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Frau Merkel, führen Sie die Finanztransaktionssteuer ein

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Rede im Rahmen der Haushaltsberatungen, Einzelplan Arbeit und Soziales 

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):

Vielen Dank. ‑ Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Nahles, Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass der Einzelplan „Arbeit und Soziales“ mit Ausgaben von über 122 Milliarden Euro fast die Hälfte des gesamten Bundeshaushaltes ausmacht und somit der größte Einzelplan ist. Die Bundesregierung verweist immer sehr gern auf diese Zahlen, um zu beweisen, wie sozial sie doch sei. In der Debatte am Dienstag ‑ Sie werden sich vielleicht erinnern ‑ haben einige Kollegen von der Union die Meinung vertreten, wir als Linke wären erst zufrieden, wenn der Sozialetat 100 Prozent des Bundeshaushaltes ausmachen würde. Ein besonders Pfiffiger aus der Union widersprach dann und sagte: Nein, es müssten 110 Prozent sein. ‑ Ich will Ihnen nur sagen: Mit dieser Auffassung sind Sie völlig auf dem Holzweg.

(Beifall bei der LINKEN - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): So was von!)

Denn die Größe des Etats sagt noch nichts über die Art der Politik aus. Ein großer Sozialetat zeigt doch auch, wie hoch der Reparaturbedarf innerhalb unserer Gesellschaft ist.

(Kai Whittaker (CDU/CSU): Sie sind jetzt dafür, den Sozialstaat abzuschaffen?)

Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern. Nehmen wir einmal die sogenannten Aufstocker. Sie wissen es alle: Das sind Menschen, die von ihrem Lohn ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Heute ging durch die Medien ein, wie ich nur sagen kann, absurdes Urteil des Arbeitsgerichtes in Cottbus.

(Katja Mast (SPD): Das ist es in der Tat!)

Ich habe es mit Empörung aufgenommen. Ich hoffe, Sie auch.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Jobcenter in Cottbus hatte nämlich völlig zu Recht geklagt, weil es Minilöhne aufstocken musste. Der Sachverhalt: Ein Anwalt zahlte in seiner Kanzlei einen Stundenlohn von 1,54 Euro für die eine Dame und von 1,65 Euro für die andere.

(Katja Mast (SPD): Das ist ein Skandal!)

Das Arbeitsgericht, man höre und staune, wies nun die Klage des Jobcenters ab, und zwar mit der Begründung, dass die Beschäftigten schließlich mit dieser geringen Bezahlung einverstanden gewesen seien, um auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen zu können.

(Katja Mast (SPD): Deshalb machen wir jetzt einen Mindestlohn!)

Warum erzähle ich Ihnen das? Ich finde, dieser Fall ist eine überzeugende Begründung dafür, warum es beim Mindestlohn keine Ausnahmen für Langzeitarbeitslose geben darf.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einfach zu viele Arbeitgeber, die schlechte Löhne zahlen und die die Mitarbeiter zum Amt schicken, damit dieses dann ihre Löhne aufstockt. Das ist unsozial und ungerecht. Es ist nicht nur ungerecht gegenüber den Arbeitnehmern, sondern auch gegenüber den Arbeitgebern, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ordentliche Löhne zahlen. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Augenblick ist es so, dass die Steuerzahler in jedem Jahr rund 10 Milliarden Euro aufbringen müssen, um solche Löhne aufzustocken, damit diese Menschen auch die notwendigsten Dinge, die sie zum Leben brauchen, finanzieren können. Wir finden es gut, dass endlich ansatzweise eine langjährige Forderung der Linken, nämlich die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, aufgegriffen wurde und demnächst hier im Bundestag beschlossen wird. Das ist eine gute Nachricht.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Dr. Martin Rosemann (SPD): Das geben Sie zu!)

Auch wenn wir viele Punkte kritisieren, was ich ja eben schon getan habe, können wir doch mit einer gewissen Genugtuung feststellen, dass unsere Arbeit in der Opposition ihre Wirkung eben nicht verfehlt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Einführung des Mindestlohnes von 8,50 Euro, wie es von der Regierung vorgesehen ist, wird nach der Studie eines Forschungsunternehmens die staatlichen Haushalte um ungefähr 7 Milliarden Euro im Jahr entlasten. Das ist die gute Meldung. Die schlechte Meldung ist, dass die 8,50 Euro Mindestlohn pro Stunde eben nicht bei allen ausreichen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Alleinerziehende können von 8,50 Euro ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Allein die Wohnkosten fressen alles auf.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist unsere Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro so wichtig. Wir wollen, dass die Menschen von ihrer eigenen Arbeit leben können, und zwar anständig.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Zuruf von der CDU/CSU: 15 Euro! - Albert Weiler (CDU/CSU): 20 Euro! 25 Euro!)

Frau Nahles, seit einigen Monaten werben Sie für Ihr Rentenpaket. Dafür haben Sie am Parlament vorbei mal eben 1,5 Millionen Euro locker gemacht. Aber das will ich hier nicht mehr auswalzen. Viel schlimmer ist, dass Sie für etwas geworben haben, was noch gar nicht beschlossen ist und was von Ihrem Koalitionspartner, der CDU/CSU, heftig attackiert wird. Einige Menschen haben Ihre Werbekampagne zu ernst genommen, und das mit fatalen Folgen; denn wer jetzt seine Rente ab 63 beantragt, bekommt sie nach den alten Regeln, also mit Abschlägen.

(Kerstin Griese (SPD): Das ist aber logisch!)

Ich finde, das ist etwas, was Politik überhaupt nicht machen darf, nämlich den Menschen etwas vorgaukeln und sie zu fatalen Beschlüssen verleiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschließend noch ein Wort zur Mütterrente. Ich finde, die Ungleichbehandlung von Müttern und Kindern aus Ost und West ist nicht hinnehmbar. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, warum Kinder bzw. die Erziehungsleistungen im Osten bzw. in der damaligen DDR weniger wert sein sollen als im Westen. Der Unterschied beim Rentenpunkt ‑ 28,61 Euro West und 26,39 Euro Ost ‑ ist durch nichts gerechtfertigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden in diesem Jahr noch viel über die deutsche Einheit sprechen. Wir haben ‑ das wurde schon mehrmals gesagt ‑ ein Gedenkjahr. Ich finde, 25 Jahre müssten wirklich ausreichen, um die Unterschiede zwischen Ost und West zu beseitigen.

(Dr. Martin Rosemann (SPD): Das gilt auch für Ihre Partei!)

Wir sollten bei der Mütterrente damit anfangen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)