Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 16. September wurde die iranische Kurdin Jina Mahsa Amini im Polizeigewahrsam getötet. Die Sittenpolizei hatte sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen. Sie starb fünf Tage vor ihrem 23. Geburtstag. Ihr Tod wurde zum Fanal und zum Ausgangspunkt einer landesweiten Protestbewegung im Iran.
Seit drei Monaten halten die Massenproteste und Streiks gegen die Unterdrückung durch das Mullah-Regime an – eine Revolution, bei der Frauen Vorreiterinnen sind. Ihr Ruf nach einem Leben in Würde und Freiheit hat verschiedene Teile der iranischen Gesellschaft vereint. Mit einem dreitägigen Generalstreik in der vergangenen Woche erreichte die Protestbewegung eine neue Dimension. Lkw-Fahrer, Beschäftigte in Fabriken, in der Ölindustrie streikten. Was im Iran gerade passiert ist, ist historisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Unsere Solidarität gilt den Protestierenden. Wir unterstützen ihren Kampf für einen demokratischen und sozialen Iran, und wir haben Hochachtung vor ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn das Regime reagiert mit äußerster Brutalität. Fast 500 Demonstrierende sollen getötet worden sein und fast 18 000 festgenommen, darunter Kinder und Jugendliche. Die Gefangenen berichten von Folter und Vergewaltigung. Besonders gefährlich ist die Situation für die Menschen in Kurdistan und Belutschistan, die seit Jahrzehnten drangsaliert und marginalisiert werden. Die Regierung versucht, die Menschen mit Todesurteilen und Hinrichtungen einzuschüchtern und zum Aufgeben zu bewegen. Mohsen Shekari und Madschidresa Rahnaward wurden in eilig durchgeführten Scheinprozessen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Beide waren 23 Jahre alt. Ihr Verbrechen: Teilnahme an Protesten. Vielen anderen Verhafteten droht ebenfalls die Todesstrafe.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Regime solche Methoden der Abschreckung einsetzt, um Widerstand zu unterdrücken. Allein im Sommer 1988 wurden Tausende politische Gefangene in dreiminütigen Gerichtsverhandlungen zum Tode verurteilt und in Massengräbern wie Khavaran bei Teheran verscharrt. Und der heutige Präsident Raisi war schon damals an den Morden beteiligt. Aber die Menschen lassen sich nicht einschüchtern. Sie protestieren weiter, trotz alledem. Einige Abgeordnete hier aus dem Deutschen Bundestag haben ja politische Patenschaften für zum Tode verurteilte Menschen übernommen, um Solidarität zu zeigen mit den Verurteilten. Wir haben es gerade gehört: Es gibt eine Fraktion, die aufseiten der Mullahs steht, und das ist die AfD. Das haben Sie hier deutlich gemacht. Es ist ja auch interessant, das zu hören.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: So ein Blödsinn!)
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler darf nicht weiter schweigen. Die Bundesregierung muss alle diplomatischen Mittel einsetzen, um den Druck auf das Regime zu erhöhen und weitere Hinrichtungen zu verhindern. Die humanitäre Visa- und Passvergabe muss erleichtert werden. Und natürlich muss es einen dauerhaften Abschiebestopp betreffend den Iran geben.
(Beifall bei der LINKEN)
Nicht nur im Iran leben iranische Oppositionelle in Angst. Auch in Deutschland werden Exiliranerinnen vom Regime bespitzelt, eingeschüchtert und drangsaliert. Erinnern wir uns an das „Mykonos“-Attentat 1992, bei dem iranisch-kurdische Oppositionelle in Berlin durch das iranische Regime grausam ermordet wurden. Das Wirken des iranischen Geheimdienstes in Deutschland muss endlich entschieden bekämpft werden, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundesregierung muss Mittel bereitstellen, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, damit Täter auch zur Verantwortung gezogen werden können.
Meine Damen und Herren, die Protestierenden im Iran schreiben Geschichte. Eine Aktivistin sagt: „Nein, die Menschen wollen keine Reformen. Die eindeutige und zentrale Forderung ist der Sturz der islamischen Republik. Es hat sich etwas im Kern der Gesellschaft grundlegend verändert. Es ist ein Punkt erreicht, an dem es trotz der Repressionen kein Zurück mehr gibt.“ Und ich will den Protestierenden sagen: Die Welt schaut auf euch, die Welt schaut auf eure Revolution! Nach Pablo Neruda: „Sie können wohl alle Blumen abschneiden, aber sie können den Frühling nicht verhindern.“
(Beifall bei der LINKEN)
Nie wieder Khavaran! Jin, Jiyan, Azadi – Frau, Leben, Freiheit!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)