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Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus

Archiv Linksfraktion - Rede von Petra Pau,

Petra Pau (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir reden über eine Verbunddatei für rechtsextreme Gewalttäter. Zur Begründung heißt es im Gesetzentwurf ich zitiere : Sie soll die „bewährten Formen der Zusammenarbeit“ zwischen den Ämtern „sinnvoll ... ergänzen“.

Es war heute schon die Rede davon: Auslöser für die heutige Debatte ist eine jahrelange Nazimordserie mit zehn Toten. Danach von einer bewährten Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in diesem Fall zu sprechen, finde ich allerdings dreist und würdelos, auch gegenüber den Hinterbliebenen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nachdem die Nazimordserie publik wurde, hat der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich drei Schlussfolgerungen bzw. Maßnahmen angekündigt: erstens ein Abwehrzentrum gegen rechten Terror, zweitens die besagte Verbunddatei für rechtsextremistische Gewalttäter und drittens eine Sonderkommission, die sich mit den Ermittlungspannen beschäftigen sollte.

Was Sonderkommissionen sollen, dürfen oder tun, ist unklar. Eine Bund-Länder-Koordinierung gegen Rechtsterrorismus gab es schon einmal. Sie stellte im Jahre 2007 unverrichteter Dinge ihre Arbeit ein. Ebenso gab es eine Spezialdatei für rechtsextreme Kameradschaften. Sie wurde im Jahre 2010 gelöscht, und zwar so nachhaltig, dass sich der zuständige Staatssekretär im Dezember letzten Jahres auf meine Nachfrage nicht einmal mehr an die Existenz dieser Datei erinnern konnte.

Kurzum: Wir erfinden heute nicht den Stein der Weisen. Es geht zum Teil um alte Hüte, die zuvor abgelegt wurden und nun lediglich aufpoliert werden. Die Verbunddatei soll vor allem Erkenntnisse der Kriminal- und Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern bündeln. Dazu wird es eine Anhörung im Innenausschuss geben. Dazu drei Anmerkungen von mir: Erstens. Es heißt, das sei eine Täterdatei, keine Gewissensdatei. Der Gesetzentwurf schließt allerdings eine Gesinnungsdatei nicht aus. Einem solchen Vorstoß wird die Linke nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Wenn Sie den Gesetzentwurf lesen, dann stellen Sie fest, dass die unsägliche V-Leute-Praxis im rechtsextremen Milieu durch Sonderregelungen fortgeschrieben wird. Das wäre für die Linke nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Lapidar wird im Text mitgeteilt, dass verbriefte Grundrechte eingeschränkt werden. Auch das ist so nicht akzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Entwurf, um den es hier geht, trägt den Titel „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Rechtsextremismus“. Ich halte das ein wenig für anmaßend andere haben schon darauf hingewiesen , denn es ist nur diese Datei, die tatsächlich Bestandteil des Gesetzes ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Hartmann hat es bereits gesagt: Es fehlt ein Gesamtkonzept, gerade auch was die Prävention im Kampf gegen Rechtsextremismus angeht. Das ist das eigentliche Problem. Nun erwarte ich nicht das ist auch nicht ihre Aufgabe , dass das Bundesinnenministerium ein Gesamtkonzept vorstellt. Allerdings erwarte ich es auch nicht vom Familienministerium, das nach der Geschäftsverteilung der Bundesregierung eigenartigerweise zuständig ist. Meines Wissens gab es nach der unglaublichen Nazimordserie von der Bundesfamilienministerin zwei Reaktionen: Erstens sei sie für Prävention und nicht für Morde zuständig das ist richtig , und zweitens werde ein Kompetenz- und Informationszentrum geschaffen; dieses Zentrum solle wertvolle Erfahrungen, auch pädagogische, im Umgang mit Rechtsextremen sammeln und verbreiten.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Gute Sache!)

Inzwischen konnten wir lesen, was als pädagogisch wertvoll gilt. So sollten in Dortmund 30 militante Neonazis mit 30 demokratischen Jugendlichen plaudern, um die Nazis vom rechten Weg abzubringen. Von derselben pädagogischen Güte waren übrigens geplante Ausflüge junger Kölner CDU-Mitglieder nach Berlin-Kreuzberg. Sie sollten sich besetzte Häuser ansehen, um der linken Gefahr ins Auge zu schauen.

(Lachen bei der LINKEN Thomas Oppermann (SPD): Um Gottes Willen! Wo leben Sie, Frau Schröder?)

Das alles wurde gefördert mit Geldern aus dem Bundesfamilienministerium. Wer von diesem Thema Ahnung hat, der ist fassungslos.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können weiter über das Für und Wider von Verbunddateien streiten und werden das auch tun. Aber das eigentliche Manko besteht darin, dass ein gesamtgesellschaftliches Konzept für gemeinsames Handeln fehlt. Dieser Bereich liegt weiterhin brach. Überhaupt: Solange Rechtsextremisten verharmlost und Antifaschisten misstrauisch beäugt werden, ist etwas faul. Dieser Angelegenheit sollten wir uns gemeinsam zuwenden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)