Bundestag, aktuelle Stunde, „Amok-Lauf Winnenden“
1. Viele große und kleine Zeitungen titeln heute: „Konsequenzen aus Amok-Lauf umstritten!“ Ich halte das für keinen Makel. Allemal nicht nach so einem furchtbaren Ereignis, wie dem Amok-Lauf in Winnende. Ich wünsche mir allerdings, dass die Medien morgen titeln: „Politisch unstrittig ist, dass es Konsequenzen geben muss!“2. Das sind wir übrigens auch den Leidtragenden des Amok-Laufes von Winnende schuldig. Und das sind beileibe nicht nur die unmittelbar Betroffenen und auch nicht nur die in der leidgeprüften Kleinstadt. Der Amok-Lauf hat Traumata wiederbelebt, zum Beispiel in Erfurt. Und er weckt unkalkulierbare Ängste in vielen Orten und in vielen Herzen.
3. Nun wäre es fahrlässig, den Focus allein auf das Waffenrecht zu rücken. Es wäre aber auch fahrlässig, das Waffenrecht auszublenden. Nach vielfältigen Schätzungen gibt es in Deutschland bis zu 40 Millionen Schusswaffen in Privatbesitz. Seit dem Amok-Lauf in Erfurt anno 2002 hat die Zahl „privater“ Waffen sogar noch zugenommen.
4. DIE LINKE will, dass die Zahl privater Schusswaffen drastisch reduziert wird, dass der unerlaubte Zugriff deutlich erschwert wird, dass die Übersicht über privaten Waffenbesitz bundesweit verbessert wird und dass die staatliche Kontrolle über privat gelagerte Schusswaffen wirksam erhöht wird. Übrigens auch im Interesse der Waffen-Inhaber.
5. Dabei wollen wir keine unzumutbaren Repressionen gegenüber jenen, die eine verlässliche Arbeit leisten, zum Beispiel im Sport, oder gegenüber jenen, zu deren Hege und Pflege der Wälder und Forsten auch die Jagd gehört. Aber mir kann niemand erklären, warum Bürger für ihr häusliches Wohlbefinden 16 und mehr Schusswaffen brauchen.
6. Eine gute Analyse muss allerdings tiefer gehen. Dazu gehört auch das fragwürdige deutsche Schulsystem. Es mangelt nicht an Untersuchungen, die belegen: Das 3-gliedrige Schulsystem grenzt aus, es entwurzelt und es schafft Verlierer. Und zwar trotz aller Anstrengungen engagierter Pädagogen. Auch daraus gilt es, Konsequenzen zu ziehen.
7. Und noch ein Wort zur Bildung. Es wird ja wieder hitzig debattiert, welche Video-Spiele für Jugendliche verboten und welche Internet-Seiten zensiert werden sollten. Nun braucht man mich nicht katholisch zu machen. Das ist vieles auf dem Markt, das Gewalt verherrlicht und möglicherweise zur Nachahmung verlockt.
8. Ich will nur nicht, dass wir uns auf einem Nebenplatz verkämpfen, während auf dem Center-Courd der Wettkampf von Hase und Igel läuft, der Hase namens Zensur und das Internet als Igel. Gegen Gefahren aus dem weltweiten Gewebe hilft letztlich nur eines: Medienkompetenz. Medienkompetenz ist eine soziale Herausforderung des 21. Jahrhunderts.
9. Ohnehin ist es nicht allzu redlich, wenn die gespielte Gewalt beklagt wird, während die alltägliche Gewalt als Tugend gilt. Schon Jugendliche erfahren, dass nur der Starke zählt, nicht der vermeintlich Schwache. Das ist in vielen Schulen so und das ist in der Gesellschaft generell so. Das Leben prägt falsche Werte. Auch das muss sich ändern.
10. Es gibt also viele Gründe, gründlich über Konsequenzen nachzudenken. Auch wenn ein Bundesminister gestern klarstellte: „Der Amoklauf von Winnenden ist nicht repräsentativ und nicht typisch.“ Mit Verlaub: Es wäre furchtbar, wenn es anders wäre. DIE LINKE ist jedenfalls zu einer konstruktiven Debatte bereit, einer Debatte mit Konsequenzen.