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Erst regieren, dann kassieren? Gesetzliches Stoppzeichen setzen!

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Es ist ein unhaltbarer Zustand, wenn Politiker in ihrer Amtszeit Entscheidungen treffen, die Unternehmen begünstigen, zu denen sie dann später wechseln wollen, und das noch gut dotiert. Das ist noch nicht strafbar. Für mich ist das eine Form der nachgelagerten Bestechung nach dem Motto „Erst liefern, später zahlen“. Diese Praxis muss gesetzlich ausgeschlossen werden. Gesine Lötzsch in der Debatte zum Antrag der Linksfraktion Gesetzliche Regelung für frühere Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre zur Untersagung von Tätigkeiten in der Privatwirtschaft, die mit ihrer ehemaligen Tätigkeit für die Bundesregierung im Zusammenhang stehen (BT-DS 16/846)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor kur-zem haben wir hier in einer Aktuellen Stunde über den Wechsel ehemaliger Bundesminister und Staatssekretäre in die Wirtschaft gesprochen. Dabei ging es nicht um Einzelfälle, sondern um eine bisher ungekannte Massenflucht des politischen Personals in die Wirtschaft. (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das hat doch nichts mit Flucht zu tun!) Zwei Beispiele zur Erinnerung: Altkanzler Gerhard Schröder ging nach seiner Abwahl in den Aktionärsaus-schuss der Nordeuropäischen Gaspipelinegesellschaft. Jahreseinkommen 250 000 Euro. Noch zum Ende seiner Amtszeit wurde von der Bundesregierung über eine gewaltige Kreditbürgschaft für Gasprom entschieden. Herr Schröder will angeblich nichts davon gewusst haben. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Gar nichts!) Anderes Beispiel: Exfinanzstaatssekretär Cajo Koch-Weser geht als Vice Chairman zur Deutschen Bank. Vorher war er in der Bundesregierung für die Bankenaufsicht zuständig. Er war an der Abwicklung eines Schuldendeals beteiligt, in den auch die Deutsche Bank involviert war. Wissen Sie, ich habe gar kein Problem, wenn zum Beispiel der ehemalige Staatssekretär Rezzo Schlauch von den Grünen die Seiten wechselt und jetzt Kernkraftwerksbetreiber EnBW berät, wie man den von SPD und Grünen beschlossenen Atomausstieg wieder rückgängig machen kann. In der Diskussion vor einigen Wochen im Bundestag wurde deutlich, dass niemand etwas dagegen hat, wenn Politiker so in die Wirtschaft wechseln, wie es Herr Schlauch gemacht hat. Er muss das nur mit seiner Partei und, wenn vorhanden, mit seinem Gewissen vereinbaren. Es ist aber ein unhaltbarer Zustand, wenn Politiker in ihrer Amtszeit Entscheidungen treffen, die Un-ternehmen begünstigen, zu denen sie dann später wechseln wollen, und das noch gut dotiert. (Beifall bei der LINKEN) Das ist noch nicht strafbar. Für mich ist das eine Form der nachgelagerten Bestechung nach dem Motto „Erst liefern, später zahlen“. Diese Praxis muss gesetzlich ausgeschlossen werden. (Beifall bei der LINKEN) Leider hatten wir den Eindruck, dass die Bundesregierung denkt, wenn sich die erste Aufregung gelegt habe, gebe es keinen Handlungsbedarf mehr. Da haben Sie aber die Rechnung ohne die Wählerinnen und Wähler gemacht. Auch wir werden das nicht akzeptieren. Darum haben wir Ihnen den heute in Rede stehenden Antrag vorgelegt. Wir fordern die Bundesregierung darin auf, eine ge-setzliche Regelung auszuarbeiten, die eine Karenzzeit von fünf Jahren für ehemalige Regierungsmitglieder vorsieht. (Beifall bei der LINKEN) Jeder Regierungsbeamte muss vor einem Wechsel in ein Unternehmen die Genehmigung seines Dienstherrn einholen. Das gilt noch fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst. Laut Beamtengesetz muss der Dienstherr die Beschäftigung untersagen, wenn die Gefahr besteht, dass dadurch dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Warum, frage ich Sie, soll diese Regelung, die für Staatsbedienstete schon lange gilt, nicht auch für ehemalige Regierungsmitglieder gelten? Das Motto „Erst regieren, dann kassieren“ darf nicht weiter Schule machen. (Beifall bei der LINKEN) Ich finde, meine Damen und Herren, es ist nicht gut für unser Land und für die Demokratie, wenn der Eindruck erweckt wird, dass bestimmte Herren ihren Eid auf das Grundgesetz bei ihrer Entlassung an der Garderobe des Bundespräsidenten abgeben. Darum bitte ich Sie, unseren Vorschlag zu übernehmen oder, wenn Sie einen besseren haben, diesen vorzulegen. (Dirk Niebel [FDP]: Haben wir doch schon!) Einigkeit der Opposition in dem Fall, verehrter Kollege Niebel, wäre ja nicht schlecht. Aber ob Ihr Vor-schlag wirklich besser ist, werden wir in den Ausschüssen sorgfältig beraten. Es geht darum, die Mehrheit des Hauses einzubeziehen. Sie sollten also nicht auf die Vergesslichkeit der Wäh-lerinnen und Wähler hoffen. Das wäre der falsche Weg. Sie werden Sie am nächsten Wahltag daran erinnern. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN)