Rede in den Haushaltsberatungen (Schlussrunde 1. Lesung)
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf fünf Punkte eingehen, die in der Debatte dieser Woche zu kurz gekommen sind.
Erstens. Wir haben viel über Flüchtlinge gesprochen, aber viel zu wenig über die Fluchtursachen. Der Nahe Osten ist die Region mit der größten sozialen Ungleichheit weltweit. Circa 300 Millionen Menschen leben dort, doch der Reichtum ist in den Händen der Herrscher in Saudi-Arabien und in den anderen Ölmonarchien konzentriert. Allein Saudi-Arabien hat durch den Ölverkauf jährlich Einnahmen in Höhe von 300 Milliarden Dollar. Damit sich an dieser ungerechten Verteilung nichts ändert, finanzieren diese Monarchien die Waffen für den „Islamischen Staat“. Aber was tut die Bundesregierung? Fordert sie einen Wirtschaftsboykott gegen die Ölmonarchien? Nein, sie liefert auch noch Waffen nach Saudi-Arabien. Das muss ein Ende haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch im Krieg gegen die Kurden werden deutsche Panzer eingesetzt. Wo bleibt da der Aufschrei der Bundesregierung? Darum ist es das Gebot der Stunde, endlich ein Verbot von Waffenexporten durchzusetzen und wirksame Maßnahmen gegen kriegsfinanzierende Monarchien zu ergreifen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Interessant an der Rede des Finanzministers waren die Dinge, die Sie, Herr Schäuble, nicht angesprochen haben. Sie haben kein Wort über Verteilungsgerechtigkeit verloren. Selbst das Weltwirtschaftsforum, beileibe keine Vorfeldorganisation der Linken, hat in einem aktuellen Vergleich von 112 Ländern den Schluss gezogen, dass in Deutschland Wachstum und Gerechtigkeit eben nicht miteinander verbunden werden. Ich darf dazu kurz zitieren, was der OECD-Generalsekretär dort sagte:
Unsere Analyse zeigt, dass wir nur auf starkes und dauerhaftes Wachstum zählen können, wenn wir der hohen und weiter steigenden Ungleichheit etwas entgegensetzen.
Es ist also Zeit, endlich eine Vermögensteuer und höhere Erbschaftsteuern einzuführen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Drittens. Annelie Buntenbach, Mitglied des DGB-Bundesvorstandes, hat in einer schlichten Auflistung gezeigt, wie der Finanzminister seinen Haushalt auf Kosten der Sozialkassen in Ordnung gebracht hat. Sie erinnert völlig zu Recht daran, dass die Mütterrente im Jahr 6,5 Milliarden Euro kostet und nicht aus dem Bundeshaushalt finanziert wird, obwohl es sich dabei zweifelsohne um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt. Diese Tricksereien auf Kosten der Sozialkassen wollen wir endlich beenden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn das ist eine Umverteilung zugunsten der Menschen, die gar nicht oder wenig in die Sozialkassen einzahlen. Auch das ist eine weitere Kritik des Weltwirtschaftsforums.
Es ist doch so, dass Einkommensmillionäre, wenn überhaupt, nur einen Minianteil ihres Einkommens in die Sozialsysteme einzahlen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich frage Sie: Ist es nicht eine unglaubliche Gleichmacherei, dass die Sekretärin genauso viel in die Krankenkasse einzahlen muss wie ihr Chef? Das ist doch ungerecht.
(Beifall bei der LINKEN - Max Straubinger (CDU/CSU): Muss sie ja gar nicht!)
- Prozentual.
Viertens. Es gibt ja einen Dauerstreit zwischen dem Finanzminister und der Kinderministerin, wie sie sich selbst nennt, sei es um die mickrige Kindergelderhöhung, die lange verzögerte Besserstellung von Alleinerziehenden oder jetzt aktuell die Nutzung der Mittel, die für das Betreuungsgeld vorgesehen waren, für den erforderlichen Ausbau der Kinderbetreuung. Der Finanzminister, Herr Schäuble, verweist dann immer gern auf die prioritären Finanzmaßnahmen des Koalitionsvertrages. Stimmt, da spielen Kinder nur eine untergeordnete Rolle. Schlimm genug! Doch die Bundeswehr steht übrigens auch nicht auf der Liste der prioritären Maßnahmen. Trotzdem soll die Bundeswehr 8 Milliarden Euro mehr bekommen. Vielleicht sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, an der Stelle einmal selbstbewusst auf den Koalitionsvertrag verweisen und die Mehrausgaben für die Bundeswehr ablehnen. Unsere Unterstützung hätten Sie.
(Beifall bei der LINKEN)
Fünftens. Minister Schäuble fordert einen europäischen Finanzminister. Ich sage Ihnen - das wissen Sie genauso gut wie ich -: Wir brauchen den nicht; denn wir haben ihn schon. Sie, Herr Schäuble, sind es selbst.
(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Johannes Kahrs (SPD): Das ist doch jetzt mal ein Kompliment!)
- Ist doch so! - Die Sozialkürzungen, die Krisenländern wie Griechenland in den letzten Jahren aufgetragen wurden, tragen die gestochene Handschrift von Herrn Schäuble. Widerspruch wird in der informellen Runde der Finanzminister nicht geduldet. Ich frage Sie nur: Warum schaffen Sie es als informeller Finanzminister Europas seit über fünf Jahren nicht, endlich die Finanztransaktionsteuer durchzusetzen?
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Petra Hinz (Essen) (SPD))
Jedes Jahr gehen Europa durch diese Arbeitsverweigerung des Finanzministers nach Berechnung der Wirtschaftswoche - nicht der Linken - circa 200 Milliarden Euro verloren. Offensichtlich, Herr Schäuble, hatten Sie für die Umsetzung der Finanztransaktionsteuer keine Zeit. Sie haben sich nämlich mit den Öffnungszeiten griechischer Gemüsegeschäfte im Detail beschäftigt. Ich glaube, das ist wirklich nicht Ihre Aufgabe.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf der Bundesregierung, getragen von Union und SPD, ist noch kein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in unserem Land. Die Lasten sind ungleich verteilt. Eine kleine vermögende Minderheit wird von dieser Koalition geschont. Die Kanzlerin warnte ja vor Parallelgesellschaften. Doch durch Ihre Steuerpolitik haben Sie längst eine sehr reiche Parallelgesellschaft geschaffen. Das ist wirklich eine Gefahr für unser Land und für unsere Demokratie. Darum: Lassen Sie uns diesen Haushalt vom Kopf auf die Füße stellen!
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)