Rede von Petra Pau in der Debatte zum Bericht über BND-Mitarbeiter vor und während des Irak-Krieges.
"- Die LINKE im Bundestag will einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Nicht zur Selbstbeschäftigung, auch nicht zum parlamentarischen Schatten-Boxen. Wir sind der Meinung: Die erhobenen Vorwürfe - etwa, dass der BND im Irak-Krieg kriegswichtige Informationen an die USA gegeben habe - dieser und noch weitere Vorwürfe müssen öffentlich nachvollziehbar aufgeklärt werden. Zur Erinnerung: Am 21. Juni 2005 hatte das Bundesverwaltungsgericht ein bemerkenswertes Urteil gefällt. Es hat bekräftigt, dass der Krieg im Irak ein völkerrechtswidriger Krieg ist. Es hat festgestellt, dass Deutschland an ihm indirekt beteiligt ist. Und es hat klar gestellt: „Eine Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Delikt ist selbst ein völkerrechtswidriges Delikt". Der Bundestag und die Bundesregierung gingen damals mit bemerkenswerter Verschwiegenheit zur Tagesordnung über. Dabei war das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes eine schlimme Anklage. Damals wurde die „Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen“ Krieg mit der Gewährung von deutschen Überflugsrechten für US-Kampftruppen oder mit dem besonderen Schutz US-amerikanischer Militär-Stützpunkte auf deutschem Boden durch die Bundeswehr begründet. Inzwischen gibt es weitere Vorwürfe, die einer Klärung bedürfen. Was wusste die Bundesregierung von den so genannten CIA-Folterflügen? Was wusste sie von geheimen CIA-Lagern in Europa. Und vor allem: Was hat die Bundesregierung dagegen unternommen? Hinzu kommt der Vorwurf, dass Sicherheitsdienste der Bundesrepublik Deutschland Gefangene vernommen haben, die - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vordem gefoltert wurden. Und aktuell ist zu klären, wie, auf welcher Grundlage und mit welchem Ziel der BND im Irak mit der Kriegspartei USA zusammengearbeitet hat. Und welchen Part spielte bei alledem die Bundesregierung. Um es auf den Punkt zu bringen: Es geht nicht mehr nur um „Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen Krieg“, wie es noch vom Bundesverwaltungsgericht im „Pfaff-Urteil“ festgestellt wurde. Der Vorwurf, der nun im Raum steht, lautet: Teilhabe an einem völkerrechtswidrigen Krieg. Das ist eine neue Qualität. Das wiederum ist ein so weit reichender Vorwurf, dass mir unklar ist, warum sich die SPD gegen einen Untersuchungsausschuss sperrt. Gerade sie müsste doch ein Riesen-Interesse daran haben, den Vorwurf aus der Welt zu schaffen. Ich erinnere mich noch gut an die Großflächen, mit denen die SPD ihren Bundestags-Wahlkampf 2005 geführt hat: „Friedensmacht“ Ich hielt sie schon damals für höchst unglaubwürdig. Aber ich sage Ihnen auch, teure Genossinnen und Genossen der SPD-Fraktion: Ich wäre hoch erfreut, wenn sich alle Vorwürfe begründet und nachvollziehbar widerlegen ließen. Denn ich will nicht, dass Deutschland ein Kriegsland ist.
- Die CDU/CSU lehnt den Untersuchungsausschuss als „überflüssig“ ab. Einige ihrer Worte fielen mit Blick auf die drei Oppositionsfraktionen auch drastischer als „überflüssig“ aus. Geschenkt! Unverschämter fand ich ohnehin, was der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Kauder, am Montag via ZDF den interes-sierten Bürgerinnen und Bürgern als Nachricht zugemutet hat. Alles, so sagte Herr Kauder, sei im zuständigen Kontroll-Gremium besprochen worden. Und Zweidrittel der Vertreter im Kontroll-Gremium waren mit dem Gehörten sehr einverstanden. Also brauche man keinen weiteren Ausschuss. So veralbert man die Bürgerinnen und Bürger, die ein Recht auf Klärung haben. Zumal ihnen täglich eingebläut wird, sie seien Deutschland. Sie hätten wenigstens dazu sagen müssen: Das Kontrollgremium ist ein Geheim-Klub, in dem die Vertreter der Fraktionen sich was anhören, was sie anschließend verschwiegen mit ins Grab nehmen dürfen - mehr nicht. Und Sie hätten Ihre Rechnung auch ehrlicher vortragen können. Denn die Zweidrittel, von denen Herr Kauder sprach, waren die Vertreter der SPD und der CDU/CSU, also lediglich aus zwei Fraktionen. Die Vertreter aus drei Fraktionen aber waren mitnichten zufrieden mit dem, was ihnen dort erzählt wurde. Auch deshalb ist die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschuss nur folgerichtig. Und weil ich gerade beim Abwiegeln der CDU/CSU bin: Ich kann das aus Unions-Sicht sogar nachvollziehen. Schließlich haben sie eine andere Meinung zum Krieg der USA im Irak, als die PDS und die Linksfraktion. Ihr Kollege Pflüger hat sich mehrfach als Kriegs-Befürworter engagiert, selbst wenn die Kriege völkerrechtswidrig sind. Folglich ist eine deutsche Beteiligung am Krieg im Irak für ihn auch kein Skandal, sondern eher ein Liebesdienst an die USA, den man würdigen sollte. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch daran: Kurz bevor die USA in den Irak einfiel, demonstrierten allein hier in Berlin 500.000 Friedensbewegte gegen den drohenden Krieg. Weltweit waren es Zig-Millionen. Danach ereiferte sich Friedbert Pflüger öffentlich. Es sei eine „Schande“ für Deutschland, sagte er, dass auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bei dieser Friedens-Manifestation dabei war. Ich könnte zum Beleg auch andere Kollegen der CDU/CSU aufrufen. Aber der Kollege Pflüger will ja demnächst als Spitzenkandidat der Berliner CDU in den Landtags-Wahlkampf ziehen. Ich finde, die Hauptstadt hat wirklich Besseres verdient.
- Der parlamentarische Untersuchungsausschuss, den wir fordern, folgt übrigens noch einer anderen Logik. Im letzten Bundestag waren wir für die PDS zu zweit vertreten: Gesine Lötzsch und ich. Wir hatten nur mindere parlamentarische Rechte, aber die wenigen haben wir bestmöglich ausgeschöpft. So haben wir immer wieder Fragen zu Guantanamo, Menschenrechts-verletzungen im Krieg in Afghanistan und zur deutschen Beteiligung am „Irak-Krieg“ gestellt. Nach allem, was bislang bekannt ist, wurden wir in den Antworten der Bundesregierung immer wieder getäuscht. Damit stellt sich allerdings die grundsätzliche Frage nach der Rolle des Bundestages überhaupt. Man kann nicht die Bürgerinnen und Bürger zur Wahl rufen, ihnen einreden, sie seien der Souverän, und ihren gewählten Vertreterinnen und Vertretern hernach bedeuten, sie seien eigentlich Nix. Deshalb appelliere ich an alle Mitglieder des Bundestages, egal ob sie der Unions-Fraktion angehören oder den Grünen: Im Scheinwerfer stehen zugleich die Würde des Bundestages und das Selbstwertgefühl der Abgeordneten. Viele Umfragen belegen: Das Zutrauen in die Politik, in die Parlamente, in die Demokratie sinkt und sinkt und sinkt. Dagegen könnten wir mit mehr Transparenz ein Zeichen setzen. Also lassen sie es uns endlich tun!
- Mein letzter Appell geht an Bündnis 90/Die Grünen. Die Medien melden und die Bürgerinnen und Bürger nehmen zur Kenntnis: Ein Untersuchungsausschuss kann einberufen werden, wenn die drei Oppositions-Fraktionen das gemeinsam wollen. Und seit gestern melden die Medien und die Bürgerinnen und Bürger nehmen zur Kenntnis: Die drei Oppositions-Fraktionen wollen es womöglich nicht, weil es Unstimmigkeiten zwischen der FDP und den Grünen gäbe. Nun gibt es in der tat keine Koalition in der Opposition. Aber es geht hier nicht um Allgemeinplätze und es geht auch nicht um parteipolitische Profilierung in eigener Sache. Jedenfalls nicht nach Auffassung der Links-Fraktion. Wir wollen keine Kriege, schon gar keine völkerrechtswidrigen. Wir wollen, dass Menschenrechte universell gelten, auch in Guantanamo. Und wir wollen, dass die EU demokratisch gestaltet und nicht durch die CIA unterwandert wird. Dass, so fand ich bisher, sind auch Ur-Grüne Werte. Umso mehr sollten wir ein gemeinsames Interesse daran haben, Zweifel auszuräumen und Miss-Ständen zu wehren. Dabei geht es allerdings um mehr, als um die Frage, ob zwei BND-Mitarbeiter im Irak „aus dem Ufer gelaufen“ seien. Das EU-Parlament hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Er stellt die Fragen grundsätzlicher. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages sollte sich dagegen nicht im kleinlichen Klein-Klein blamieren.
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