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Ein Telefon allein leistet keine Hilfe!

Archiv Linksfraktion - Rede von Cornelia Möhring,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch die Fraktion Die Linke begrüßt die Einrichtung eines zentralen Hilfetelefons. Eine einheitliche Nummer darüber sind wir uns alle im Klaren die kostenfrei zur Verfügung gestellt wird und unter der 24 Stunden am Tag jemand erreichbar ist, übernimmt eine sehr wichtige Lotsenfunktion. Nach Aussage der Bundesregierung können bisher immerhin 80 Prozent der von Gewalt betroffenen Frauen nicht in unser bestehendes Hilfesystem vermittelt werden. Ich finde, das ist eine unglaublich hohe Zahl von Frauen, die, obwohl sie dringend Hilfe brauchen, keine Hilfe erhalten.

Ich möchte daran erinnern Frau Laurischk und die anderen Vorrednerinnen haben das eindrücklich geschildert : Von Gewalt betroffen sind Frauen aller gesellschaftlichen Schichten: die Professorin genauso wie die Verkäuferin im Supermarkt, die Hamburgerin genauso wie die Migrantin. Das geht quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und Berufe. Wir haben die Zahl schon gehört: 40 Prozent der Frauen und Mädchen machen im Laufe ihres Lebens Gewalterfahrungen. Das ist eine gigantische Größenordnung und macht den Handlungsbedarf im Hinblick auf einen umfangreichen Schutz der von Gewalt betroffenen Mädchen und Frauen deutlich.

Die Bundesregierung rechnet im Zusammenhang mit der Einführung des bundesweiten Hilfetelefons mit 700 Anrufen täglich. Das sind ich habe es ausgerechnet; ich könnte das jetzt nicht so schnell im Kopf 255 500 Anrufe jährlich.
Wir sollten uns immer wieder deutlich machen, was für ein wichtiger Schritt es ist, wenn eine Betroffene tatsächlich zum Telefon greift und sagt: Ich brauche Hilfe.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Sie muss dann auch schnell Hilfe vor Ort bekommen. Der bundesweite Notruf kann dafür natürlich nur der erste Anstoß sein. Das Ausmaß der erwarteten Anrufe macht schon deutlich, dass die personelle und finanzielle Ausstattung der bestehenden Schutzeinrichtungen und die Zahl der Plätze bei weitem noch nicht ausreichen.

In Schleswig-Holstein werden zurzeit aufgrund von Kürzungen und Kahlschlägen Frauenhäuser und Beratungseinrichtungen plattgemacht. Ich möchte auch hier deutlich sagen: Ich finde es zwar gut, dass die Bundesregierung die Vorgabe, die wir von der EU bekommen haben, jetzt umsetzt, aber in Schleswig-Holstein und in anderen Bundesländern müssen Frauenhäuser und Beratungsstellen schließen. Das Frauenhaus in Wedel zum Beispiel, obwohl immer voll ausgelastet, steht vor dem Aus. Auch der Mädchentreff in Husum, an den sich betroffene Mädchen wenden konnten und wo sie bisher immer Hilfe bekommen haben, steht vor dem Aus und kann sich nur noch über Spenden aufrechterhalten. In anderen Ländern sieht es ähnlich aus.

Ich finde, das darf nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch einmal zurück zum Hilfetelefon. Ich möchte noch ein wichtiges Anliegen der örtlichen Beratungsstellen und Nottelefone anbringen, das bei der Umsetzung des Gesetzes unbedingt beachtet werden muss. Sie planen zwar einen jährlichen Sachstandsbericht, aber die erste umfassende Evaluation soll erst nach fünf Jahren erfolgen. Ich finde, das ist viel zu spät.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bei Fragen an das Ministerium – nicht wahr Herr Dr. Kues - hören wir immer wieder: Das haben wir noch nicht geprüft, da haben wir noch keine Ergebnisse, dazu können wir noch nichts sagen. Ich finde, wir sollten in dieser Sache weder Herrn Dr. Kues noch uns solche Bandschleifen weiter zumuten. Die Evaluation muss von Anfang an erfolgen.
Der noch nicht erstellte Bericht zur Lage der Frauen- und Kinderschutzhäuser ist schon genannt worden. Ich finde, zwei Jahre nachdem die Vorlage dieses Berichts im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, wird es tatsächlich einmal Zeit dafür.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine Evaluierung erst nach fünf Jahren ist aber auch fachlich völlig unlogisch. Projekte dieser Art, die ja völlig sinnig und richtig sind, müssen im Verlauf, im ständigen Prozess evaluiert werden, und zwar gemeinsam mit den Akteurinnen vor Ort. Damit, wie Sie gesagt haben, Frau Winkelmeier-Becker, Transparenz hinsichtlich der Frage hergestellt wird, wo weiterer Bedarf besteht. Denn durch die vorliegenden Zahlen wird deutlich: Es wird weiteren Bedarf geben.

Ich fordere Sie also ausdrücklich auf: Machen Sie aus dieser guten Idee eines zentralen Hilfetelefons auch tatsächlich eine richtig gute Sache. Sorgen Sie dafür, dass es für die vielen Schutzbedürftigen dann auch wirklich Schutz und Unterstützung geben wird. Wir sind dabei an Ihrer Seite.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)