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Für ein sehr zweifelhaftes Denkmal verzichten Union und SPD auf alles, was Zukunft ausmacht

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Generaldebatte über den Etat des Bundeskanzleramtes im Bundeshaushalt 2015

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu einem Haushalt entschlossen, mit dem Sie alles, was wichtig ist, verschieben oder ausfallen lassen. Die Kindergelderhöhung wird verschoben, die Abschaffung der kalten Progression wird verschoben   es wird also weiterhin so sein, dass zum Beispiel Leute, die 3 Prozent brutto mehr erhalten, netto nur 0,5 Prozent mehr verdienen  , die Investitionen in Bildung, in digitale Netze, in Wasserwege, in Brücken und in Straßen fallen aus.

Und warum? Nur, um zum ersten Mal einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen! Für ein sehr zweifelhaftes Denkmal verzichten Sie auf alles, was Zukunft ausmacht. Das kann nicht in Ordnung sein; das wissen Sie selbst.

(Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Das war schon ein blöder Anfang!)

Lassen Sie mich zunächst etwas zur Außenpolitik sagen. Außenminister Kerry hat nun voll Stolz erklärt, dass es eine Koalition der Willigen gegen ISIS unter Einschluss der Türkei und Deutschlands gibt.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Machen Sie mit?)

Mich interessiert die Türkei. Bisher war es so, dass die Türkei potenzielle Kämpfer der terroristischen Söldnerarmee ISIS in Richtung Syrien und in Richtung Irak unbehelligt durchgelassen hat. Transporte mit Hilfsgütern wurden gestoppt. Interessanterweise hat die Türkei einen Tag nach unserer Debatte vom 1. September dieses Jahres die Transporte mit Hilfsgütern durchgelassen. Sind Sie sich wirklich sicher, dass die Türkei ihre Haltung zu ISIS grundsätzlich geändert hat? Ich mache da erst einmal ein Fragezeichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann ist die Frage: Wie will sich nun eigentlich die Bundesregierung beteiligen? Sie haben schon Waffen an Peschmerga geliefert. Das war falsch, das bleibt falsch. Dem Irak fehlt vieles, aber keine Waffen. Es gibt viele Möglichkeiten: Man kann die humanitären Hilfen für Kurdinnen und Kurden, für Jesiden, für Christinnen und Christen und viele andere ausbauen. Man kann eine irakische Einheitsregierung unterstützen, damit es keine Ausgrenzungen mehr gibt: weder von Sunniten, noch von Schiiten, noch von Christinnen und Christen, Jesiden oder anderen. Man kann Gespräche anbahnen. Man kann so vieles tun. Das Einzige, worauf die Regierung kommt, sind Waffenlieferungen. Das ist wirklich absurd; das muss ich ganz klar sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe noch weitere Fragen: Was ist überhaupt die Koalition der Willigen? Wann kehren wir zum Völkerrecht zurück?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Zuständig ist der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen zu entscheiden hat, nicht irgendwelche Koalitionen der Willigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum leiten Sie diesbezüglich nichts ein? Ich glaube, Sie leiten deshalb nichts ein, weil das Verhältniss der USA zu Russland besonders schlecht ist. Aber wir wissen doch: Das Ganze geht nur mit, nicht ohne und schon gar nicht gegen Russland. Die internationalen Probleme sind nur mit Russland zu lösen, egal ob ich an ISIS denke, ob ich an die Probleme im Iran denke, ob ich an Syrien denke. Wir sind doch auf Russland angewiesen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sie!)

Sie, Herr Kauder, haben hier am 1. September gesagt, dass ISIS mit dem falschen Krieg der USA und anderer Staaten gegen den Irak, der 2003 begonnen hat, nichts zu tun hat, weil ISIS in Syrien entstanden ist. Das stimmt, da haben Sie recht. Aber ohne den Bürgerkrieg in Syrien wäre ISIS nie entstanden. Ohne den Krieg gegen den Irak wäre ISIS niemals über die Grenze von Syrien in den Irak gekommen. Dort gibt es gar keinen Staat mehr. Es gibt auch keine Kontrolle mehr. Daran ist der Krieg von 2003 schuld. Deshalb gibt es sehr wohl einen Zusammenhang.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen noch etwas. Die PKK und die PYD in Syrien - das hat hier auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion eingestanden - schützen inzwischen die Jesiden, die Christinnen und Christen. Wir müssen unsere Politik ändern. Prüfen Sie das PKK-Verbot und heben Sie es auf! Haben Sie endlich die Kraft, ISIS zu verbieten! Es wird höchste Zeit, dass das geschieht.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Sendung Panorama wurde Folgendes gezeigt: Bei einer Demonstration waren auf der einen Seite Demonstranten mit PKK-Fahnen zu sehen, und die Polizei griff sofort ein. Auf der anderen Seite waren Demonstranten mit ISIS-Fahnen zu sehen, und es passierte nichts. - Da muss sich in unserem Land etwas gründlich ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich freue mich sehr, dass alle Dachverbände der Muslime in Deutschland ISIS scharf verurteilt haben und für den 19. September dieses Jahres zu einer Großkundgebung aufrufen.
Wir alle beurteilen Assad überwiegend negativ. Viele haben gegen Assad gekämpft, aber wir haben immer gesagt: Wir brauchen diesen Kontakt. Wir brauchen die Möglichkeiten zu Gesprächen. - Jetzt wird es ganz deutlich: Wir brauchen Assad auch im Kampf gegen ISIS. Es ist also nie klug, übertrieben zu reagieren.

Wissen Sie: Ihre ganze Außenpolitik wirkt hilflos, wirr und durcheinander. Das ist viel zu wenig. Dafür ist die Verantwortung Deutschlands zu groß. Ich sage Ihnen noch etwas: Im Kalten Krieg hat der Westen gesiegt. Aber er konnte nicht aufhören, zu siegen. Die alte Ordnung wurde zerstört, und keine neue friedenschaffende Ordnung hergestellt.

Es gibt eine besondere Verantwortung der USA, Russlands und Chinas, dann erst kommt die EU mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Dieser Verantwortung werden Sie alle nicht gerecht. Das verunsichert die Menschen sehr. Das macht sie so unzufrieden. Sie wissen gar nicht, wohin das Ganze läuft.

Ich komme zur Ukraine. Endlich gibt es eine Vereinbarung über eine Feuerpause, einen Waffenstillstand. Das ist für mich schon ein Durchbruch. Der Donbass bleibt selbstverständlich Bestandteil der Ukraine. Es geht dann um weitgehende Autonomierechte. Was wir jetzt brauchen   das sage ich Ihnen schon jetzt  , ist ein Marshallplan für die Ostukraine. Wir brauchen regionale Wahlen.

Es gibt Extremisten auf beiden Seiten. Es gibt die sogenannten Freiwilligenverbände der ukrainischen Armee, die faschistisch strukturiert sind. Aber es gibt auch bei den Separatisten extremistische Kräfte, die den Anschluss des Donbass an Russland fordern und von einem großrussischen Reich träumen. Alle Fragen müssen am Verhandlungstisch geklärt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie Finnland sollte die Ukraine nicht zur NATO gehören. Und ich sage Ihnen: Die NATO-Gipfel-Beschlüsse sind absolut kontraproduktiv - schnelle Eingreiftruppe, Aufrüstung im Baltikum und in Polen. Der Vertrag zwischen der NATO und Russland sieht aber vor, dass eine dauerhafte Stationierung von NATO-Streitkräften in Osteuropa verboten ist. Wollen Sie diesen Vertrag verletzen? Was sollen die geplanten Änderungen?   Russland wird darauf wiederum mit einer Änderung seiner Militärdoktrin reagieren. Es besteht die Gefahr einer neuen Runde des Rüstungswettlaufs. Das Minsker Abkommen über die Feuerpause   und zwar unbefristet   muss doch ein Anlass zur Deeskalation auch durch NATO und EU sein. Deshalb sind auch die neuen Sanktionsbeschlüsse falsch; denn sie führen zu einer Eskalation, obwohl das Gegenteil notwendig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen noch etwas: Die Sanktionen und ihre Antworten schaden   völlig unnötig   der Wirtschaft und der Bevölkerung in Deutschland - übrigens insbesondere in den neuen Bundesländern. Denn 80 Prozent der Exporte von Deutschland nach Russland kommen aus den neuen Bundesländern. Da wird das gravierende Folgen haben.
Ich sagen Ihnen: Eine vernünftige Politik wäre, die Sanktionen unverzüglich aufzuheben.

(Beifall bei der LINKEN)

Und was macht die NATO?   Sie führt acht Manöver in der Ukraine durch - aktuell ein Manöver im Schwarzen Meer, zusammen mit den USA, der Türkei, Spanien und der Ukraine. Dann gibt es Northern Coast, ein Manöver in der Ostsee, an dem auch die Bundeswehr mit 1 000 Soldaten teilnimmt. Was soll diese Provokation Russlands?
Die NATO und vor allem die USA fordern, 2 Prozent der Wirtschaftsleistung in den Verteidigungsetat zu stellen   2 Prozent. Deutschland ist gegenwärtig bei 1,3 Prozent. Wenn wir diesen Wunsch erfüllten, müssten wir rund 24 Milliarden Euro mehr für Rüstung ausgeben.
Frau von der Leyen, Sie   das habe ich doch richtig verstanden?   wollen nicht so viel ausgeben, aber schon mehr. Und die Kanzlerin habe ich so verstanden, dass sie eigentlich nicht mehr ausgeben will. Ich hoffe, Sie verständigen sich darauf, weniger auszugeben   auf gar keinen Fall mehr! Das will ich auch deutlich sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Nur mit den Atomwaffen der acht Atommächte kann die Menschheit 1 000-mal ausgelöscht werden. Reicht das nicht? Was soll zusätzliche Aufrüstung? Müssen wir die Menschheit 1 500-mal auslöschen können? Wo soll das hinführen?
(Volker Kauder (CDU/CSU): Den Schwachsinn haben wir schon mal gehört!)
Ich sage Ihnen ganz klar: Die USA, die NATO und auch Deutschland sind hoch gerüstet. Wir brauchen keine Aufrüstung mehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit Aufrüstung erreicht man auch nicht mehr Frieden   im Gegenteil. Und ich sage jetzt auch deutlich: Mit Aufrüstungsreden und Aufrüstungsentscheidungen erreichen wir nichts. Was wir brauchen, sind Abrüstungsreden und Abrüstungsentscheidungen.

(Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Sagen Sie das mal dem Putin!)

Die Bundesregierung - und damit auch EU und NATO - werden immer abhängiger von der US-Regierung. Warum können Sie diesbezüglich eigentlich nicht souveräner, nicht eigenständiger auftreten? - Das geht mir so auf die Nerven; das muss ich Ihnen ehrlich sagen. Die NSA hört unsere gesamte Bevölkerung ab, betreibt Wirtschaftsspionage, aber Sie haben Angst, irgendetwas Wirksames dagegen zu unternehmen.

Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel: In Wiesbaden wird gerade ein hohes Gebäude für die NSA gebaut. Warum haben Sie denn nicht den Mumm, der US-Regierung zu sagen: Unter diesen Bedingungen, ohne No-Spy-Abkommen, ohne ein Abkommen, das gegenseitige Spionage ausschließt, kann die NSA niemals in dieses Gebäude einziehen. Die Volkssolidarität, Attac oder andere Leute, die etwas Vernünftiges machen, können da gerne einziehen, aber nicht die NSA.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU/CSU - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Neues Deutschland!)

Zeigen Sie mal etwas Mumm!

Ich sage Ihnen auch: Dieses Duckmäusertum, das Sie an den Tag legen, führt nicht zur Freundschaft, sondern zur Verachtung. Wenn man Freundschaft will, muss man sich als Erstes Respekt erarbeiten. Und mit solchen Entscheidungen erarbeitet man sich Respekt, den wir dringend benötigen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Nun höre ich aber auch, dass der BND die Türkei abhört. Aber ich habe das doch richtig verstanden: Die USA, Deutschland und die Türkei   wenn auch gegen unseren Willen   führten zusammen Krieg in Jugoslawien, dann in Afghanistan, und gleichzeitig behandeln sie sich wie Kriegsgegner. Das ist ja ein dolles Bündnis, kann ich nur sagen. Riesenfragenzeichen!
Ein weiterer Punkt sind die Abkommen. Eines liegt schon vor   das CETA-Abkommen mit Kanada  ; das andere, das TTIP-Abkommen, ist geplant. Ich habe dazu schon einiges gesagt. Was uns am meisten stört und befremdet, ist die Investitionsschutzklausel. Ich komme noch darauf zurück.
Die Bundesregierung sagt, sie sei auch gegen die Investitionsschutzklausel. Sie ist aber in dem Abkommen vorgesehen. Ich bin sehr gespannt, was Sie diesbezüglich vorhaben. Zu hören ist schon, dass die Vorteile so groß sind, dass man vielleicht doch damit leben kann, was eine Katastrophe wäre, sowohl im Verhältnis zu Kanada als auch zu den USA.
Was bedeutet denn eine Investitionsschutzklausel? Wenn wir in Berlin einmal eine vernünftigere Regierung bekämen   das ist schließlich möglich, zum Beispiel mit Linken 

(Lachen bei der CDU/CSU)

- es freut mich, dass Sie sich jetzt schon darauf freuen  ,

(Beifall bei der LINKEN - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Ein Hauch von Büttenrede!)

und die beschlösse plötzlich, dass es mehr Mitbestimmung gibt oder dass Konzerne etwas mehr Steuern zahlen müssten, dann könnten die kanadischen und amerikanischen Unternehmen sagen: „Das geht nicht; es verstößt gegen das Verbot von Investitionshemmnissen;

(Thomas Oppermann (SPD): Unfug! Das ist einfach Unfug!)

denn wir haben unseren Sitz hier unter anderen Voraussetzungen gegründet“, und Schadenersatz fordern.

Das ist eine Katastrophe, weil Sie jede vernünftigere Politik ausschließen. Deshalb darf das niemals in Kraft treten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt einen Zeugen. Dieser Zeuge ist kein Linker, sondern der Ministerpräsident Australiens. Er hat gesagt, er würde das Abkommen nie wieder unterschreiben, und zwar aus folgendem Grund: In Australien wurde, nachdem das Abkommen unterschrieben wurde, angeordnet, dass auf Zigarettenschachteln der Hinweis erfolgen muss, dass Zigaretten ungesund sind. Es war ein bisschen spät, aber irgendwann hat auch Australien das angeordnet. Der Punkt ist, dass das Unternehmen Philip Morris, das dort schon seinen Sitz hatte, sagte: „Das geht nicht; das verstößt gegen die Investitionsschutzklausel“, und Schadenersatz in Milliardenhöhe forderte.
Wollen Sie Politik wirklich unmöglich machen? Das geht nicht. Stoppen Sie das Ganze so schnell wie möglich!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem erleben wir eine Entstaatlichung, und zwar in dreifacher Hinsicht: erstens durch CETA und TTIP. Denn es sollen keine ordentlichen Gerichte zuständig sein. Es gibt dann nur ein Schiedsgericht, bestehend aus drei Advokaten, die über Milliardenbeträge entscheiden sollen. Der ordentliche Gerichtsweg ist ausgeschlossen. Das ist eine Entstaatlichung. Es verstößt auch gegen die Rechtsstaatlichkeit. Das ist nicht hinnehmbar.

Die zweite Entstaatlichung, die noch viel schlimmer ist, erleben wir in Somalia, Irak, Libyen und Afghanistan. Nirgendwo funktioniert der Staat noch. In Ägypten, Syrien und in der Ukraine besteht die Gefahr der Zerstörung des Staates.

Das Dritte ist eine Entstaatlichung in unserer Gesellschaft. Darauf möchte ich Sie gerne hinweisen, weil ich finde, dass wir sehr viel genauer darauf achten müssen. Es gibt ein oberstes Zehntel in unserer Gesellschaft, das sich nicht mehr für den Staat interessiert. Diese Menschen gehen zwar formal wählen, aber mehr interessiert sie nicht, weil sie alles, ob Firmensitz oder Wohnsitz, danach begründen, wie die Rechtsvorschriften in welchem Teil der Welt aussehen, wo welche Steuerregeln und Arbeitsschutzregeln herrschen und welche Löhne kassiert werden etc. Sie haben sich vom Staat innerlich völlig verabschiedet.

(Thomas Oppermann (SPD): 8 Millionen Menschen!)

Zu meinem großen Bedauern ist es so, dass wir zwar Teile des unteren Viertels erreichen   andere auch  , aber bestimmte Teile des unteren Viertels erreichen wir gar nicht mehr. Diese Menschen haben sich völlig vom Staat verabschiedet und gehen auch nicht mehr wählen. Was glauben Sie, wie oft ich versuche, mit ihnen zu reden. Ich stelle eine Entwicklung fest, die mir große Sorgen macht, weil sie für die Demokratie ungeheuer schädlich ist.
Wir müssen erreichen, dass die gesamte Gesellschaft wieder am gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Davon sind wir weit entfernt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt werde ich auch etwas zu den Ursachen sagen, zum Beispiel unsere Vermögensentwicklung. Es gibt Zahlen, die einen umhauen. Die EU-Millionäre, von denen es eine reichliche Anzahl gibt, haben ein Geldvermögen   es geht nur um das Geld, ohne Grundstücke und Unternehmen   von 17 Billionen Euro. Die gesamten Staatsschulden der EU belaufen sich auf 11 Billionen Euro. Stellen Sie sich vor, sie würden uns das ganze Geld überweisen. Dann könnten wir alle Schulden bezahlen und ihnen sogar noch 6 Billionen zurücküberweisen. Dann wären sie immer noch nicht arm. Aber so weit geht noch nicht einmal die Linke.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Was? Das ist aber ein Rückschritt!)

Wir sagen aber: Wir brauchen endlich eine Millionärsteuer in der Europäischen Union.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Sie weigern sich, ein Stück mehr Gerechtigkeit herzustellen.

Gehen wir einmal zu Deutschland über. In Deutschland haben wir ein Geldvermögen - passen Sie jetzt auf, Herr Kauder! Sie müssen sich die Zahlen merken - von 10 Billionen Euro. Jetzt gibt es eine neue Studie der Europäischen Zentralbank, die besagt: 1 Prozent unserer Bevölkerung - 1 Prozent: ich bitte Sie! - besitzt 32 Prozent davon. Das sind weit über 3,5 Billionen Euro. 50 Prozent   die in finanzieller Hinsicht unteren 50 Prozent   unserer Haushalte und damit die Hälfte unserer Bevölkerung besitzt 1 Prozent davon. Nun sage ich, was für mich am erschreckendsten ist. Diese Hälfte besaß 1998 4 Prozent. Meine Damen und Herren von Union und Sozialdemokratie, aus 4 Prozent werden bei uns nicht Schritt für Schritt 5 und dann 6 Prozent, sondern aus 4 Prozent wird 1 Prozent. Werden es in fünf Jahren 0,5 Prozent sein? Die Schere geht immer weiter auseinander. Das ist unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die schlimmste Umverteilung von unten nach oben hatten wir durch die Agenda 2010 in Verantwortung von SPD und Grünen. Seit 2000 haben wir   das ist dieselbe Entwicklung   einen Anstieg der Unternehmens- und Vermögenseinkommen, Herr Kauder, um 60 Prozent zu verzeichnen. In derselben Zeit sind die Reallöhne um 3,7 Prozent gesunken. Erklären Sie das den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das ganze Vermögen geschaffen haben! Ich jedenfalls finde diese Entwicklung unerträglich. Wir müssen die Umverteilung von unten nach oben stoppen und eine von oben nach unten einleiten, um ein Stück Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundeskanzlerin und ihr Vizekanzler beklagen den Investitionsstau seit zehn Jahren. Einen solchen Stau gibt es tatsächlich; das stimmt. Allerdings, Frau Bundeskanzlerin, wer regiert denn seit zehn Jahren? Ich frage Sie das so ganz nebenbei. Ich habe vorhin gesagt, dass es sich um einen Verzicht auf Zukunft handelt, wenn die notwendigen Investitionen ausbleiben. Aber schauen wir uns das einmal genauer an. 1991 investierten die Unternehmen noch 40 Prozent ihrer Gewinne, 2013 nur noch 9 Prozent. Warum? Wir brauchen sehr dringend Investitionen. Das wichtigste Gebiet ist die Bildung. Gestern wurde ein neuer OECD-Bericht veröffentlicht. Er besagt, dass in keinem anderen Industrieland der Bildungserfolg von Kindern so abhängig von der sozialen Herkunft ist wie in Deutschland. Auch das ist ein Skandal. Ich möchte Chancengleichheit für alle Kinder. Deshalb sage ich Ihnen: Wir brauchen endlich Kindertagesstätten für Kinder vom nullten bis zum sechsten Lebensjahr in ganz Deutschland, die ganztägig geöffnet sind, und zwar in ausreichender Anzahl, mit kleinen Kindergruppen, mit gut ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern, die endlich anständig verdienen müssen, und das alles selbstverständlich gebührenfrei einschließlich eines vollwertigen, gesunden Mittagessens. Das müssen wir in Deutschland erreichen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen zu den Schulen Folgendes: Ich bin ein Anhänger der Gemeinschaftsschule. Dazu werde ich jetzt nicht viel sagen, nur so viel: Sie sollten sich einmal die Studie zum Vergleich zwischen Gemeinschaftsschulen und getrennten Schulen anschauen. Wissen Sie, was dabei herausgekommen ist?

(Zuruf des Abg. Max Straubinger (CDU/CSU))

- Ich werde Ihnen sagen, was auch in Bayern dabei herausgekommen ist.   In den Gemeinschaftsschulen sind nicht nur die schlechteren Schülerinnen und Schüler besser als die in getrennten Schulen, sondern auch die besten und besseren Schülerinnen und Schüler sind besser. Sie haben es nicht begriffen. Nur in Gemeinschaftsschulen lernen sie sozial. Wenn Sie die Schülerinnen und Schüler isolieren, dann bringen Sie ihnen nichts bei.

(Beifall bei der LINKEN - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Isoliert eure Kinder und erzieht sie zu Hause! Was ist das denn für ein Familienbild?)

Abgesehen davon, möchte ich, dass alle Schülerinnen und Schüler ein vollwertiges, gesundes Mittagessen gebührenfrei bekommen. Ich möchte Schülerinnen und Schüler nicht in der Suppenküche sehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, dass das zu viel Geld kostet. Für jede Bank haben Sie Milliarden parat. Investieren Sie das Geld endlich in die Bildung! Das wäre wirklich wichtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Des Weiteren haben wir ein Problem bei der Nachfrage. Es tut mir leid, aber das kann ich Ihnen nicht ersparen. Die Reallöhne sind gesunken. Das Rentenniveau ist gesunken. Die prekäre Beschäftigung hat enorm zugenommen. Deutschland hat in Europa den größten Niedriglohnsektor. Er ist größer als der in Griechenland. Denken Sie einmal darüber nach, um welche Zahlen es sich dabei handelt! Nun beschwert sich die belgische Regierung bei der Europäischen Union über Deutschland wegen Lohndumping, weil zum Beispiel die Arbeit auf Schlachthöfen in Deutschland so schlecht bezahlt wird, dass die belgischen Unternehmen niederkonkurriert werden. Ich finde, dass wir auch darüber nachdenken müssen.
Herr Gabriel, es tut mir leid, aber Sie haben gesagt, dass kein Geld für Investitionen da ist   ich habe Ihnen vorhin gesagt, dass Sie damit auf Zukunft verzichten  , darauf kann ich nur erwidern: Die Schuldenbremse war eben Unsinn. Die erste war okay. Aber die neue Schuldenbremse, die Sie erfunden und im Grundgesetz verankert haben, geht völlig daneben und ist völlig überflüssig.

(Beifall bei der LINKEN - Max Straubinger (CDU/CSU): Bei euch ist der Staat untergegangen wegen der Schulden!)

Ich sage Ihnen aber auch ganz klar: Wer Investitionen und soziale Gerechtigkeit will, muss Steuergerechtigkeit herstellen. Wer behauptet, dass er in der Lage sei, soziale Gerechtigkeit herzustellen und Investitionen zu ermöglichen, ohne Steuergerechtigkeit herzustellen, der sagt nicht die Wahrheit; das wissen Sie ganz genau. Das geht nicht. Aber hier haben Sie null Mut.
Was passiert, wenn wir wirklich den von Ihnen, Herr Gabriel, vorgeschlagenen Weg gehen und die Investitionen privatisieren, wenn also die Unternehmen das Ganze übernehmen? Wollen Sie wirklich die öffentliche Daseinsvorsorge noch stärker privatisieren? Die Politik verliert dann die Zuständigkeit für Energie- und Wasserpreise. Wir haben dann auch nichts mehr mit den Preisen der Mobilität zu tun. Wir sind dann nicht mehr für Wohnungen, Krankenhäuser und Bildung zuständig. Wollen Sie das alles ernsthaft privatisieren? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, wirklich nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Außerdem: Wenn öffentliche Investitionen privat finanziert werden, wollen die Privaten auch eine Rendite haben. Die wollen etwas daran verdienen. Die Gebühren müssen dann alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, alle Bürgerinnen und Bürger bezahlen. Auch das ist unerträglich.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Dann sage ich Ihnen noch etwas. Ich muss Sie fragen, Herr Schäuble: Stimmt es, dass Sie ernsthaft darüber nachdenken, die Bundesstraßen zu verkaufen? Also wirklich, lassen Sie den ganzen Quatsch mit der Maut. Das bringt nichts, liebe CSU. Packen Sie die einfach weg. Das bringt gar nichts.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber einmal abgesehen davon: Wenn Sie wirklich die Bundesstraßen verkaufen, dann sage ich Ihnen, was passieren wird. Dann werden die Länder anfangen, die Länderstraßen zu verkaufen, dann werden die Kommunen anfangen, die Kommunalstraßen zu verkaufen. Ich weiß gar nicht, wie viele Arten von Maut wir dann überall bezahlen müssen. Das lasse ich alles weg. Aber eines sage ich Ihnen, Herr Schäuble: Wenn das je passieren sollte, dann muss ich Ihnen ein bisschen drohen. Dann werde ich mit allen Mitteln versuchen, die Straße zu kaufen, in der Sie wohnen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Dann wird es für Sie sehr teuer, wenn Sie nach Hause wollen. Außerdem benenne ich dann die Straße um. Es wird Ihnen am peinlichsten sein, immer schreiben zu müssen, dass Sie Zum Gysi Nummer 1 wohnen. Aber das mache ich dann. Das ist garantiert.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das wird aber eine kleine Straße sein!)

Im Übrigen hat der Internationale Währungsfonds - wie Sie wissen ist das keine linke Organisation - estgestellt, dass wir mit etwas mehr Steuergerechtigkeit 80 Milliarden Euro pro Jahr mehr einnehmen könnten. Dann hätten wir das Geld für Bildung und Investitionen, das wir dringend benötigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Europäische Zentralbank hat nun den Leitzins auf den niedrigsten Stand in der Geschichte gesetzt, auf 0,05 Prozent. Ich will Ihnen sagen, was das bedeutet. Die Sparerinnen und Sparer in Deutschland, auch die kleinen und mittleren, bekommen so gut wie gar keine Zinsen. Da wir aber eine Inflationsrate haben, das heißt alle Dienstleistungen und Waren teurer werden, man aber keine Zinsen bekommt, verlieren die Sparguthaben Jahr für Jahr an Wert. Das heißt, die Sparerinnen und Sparer bezahlen die ganze Krise. Das kommt dabei heraus. Dasselbe passiert mit den Lebensversicherungen, weil auch die an Wert verlieren. Bei den Lebensversicherungen nehme ich Ihnen eine Sache schon übel, nämlich dass Sie die Leistungen aus Lebensversicherungen hier im Bundestag gekürzt haben,

(Max Straubinger (CDU/CSU): Das ist doch nicht wahr! Das ist falsch, Herr Gysi, und Sie wissen das auch!)

und das am Tag des Viertelfinalspiels Deutschland gegen Frankreich bei der Fußballweltmeisterschaft, und zwar in der Hoffnung, dass es keiner mitbekommt. Ich finde das ziemlich übel; das muss ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem habe ich noch eine Frage: Wenn wir auf Sparguthaben so niedrige Zinsen bekommen, warum gibt es dann eigentlich noch so hohe Zinsen bei Dispokrediten und anderen Krediten? Wenn schon niedrige Zinsen, dann müssten die Banken und Sparkassen auch diesbezüglich ihre Politik ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber ich sage Ihnen auch: Sie werden mit privaten Investitionen in die Wirtschaft nicht wirklich weiterkommen. Nehmen wir den Süden Europas: 25 Prozent Arbeitslosigkeit, 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, zum Beispiel in Griechenland und in Spanien. Wer will da investieren? Wer soll denn bei sinkenden Löhnen, Renten und Sozialleistungen noch einkaufen können? Daran, dass selbst die Deutsche Bundesbank für Deutschland höhere Löhne fordert, weil sie sieht, dass die Nachfrage permanent zurückgeht, sehen Sie, welchen Stand wir diesbezüglich erreicht haben.

Was mich auch stört, ist, dass die EZB wieder die Schrottpapiere von den Banken aufkaufen will. Das ist doch der Gipfel der Frechheit. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haften wie immer für alle Banken. Ich möchte, dass endlich Banken für Banken haften.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Kein Industrieunternehmen, kein Bäckermeister hat die Chance, dass Sie die Schulden übernehmen, aber bei jeder Bank übernehmen wir die Schulden. Das geht nicht mehr, das muss endlich beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die ganze falsche Bankenrettung in der Euro-Krise war ein Aufbauprogramm für die AfD. Wenn wir das beenden wollen, müssen Sie auch diesbezüglich die Politik ändern.

Liebe Frau Bundeskanzlerin, wir hatten einen kleinen Disput hier beim letzten Haushalt, und zwar über die Mütterrente. Das Problem muss ich auflösen. Sie haben gesagt, dass wir schon jetzt einen hohen staatlichen Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung zahlen und der 2018 sogar erhöht werden soll. Das mag sein, aber das ändert an folgendem Umstand nichts: Jetzt gibt es eine Erhöhung der Mütterrente. Diese Erhöhung kostet Geld, und jetzt erhöhen wir nicht den staatlichen Zuschuss. Also muss diese Erhöhung, weil wir den staatlichen Zuschuss nicht erhöhen, allein von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern bezahlt werden.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist Quatsch, Herr Gysi!)

Das heißt, die Lidl-Kassiererin und jedes Unternehmen bezahlen das,

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Er hat es nicht verstanden!)

aber Frau Merkel, Herr Gabriel, Herr Kauder und Herr Gysi nicht. Das ist und bleibt grob ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie hätten ja einen anderen Weg gehen können. Sie hätten ja sagen können: Die Erhöhung der Mütterrente kostet soundso viel Geld, und in diesem Umfang erhöhen wir den Zuschuss.   Dann hätten wir es aus Steuermitteln finanziert. Da Frau Merkel, Herr Gabriel, Herr Kauder und Herr Gysi mehr Steuern als die Lidl-Kassiererin zahlen, wäre das gerecht gewesen. So bezahlt sie es allein. Ich kann es ihr nicht erklären, und Sie können es ihr auch nicht erklären. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt sage ich Ihnen auch etwas zur deutschen Einheit. Ganz aktuell ist in der Pflege ein Mindestlohn vereinbart worden: Ost 8,65 Euro, West 9,40 Euro   und das 24 Jahre nach der deutschen Einheit. Ich bitte Sie! Wer die deutsche Einheit will, muss endlich für gleiche Löhne bei gleicher Arbeitszeit in Ost und West und für eine gleiche Rente bei gleicher Lebensleistung und für eine gleiche Mütterrente in Ost und West streiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer das nicht macht, der ist eben nicht für die deutsche Einheit.
Ich sage Ihnen, Herr Kauder, auch wenn es Sie ärgert: Inzwischen ist die Linke die Partei der deutschen Einheit. Sie verfolgen diese Ziele nicht.

(Beifall bei der LINKEN   Lachen bei der CDU/CSU)

  Ich wusste, dass ich Ihre Zustimmung bekomme.
Nun muss ich noch ein Thema anschneiden: das Thema „Überwachung der Linken“. Unser Spitzenkandidat in Thüringen, Bodo Ramelow, hat ja einen großen Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht erreicht; schon deshalb hat er sich vieles verdient. Aber einmal abgesehen davon, Bundesinnenminister de Maizière hat daraufhin entschieden, dass die Beobachtung aller Mitglieder unserer Fraktion durch das Bundesamt für Verfassungsschutz eingestellt wird.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Na, sagen Sie mal! Super!)

Das begrüße ich. Die Gerichte haben entschieden, dass alle Unterlagen über uns zu vernichten sind. Auch das begrüße ich. Erst die überflüssige Arbeit, das alles herzustellen, und nun haben sie die Arbeit, das alles zu vernichten. Aber das sei ihnen auch gegönnt. Wir haben damit der Bundesrepublik Deutschland zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verholfen.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Dagmar Ziegler (SPD): Na, vielen Dank!)

Nun habe ich 16 Bundesländer angeschrieben - meine Herren und Damen von der CSU, hören Sie gut zu   und gefragt, ob sie weiterhin die Bundestagsabgeordneten der Linken beobachten. 15 Bundesländer haben „Wir haben das noch nie gemacht“ oder „Wir haben das schon längst oder jetzt eingestellt“ geantwortet. Nur ein Land, Bayern, hat geantwortet, dass es bei der Beobachtung bleiben soll. Also, wir sehen uns vor Gericht wieder. Wir werden auch Bayern zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verhelfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Man kann ja in Bayern als Linker nicht im öffentlichen Dienst arbeiten. Wir wollen auch die Interessen des öffentlichen Dienstes vertreten. Wie sollen wir das eigentlich machen, abgesehen davon, dass uns dadurch natürlich auch Gelder verloren gehen? Jetzt habe ich mir dazu im Internet Informationen beschafft. Also, hören Sie einmal zu: Da wird gefragt, wenn man sich beim öffentlichen Dienst in Bayern bewirbt, ob man Mitglied des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter der DDR - so einer linksextremistischen Massenorganisation - war.

(Heiterkeit bei der LINKEN   Beifall der Abg. Barbara Lanzinger (CDU/CSU)   Max Straubinger (CDU/CSU): Natürlich!)

Wer in der DDR Äpfel geerntet oder Kaninchen gezüchtet hat, soll also keine Chance im öffentlichen Dienst in Bayern haben können. Auch Schwachsinn muss Grenzen kennen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch etwas sagen, was mir wichtig ist: Sie alle behaupten doch, Parteien der Mitte zu sein. Aber dass die mittleren Einkommen in unserer Gesellschaft aufgrund des Steuerbauchs alles bezahlen, das nehmen Sie nicht zur Kenntnis. Es gibt nur eine Partei, die Linke, die will, dass der Steuerbauch beseitigt wird. Wir vertreten hier die Mitte, nicht Sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist die Wahrheit. Wir vertreten die unteren Einkommen, aber auch die mittleren.
Zum Schluss sage ich Ihnen eins: Ich will nicht rechthaberisch sein.

(Lachen bei der CDU/CSU - Thomas Oppermann (SPD): Jetzt haben Sie die ganze Rede widerlegt!)

Gut, dann sage ich: Ich will nicht mehr rechthaberisch sein. Das können Sie akzeptieren. Passen Sie auf! Ich habe mich in meinem Leben auch geirrt; das bestreite ich gar nicht.

(Dagmar Ziegler (SPD): Das kann nicht sein! - Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Wer hatte bei Afghanistan recht, wir oder die anderen Fraktionen? Inzwischen wissen Sie alle, dass wir recht hatten. Dieser Krieg war falsch. Wer hatte bei der Praxisgebühr recht? Sie, die das für eine geniale Erfindung hielten, oder wir? Inzwischen ist sie ja abgeschafft.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Leider!)

Wer hatte bei der Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz recht? Sie oder wir? Wir hatten recht, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Und wer hatte beim Mindestlohn recht? Sie haben mich alle beschimpft. Inzwischen haben Sie ihn eingeführt.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Na, aber sicher, in den 1990er-Jahren. Das kann ich Ihnen nachweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Sie werden noch einsehen, dass auch die Rente ab 67 ein Grundfehler ist.

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege.

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Deshalb merken Sie sich doch bitte, liebe Union, liebe SPD, liebe Grüne, dass Sie sich viel häufiger und schneller, auch in Ihrem Interesse, nach den Linken richten sollten.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN - Dagmar Ziegler (SPD): Das ist ja narzisstisch!)