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Die Bundesregierung nimmt Altersarmut billigend in Kauf

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Rede zum Einzelplan Arbeit und Soziales in der Schlussberatung des Bundeshaushaltes 2015

Ab 1. Januar 2015 ist Hartz IV 10 Jahre in Kraft. Der anerkannte Armutsforscher Christoph Butterwegge zieht den Schluss, dass „es sich bei Hartz IV um ein zutiefst inhumanes System … handelt, das Menschen entrechtet, erniedrigt und entmündigt. Sowohl die von Hartz IV unmittelbar Betroffenen wie auch ihre Angehörigen und die mit ihnen in einer "Bedarfsgemeinschaft" zusammenlebenden Personen werden stigmatisiert, sozial ausgegrenzt und isoliert.“

Ob Ihnen das gefällt oder nicht, Sie müssen doch zugeben, dass es keine gesellschaftliche Gruppe in unserem Land gibt, die so intensiv überwacht, kontrolliert und sanktioniert wird, wie die Bezieher von Hartz IV. Diese Politik der 0-Toleranz gegen Arbeitslose muss endlich beendet werden!

Die evangelische Akademie Berlin  lädt im Januar zu einer interessanten Veranstaltung ein. Der Titel lautet: „Doppelte Standards in der Unternehmensführung – ist Heuchelei vermeidbar?“

Ersetzen Sie einfach das Wort „Unternehmensführung“ durch „Politik“. Dann hieße es: Doppelte Standards in der Politik – ist Heuchelei vermeidbar?

Ich will nur ein Beispiel für doppelte Standards in der Politik benennen: Daimler Benz und die Deutsche Telekom waren nicht in der Lage vertragsgemäß die Lkw-Maut einzuführen.  So fehlen uns  6 Mrd. Euro in der Kasse. Bis heute sind diese Schulden noch nicht beglichen.

Trotzdem ist diese Bundesregierung der Meinung, dass der neue milliardenschwere Maut-Vertrag nicht ausgeschrieben wird, sondern diese beiden Unternehmen den Mautbetrieb fortführen sollen. Können Sie sich solche Standards beim Jobcenter vorstellen? Nein, natürlich nicht. Wer dort einen Termin verpasst, muss sofort mit Sanktionen rechnen. Daimler und Telekom schulden uns 6 Mrd. Euro und werden mit einem neuen Vertrag belohnt. Die Menschen müssen  doch den Eindruck bekommen, dass diese Regierung die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt. Das ist nicht in Ordnung.

10 Jahre, nachdem Hartz IV eingeführt wurde, und wir den größten Niedriglohnsektor Europas haben, gilt ab 1. Januar 2015 endlich ein Mindestlohn in Deutschland. Ich sage absichtlich nicht, dass ab 1. Januar Mindestlohn gezahlt wird. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, den Mindestlohn zu umgehen. Um das zu verhindern, brauchen wir mehr Kontrollen. Doch dafür hat die Bundesregierung unzureichend gesorgt. 600 Planstellen sind bei der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“, die auch für die Überwachung des Mindestlohns zuständig ist, unbesetzt. Das sind fast 10 Prozent aller Planstellen. Erst 2017 soll sich die Personalausstattung verbessern. Bis dahin sollen in Ausbildung befindliche Nachwuchskräfte aushelfen. Der Bundesrechnungshof meint: „Der Nachweis der Mindestlohnunterschreitung bei der Auftragsvergabe an (scheinselbständige) Subunternehmer gestaltet sich zunehmend schwieriger. Um hier erfolgreich kontrollieren zu können, bedarf es eingehender Kenntnisse der erforderlichen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen.“ Ob diese Nachwuchskräfte diese „eingehenden Kenntnisse“ haben, muss man wohl bezweifeln. Die Konsequenz ist, dass viele Niedriglöhner noch lange auf ihren Mindestlohn warten müssen.  Ist die unzureichende Kontrolle nur ein Ausdruck von mangelnden handwerklichen Fähigkeiten oder ist es Geschenk an die Arbeitgeber, die keinen Mindestlohn zahlen wollen?

Ich will noch etwas zur wachsenden Altersarmut sagen. Das statistische Bundesamt teilt mit, dass Armut immer mehr ältere Menschen in Deutschland trifft. Fast jeder siebte Ältere war 2013 im Westen ist  von Armut bedroht. Im Osten  (einschließlich Berlin) gilt zwar „nur“ jeder achte Rentner als armutsgefährdet, dafür ist das Armutsrisiko der Gesamtbevölkerung höher als im Westen. Jeder Fünfte lebt an der Armutsschwelle. Die Aussichten werden nicht besser. Im Gegenteil, heute gehen Menschen in Rente, die nach der Wiedervereinigung ihre Arbeit verloren hatten und sich von einer Arbeitsbeschaffungsmaßname zur anderen hangeln mussten.

Wer geglaubt hatte, dass die SPD-Ministerin Nahles mit ihren Rentenreformen die Altersarmut in Deutschland stoppen könnte, sieht sich getäuscht. Die Rente mit 63 und die Mütterrente werden an der zunehmenden Altersarmut nichts ändern. Schon jetzt können immer mehr Menschen von ihrer Rente nicht mehr leben. Immer mehr Menschen müssen Grundsicherung beantragen. Dabei sind viel mehr Frauen betroffen als Männer. Traurige Spitzenreiter bei der Grundsicherung  sind Hamburg, Bremen und Berlin. Dass Hamburg - die Stadt der Millionäre – gleichzeitig viele Empfänger von Grundsicherung hat,  sagt viel über unsere Gesellschaft aus. Da, wo es Reichtum gibt, da gibt es auch Armut. Altersarmut können wir nur beseitigen, wenn wir den Reichtum begrenzen.  CDU/CSU und SPD lehnen kategorisch die Erhöhung der Steuern für diese Super-Reichen ab und nehmen damit Altersarmut billigend in Kauf.

Das werden wir niemals akzeptieren.