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Es braucht mehr finanzielle Mittel im Kampf gegen Antisemitismus in Bildung und Wissenschaft

Rede von Nicole Gohlke,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, wir müssen uns erst mal eingestehen, dass wir uns hier im Bundestag schon früher und intensiver mit dem Thema „Antisemitismus in Bildungseinrichtungen, in der Wissenschaft und in der Kultur“ hätten auseinandersetzen müssen. Es ist ein großes Versäumnis, dass wir erst jetzt dieser Gefahr unsere volle Aufmerksamkeit widmen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Dank der Union!)

Die Wahrheit ist, dass sich Jüdinnen und Juden nicht erst seit ein paar Monaten in Deutschland nicht mehr sicher fühlen: Seit Jahren gibt es eine Zunahme von Verschwörungserzählungen, von Sachbeschädigungen an jüdischen Einrichtungen oder von antisemitischen Schmierereien auch an Bildungseinrichtungen. Ein Drittel der jüdischen Studierenden sagt, dass sie schon Diskriminierung erfahren haben. Und wir erleben physische Gewalt wie den Übergriff auf einen jüdischen Studierenden in Berlin. Das ist beschämend und inakzeptabel!

Jüdinnen und Juden müssen sich überall in unserer Gesellschaft sicher fühlen.

(Beifall bei der Linken und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es darf keine Räume in unserer Gesellschaft geben, in denen Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus akzeptiert werden. Vorfälle müssen aufgeklärt werden, müssen Konsequenzen nach sich ziehen. Dafür müssen wir sorgen. Deswegen muss es aus meiner Sicht in Zukunft tabu sein, zu überlegen, der politischen Bildung oder Einrichtungen wie dem Anne-Frank-Zentrum die finanziellen Mittel zu streichen, wie das im letzten Herbst hier diskutiert wurde.

(Beifall bei der Linken)

Das Gegenteil muss passieren: Es braucht mehr Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit, für die politische Bildungsarbeit an Schulen, für die Sensibilisierung und Weiterbildung der Lehrenden im Umgang mit Antisemitismus und allen Formen von Diskriminierung. Es braucht mehr Mittel für diese wichtige Arbeit.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die rechte Seite des Hauses will den Antisemitismus jetzt ganz bequem auf einige gesellschaftliche Gruppen – auf Zugewanderte und auf Migrantinnen und Migranten vor allem – abschieben und damit von sich selbst wegschieben und redet gern vom vermeintlich „importierten Antisemitismus“. Ich sage ganz klar: Das ist und bleibt ein unerträglicher Versuch,

(Beifall der Abg. Maja Wallstein [SPD])

um sich nicht mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen zu müssen,

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und es ist ein Ablenkungsmanöver vom eigenen Beitrag zur Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas. Die bittere Wahrheit ist: Der Antisemitismus ist eben ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Kolleginnen und Kollegen, wir haben aber noch eine weitere Aufgabe, wenn wir über den Kampf gegen Antisemitismus reden, und zwar, wie wir diesen Begriff auch scharf halten. Nicht jede Äußerung in der letzten Zeit war dafür hilfreich. Ich will es an einem Beispiel deutlich machen.

Angesichts von vielen Tausend Toten in Israel und in Gaza sprechen sich immer mehr Menschen für einen Waffenstillstand in Israel und Gaza aus. Immer wieder wird ihnen dafür von einigen der Vorwurf des Antisemitismus gemacht. Kolleginnen und Kollegen, ich finde, man kann die Forderung nach einem Waffenstillstand natürlich falsch finden und sie ablehnen, aber sie ist Bestandteil eines demokratischen Diskurses. Ich halte es für fatal, wenn der Begriff des Antisemitismus zum Beispiel zur Diskreditierung kontroverser Haltungen zu einem Krieg benutzt und so auch inflationiert wird. Damit schadet man dem Kampf gegen Antisemitismus.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir Kontroversen in demokratischen Bahnen führen können und gemeinsam Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus den Kampf ansagen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)