Zum Hauptinhalt springen

Dieser Haushalt ist nicht krisenfest

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Rede in der Schlussrunde der Beratung des Bundeshaushaltes 2012 am 25.11.2012

Ist dieser Haushalt ein wirksamer Schutz für die Menschen vor der Finanzkrise, die bereits große Teile Europas erfasst hat?

Diese Frage wurde in der Debatte dieser Woche noch nicht beantwortet.


Die Finanzkrise wird immer dramatischer .
Immer mehr EU-Länder haben große Schwierigkeiten, sich über die Finanzmärkte zu finanzieren. Die Zinsen steigen in astronomische Höhen. Griechenland ist unter der Zinslast schon fast zusammengebrochen.
Doch es geht nicht mehr allein um das kleine Griechenland, sondern jetzt geht es um große Volkswirtschaften wie Frankreich, Italien und Spanien.
Sie alle sind Opfer einer falschen ökonomischen Analyse und einer daraus resultierenden falschen Politik!
Vorgegeben wurde falsche Analyse und falsche Politik durch diese Bundesregierung.
Sie tragen die Hauptverantwortung für die dramatische Verschärfung der Finanzkrise in Europa!
Ihr erster Fehler besteht in der falschen Analyse.
Die Bundesregierung meint, dass wir es nicht mehr mit einer Finanz- und Bankenkrise, sondern mit einer Staatsschuldenkrise zu tun haben. Insbesondere die Vertreter der Banken lieben diese lächerliche These. Das ist verständlich, hoffen sie doch, dass sie in der Öffentlichkeit nicht mehr als Täter, sondern als Opfer der Finanzkrise wahrgenommen werden.
Die These ist auch deshalb lächerlich, weil wir in den letzten Tagen hören, dass der zweitgrößten Bank in Deutschland, der Commerzbank, 5 Mrd. Euro fehlen, um den nächsten Stresstest zu bestehen.
Wieder sollen die Steuerzahler die Commerzbank retten.
Ich frage Sie, Herr Schäuble, wie oft sollen wir denn noch die Commerzbank retten?
Was ist denn aus der Forderung der Kanzlerin geworden, dass keine Bank mehr so groß sein darf, dass die Steuerzahler sie zwangsweise retten müssen? Nichts ist passiert!

Dass die These von der Staatsschuldenkrise falsch ist, können wir in Spanien sehen. Dieses Land befindet sich in einer schweren Finanzkrise, obwohl Spanien in den letzten Jahren den Stabilitätspakt besser eingehalten hat als Deutschland und sogar Haushaltsüberschüsse vorweisen konnte.
Trotzdem ist Spanien in der Krise. Wie erklären Sie sich das, Herr Schäuble?
Aus der falschen Analyse leitet die Bundesregierung eine falsche Politik ab. Sie fordert von den Krisenländern harte Einschnitte in den öffentlichen Haushalten und Privatisierung öffentlichen Eigentums.
Wir sehen doch, dass dieser Kürzungszwang Griechenland ins Chaos führt. Kürzungspakete wirken wie Katalysatoren und verschärfen die Finanzkrise.
Regierungen kommen und gehen, doch die falsche Politik wird unter dem Druck der Bundesregierung in den Krisenländer stur fortgesetzt. Die Menschen verzweifeln an der Demokratie, weil sie sehen, dass die neuen Regierungen die alte Politik noch brutaler weiterführen. Damit wird dem Rechtsextremismus in Europa Tür und Tor geöffnet.
Das dürfen wir nicht zulassen!
Die Finanzkrise mit harten Kürzungspaketen bekämpfen zu wollen, ist ökonomischer Unsinn.
Was die Kanzlerin Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien verordnet hat, ist das reine Gift für diese Länder.
Die soziale und ökonomische Situation wird in all diesen Ländern immer schlechter.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass es auch Deutschland trifft. Auch wenn wir jetzt noch von der Krise der anderen EU-Länder profitieren, werden wir sehr bald unsere Produkte nicht mehr in diese Krisenländer exportieren können. Denn wenn um uns herum alle Pleite sind, dann kann auch keiner mehr unsere Produkte kaufen.
Das ist doch eigentlich nicht so schwer zu verstehen!
Deutschland ist aber auf den Export in die EU-Länder dringend angewiesen. Ein drastischer Rückgang der Exporte würde uns noch härter Treffen als im Jahre 2008.
Damals haben uns die Konjunkturprogramme der Chinesen, der USA und unsere eigenen Programme vor dem Crash bewahrt.
Wenn jetzt die 2. Welle der Finanzkrise über uns hereinbricht, dann wird es vergleichbare Programme in diesem Umfang nicht geben. Da werden uns auch Überbrückungsmaßnahmen wie das Kurzarbeitergeld nicht wieder helfen. Deshalb muss jetzt entschlossen und schnell gehandelt werden. Doch diese Regierung ist nicht in der Lage, schnell und entschlossen zu handeln.

Herr Schäuble wurde von der SPD und den Grünen heftig kritisiert, dass er in diesem Haushalt nicht ordentlich gekürzt hätte. Diese Kritik ist nur zum Teil berechtigt. Dass Deutschland nicht so hart von der Krise betroffen ist, wie andere Euro-Länder liegt doch daran, dass wir den Ratschlägen, die wir Griechenland, Spanien und den anderen Krisenländern geben haben, für uns selbst nicht anwenden.
Es gibt nur eine Ausnahme: Die Kürzungen von 4,7 Mrd. Euro im Bereich Arbeit und Soziales sind verhängnisvoll. Sie sind auch nicht mit der abnehmenden Arbeitslosigkeit zu begründen. So schnell, wie Sie die arbeitsmarktpolitischen Instrumente zusammenstreichen, kann sich der Arbeitsmarkt gar nicht erholen. Sie treffen damit insbesondere die vielen Langzeitarbeitslosen. Sie streichen ihnen die Qualifizierungsmaßnahmen. Sie versperren ihnen den Weg auf den 1. Arbeitsmarkt. Das ist verantwortungslos.
Herr Finanzminister, dass Sie dürfen sich nicht länger weigern, Vermögens- und Gewinnsteuern zu erhöhen. Das wäre zumindest ein Baustein, um die Verschuldung abzubauen.
Doch wir brauchen wirksamere Maßnahmen.
Der Euro-Rettungsschirm ist völlig wirkungslos, weil Sie es nicht schaffen, ihn nicht aufzuspannen.
Es gibt keine Finanzinvestoren, die bereit sind, den Rettungsschirm auf 2 Billionen Euro aufzustocken.
Warum sollten sie das auch tun?
Nein, wir brauchen jetzt die Solidarität in Europa. Wir können den Euro nur retten, wenn es eine gemeinsame solidarische Anstrengung gibt.
In Deutschland besitzen 10 Prozent der privaten Haushalte 60 Prozent des Vermögens. In den anderen EU-Ländern gibt es eine ähnliche Vermögenskonzentration.
Das verwaltete Vermögen in Europa betrug im Jahr 2010 27,1 Billionen Euro. Die benötigten zwei Billionen für den Rettungsschirm wären also nur etwas mehr als 7 % dieses Vermögens!
Die muss man den Vermögenden gar nicht wegnehmen. Sie müssen dieses Geld nur dem Rettungsschirm zur Verfügung stellen. Selbst bei einem unwahrscheinlichen Totalverlust hätten sie dann 7% ihres Vermögens verloren. Das halte ich für vertretbar und zumutbar. Die Vermögensverluste die unschuldige Griechen, Iren und Spanier erleiden, liegen schon jetzt bei bis zu 100%!
Über eine Zwangsanleihe könnten, ohne riskante Finanztricks, die zwei Billionen Euro sehr schnell zusammenkommen. Diese Vollkaskoversicherung hat nur Vorteile: Sie stabilisiert sofort den Euro, zieht vagabundierendes Geld, das riskante Anlagen sucht, aus dem Markt und wäre gleichzeitig ein Beitrag zu einer gerechteren Verteilung in Europa.
Das Geld ist da! Wir müssen nicht die Geldpresse anwerfen. Wir brauchen keine weiteren Kürzungspakete. Wir brauchen europäische Solidarität.
Die Politik der Bundesregierung setzt aber weiter auf nationalen Egoismus. Wie der Kapitän der Titanic rufen Sie: Rette sich wer kann! Dass führt nur dazu, dass letztendlich keiner gerettet wird.
Abschließend kann ich feststellen: Dieser Haushalt ist nicht krisenfest. Diesen Haushalt muss man ablehnen, wenn man die Menschen vor der 2. Welle der Finanzkrise schützen will.