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Ferienjobs nicht auf Hartz IV anrechnen - SPD bleibt auf halber Strecke stehen !

Archiv Linksfraktion - Rede von Matthias W. Birkwald,

Rede von Matthias W. Birkwald zur 1. Lesung des Antrages der SPD-Fraktion „Mehr Chancengleichheit für Jugendliche - Ferienjobs nicht als regelmäßiges Einkommens anrechnen“ (BT-Drs. 17/524) am 28.01.2010 im Plenum des Deutschen Bundestages

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ferienjobs nicht auf Hartz IV anzurechnen, ist in erster Linie eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Es ist schon seit langem bekannt, dass Schülerinnen und Schüler nicht allein deshalb jobben, weil ihre Eltern wenig Geld haben. Bei Ferienjobs geht es um die wertvolle Erfahrung, etwas aus eigener Kraft zu schaffen, sich Ziele zu setzen und sie auch zu erreichen. So entsteht Selbstbewusstsein.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese wichtige Lebenserfahrung darf Schülerinnen und Schülern nicht deshalb verleidet werden, weil ihre Eltern Hartz IV beziehen. Das ist und bleibt diskriminierend.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in der vergangenen Wahlperiode, Anfang September 2009, haben Sie unseren Vorschlag, Ferienjobs nicht anzurechnen, schnöde abgelehnt. Klaus Wowereits Versprechen in der Sendung hart aber fair, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen, war wohl nicht ganz ernst gemeint. Sie erinnern sich an die Enttäuschung der 15-jährigen Laura, die gejobbt hatte, um sich einen Elektrobass zu kaufen. Hartnäckig wie wir sind, hatten wir Linken im November 2009 erneut einen Antrag eingebracht, in dem gefordert wurde, auf die Anrechnung von Verdiensten aus Ferienjobs auf das Arbeitslosengeld II zu verzichten. Nun legen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, einen Antrag vor, den ich mit Ausnahme eines - allerdings entscheidenden - Wortes teilen kann. Der Gang in die Opposition hat also offensichtlich zu einem Sinnes-wandel bei Ihnen geführt oder einen Lernprozess ausgelöst. Wie auch immer, herzlich willkommen auf der richtigen Seite.


(Beifall bei der LINKEN)


Ja, Ihr Antrag weist in die richtige Richtung,


(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])


aber Sie bleiben leider auf halber Strecke stehen. Sie wollen die Ferienjobs zeitlich auf vier Wochen im Jahr begrenzen und berufen sich dabei auf das Jugendarbeitsschutzgesetz. Einverstanden. Warum aber wollen Sie zusätzlich begrenzen, wie gut der Ferienjob bezahlt sein darf? Sie wollen „angemessene Einnahmen“ von Schülerinnen und Schülern freistellen. Doch was heißt „angemessen“? Solche unbestimmten Rechtsbegriffe gibt es im SGB II schon viel zu viele. Auch darum gibt es so viele erfolgreiche Klagen gegen Hartz IV. Nein, das würde nur zu Rechtsunsicherheit und neuem Chaos zulasten der Betroffen führen. Das gilt es zu verhindern.

(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das klärt ein Richter beim Bundesverfassungsgericht!)
(Beifall bei der LINKEN)


Es mag sein, dass einige ganz wenige die Freistellung von Einkommen aus Ferienjobs über Gebühr nutzen könnten. Das rechtfertigt aber keinesfalls schikanöse Kontrollen aller Ferienjobberinnen und Ferienjobber, wie es sie gäbe, folgte man dem Antrag der SPD. Nein, neue Kontrollen - die noch dazu über das für alle geltende sozial-, arbeits- und steuerrechtliche Maß hinausgehen - lehnt die Linke entschieden ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie versuchen krampfhaft, sich - auf dem Rücken der Betroffenen - von unserem Antrag abzugrenzen.


(Katja Mast [SPD]: Nein!)


Das ist hart, aber nicht fair.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist doch so: Jobbende Schülerinnen und Schüler können rein gar nichts dafür, wenn ihre Eltern schon lange arbeitslos sind. Deshalb sollten Jugendliche ihr in den Ferien hart verdientes Geld komplett ausgeben dürfen - für eine Gitarre, für Reisen, für ein Mokick oder für was auch immer. In meiner Heimatstadt Köln gibt es ein schönes Sprichwort: Mer muss och jönne künne. Auf Hochdeutsch: Man muss auch gönnen können. Gönnen Sie, liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, den Schülerinnen und Schülern ihren ganzen Lohn aus dem Ferienjob und verzichten Sie darauf, den Ferienverdienst von Jugendlichen aus SGB-II-Haushalten einzuschränken! Es muss doch darum gehen - darin sind wir uns doch einig -, die ungerechte und entmutigende Sonderbehandlung von Schülerinnen und Schülern aus armen Familien abzuschaffen. Lassen Sie uns deshalb keine neue Sonderbehandlung einführen!


Zum Schluss möchte ich ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP richten


(Zuruf von der SPD: Wird auch Zeit!)


und sie heute erneut an das Versprechen erinnern, dass der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder, in der Fernsehsendung hart aber fair abgegeben hat. Er hat versprochen, dass es nicht dabei bleiben dürfe, dass, wie es in dieser Sendung eindrucksvoll geschildert worden ist, eine Schülerin von ihrem gesamten Lohn aus dem Ferienjob nur 100 Euro behalten darf. In dieser Hinsicht habe ich den Redebeitrag von Herrn Dr. Linnemann mit großer Freude vernommen. Ich fordere Sie auf: Legen Sie zügig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor! Das Problem muss in den Osterferien endlich vom Tisch sein.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren von der FDP, die Leistung von Ferienjobberinnen und Ferienjobbern aus Hartz-IV-Haushalten am Fließband, am Schreibtisch, im Lager oder am Computer muss sich genauso lohnen wie die aller anderen jobbenden Schülerinnen und Schüler.


Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Rede im Web-TV:

http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_v_f_514_de/od_player.html?singleton=true&content=476662

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