montag hat der Vertreter der generikaproduzierenden Unternehmen ganz klar gesagt, dass dieses Gesetz nicht dazu führen wird, dass es in fünf Jahren wieder mehr Generika in der Europäischen Union gibt. Viele Sachverständige haben deutlich gemacht, dass nicht allein Kinderarzneimittel oder Antibiotika von den gravierenden Nebenwirkungen der Rabattverträge betroffen sind, sondern eine ganz breite Palette von unterschiedlichen lebenswichtigen Medikamenten. Aber Herr Lauterbach hält eisern an diesen Rabattverträgen fest und weigert sich damit, die wichtigste Ursache der Engpässe anzugehen.
(Martina Stamm-Fibich [SPD]: Das ist doch einfach nicht wahr! Das stimmt nicht!)
Die Apothekerinnen und Apotheker, die hier am Mittwoch auf der Straße waren, empfinden übrigens die 50 Cent, die sie künftig für die Beschaffung von alternativen Medikamenten für nicht lieferbare bekommen sollen, als zynisches Almosen, das ihren Arbeitsaufwand nicht ansatzweise abdeckt.
Die Verpflichtung der Pharmaunternehmen nach § 52b des Arzneimittelgesetzes, eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung sicherzustellen, steht bisher nur auf dem Papier. Und da helfen auch keine neuen Berichtspflichten, meine Damen und Herren, sondern nur eine Vorratspflicht für fünf Monate, wie sie Die Linke fordert.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich komme zum Schluss. – Die krisenfeste und verlässliche Versorgung der Bevölkerung mit notwendigen Medikamenten ist Teil der staatlichen Daseinsfürsorge. Nehmen Sie diese Verantwortung wahr und die Industrie in die Pflicht!
(Beifall bei der LINKEN)