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Die Mutter aller Probleme ist soziale Spaltung, nicht die Migration!

Rede von Janine Wissler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Grenzkontrollen an allen Außengrenzen, Inhaftierung von Geflüchteten, Abschiebungen im großen Stil, sogar nach Afghanistan: Der feuchte Traum eines jeden AfDlers ist zu Regierungshandeln geworden.

(Beifall des Abg. Dr. Christian Wirth [AfD])

Anfang des Jahres war man noch schockiert darüber, dass die AfD Menschen vertreiben wollte. Heute erklären fast alle Parteien mehr Abschiebungen zur zentralen Losung. Während Menschen im Mittelmeer ertrinken, redet man über Abschreckung. Statt Haltung zu zeigen, stimmen Sie alle in die rechte Erzählung vom angeblichen Kontrollverlust ein. Man will der AfD das Wasser abgraben, indem man ihre Forderungen übernimmt. Damit schwächt man sie nicht. Das ermutigt Menschenfeinde doch,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was für ein Blödsinn!)

und das rechte Geplärre wird doch nur noch lauter; das hören Sie doch.

Frau Faeser, das merken Sie doch selbst: Sie wollen Härte zeigen. Sie schieben erstmals wieder nach Afghanistan ab. Und Sie bekommen trotzdem einen Shitstorm von rechts, weil es denen nie reichen wird, was Sie tun – nie!

(Beifall bei der Linken – Hannes Gnauck [AfD]: Na ja, wir haben ja noch 28!)

Wie hart Sie auch vorgehen: Diesen Wettbewerb der Schäbigkeit, den werden Sie nicht gewinnen,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie auch nicht! – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

weil immer ein Merz kommt oder – noch schlimmer – ein Höcke, der noch eine Schippe drauflegen will und dem noch eine Grausamkeit einfällt. Das vergiftet das gesellschaftliche Klima, das schafft den Nährboden für Autoritarismus und für Faschismus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Merz fordert einen Aufnahmestopp für Syrer. Aber was kann denn die Jesidin, die vor dem IS-Terror floh, für die Gewalttat eines Mannes mit gleicher Staatsbürgerschaft? Wenn ich Friedrich Merz für sein Geschwätz kritisiere, nehme ich doch auch nicht alle Sauerländer dafür in Haftung, was der Mann sagt.

(Beifall bei der Linken)

Diese Symbolpolitik löst doch kein einziges Problem. Ob Wohnraummangel oder Inflation, Klimawandel, Altersarmut oder Gesundheitssystem: Nein, nicht die Migration ist die Mutter aller Probleme, sondern die ungerechte Verteilung und die soziale Spaltung. Die Menschen stehen doch nicht Schlange beim Arzt wegen der Flüchtlinge, sondern wegen der Zweiklassenmedizin und weil es einen Fachkräftemangel gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Nein, das gestatte ich nicht.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Es gibt auch Grenzen!)

Verbessern Sie die Lebensverhältnisse aller, statt Sündenbockdebatten zu führen! Wir brauchen eine Investitionswende, die allen ein gutes und ein sicheres Leben ermöglicht.

(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Natürlich müssen wir in einer Einwanderungsgesellschaft über Migration sprechen – aber ohne zu entmenschlichen, ohne Rassismus zu befeuern und ohne Migranten zum Sicherheitsrisiko zu erklären. Diskutieren wir: Wie können wir Zugänge zum Arbeitsmarkt erleichtern, Kommunen besser ausstatten? Wie können wir endlich Fluchtursachen bekämpfen, statt immer neue zu schaffen? Die Grenzkontrollen werden doch nicht nur gigantische Staus im Grenzverkehr auslösen, sondern auch Reaktionen in den Nachbarländern. Wir zwingen die Menschen doch über die grünen Grenzen, und die Schlepper reiben sich die Hände.

Deshalb – Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss –: Hören Sie auf mit diesem AfD-Lookalike-Contest, mit immer schrilleren und grausameren Forderungen! Wenn die Ampel rechte Forderungen umsetzt, verstärkt sie den rechten Zeitgeist, und das ist eine Bankrotterklärung für SPD und Grüne.

Ich sage Ihnen: Man sollte niemals versuchen, das Stinktier zu überstinken, wie es Union und Ampel gerade tun. Das Stinktier, das sitzt da rechts außen,

(Stephan Brandner [AfD]: Na, na, na!)

und um das sollte man einen großen Bogen machen. Wir als Linke werden diesen Rechtsruck nicht mitmachen.

(Stephan Brandner [AfD]: Das sagten Sie vorhin schon, Frau Wissler!)

Wir verteidigen das Recht auf Asyl, und wir verteidigen die Menschenrechte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken – Beatrix von Storch [AfD]: Was seid ihr denn für ein Stinktierhaufen da drüben? Es stinkt hier wirklich fürchterlich! – Stephan Brandner [AfD]: Das war ein bisschen unparlamentarisch, oder nicht? – Dr. Alice Weidel [AfD]: Sehr unparlamentarisch!)