Zum Hauptinhalt springen

Die Buchhalter haben über unsere Zukunft gesiegt

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Schlussrunde in der Debatte um den Bundeshaushalt 2014

- Es gilt das gesprochene Wort! -

 

Union und SPD haben mit ihrem Koalitionsvertrag einen folgenschweren Beschluss gefasst: Sie haben die Steuerungerechtigkeit in unserem Land festgeschrieben.

Das ist eine fatale Entscheidung!

Steuern für Vermögende und Besserverdienende dürfen laut Koalitionsvertrag nicht erhöht werden. Daher sind die finanziellen Spielräume des Finanzministers sehr begrenzt.

Um dennoch einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, lagert Minister Schäuble seine Finanzprobleme einfach aus.

Auslagern löst aber kein einziges Problem wirklich!

Sie belasten die Rentenkasse und die Krankenkassen, damit Ihre Bilanz gut aussieht.

Das Design bestimmt das Bewusstsein. Das ist ein gefährlicher Trend.

Der Finanzminister hat seine gesamte Strategie auf die „Schwarze Null" verengt. Die „Schwarze Null" ist eine gefährliche Obsession. Ja, wir müssen Schulden abbauen. Aber wir müssen aber auch in die Zukunft investieren. Diese Binsenweisheit hat der Finanzminister einfach mal dem schönen Design geopfert.

Herr Schäuble, Sie sagten in Ihrer Rede am Dienstag: "Entscheidend sind dabei nicht die öffentlichen, sondern die privaten Investitionen."

Mit dieser Auffassung sind Sie in der Minderheit. Es gibt eine Koalition, die größer ist als die 80%-Koalition hier in diesem Haus. Sie besteht aus Industrieverbänden, Vertretern der Wissenschaft, der Gewerkschaften und Ministerpräsidenten europäischer Staaten. Sie kommen alle zu dem gleichen Schluss: Deutschland braucht mehr öffentliche Investitionen.

Dieser Haushalt 2014 ist ein Sieg der Buchhalter über unsere Zukunft. Das ist ein Pyrrhussieg!

Wir haben ein demographisches Infrastrukturproblem. Brücken sind einsturzgefährdet, weil zu wenig investiert wird. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat festgestellt, dass die unzureichenden Investitionen in Straßen, Brücken, Schienen- und Wasserwege zu einem Substanzverlust von 35 Mrd. Euro in den letzten 10 Jahren geführt hat (2003 – 2013).

Die fehlenden öffentlichen Investitionen sind ja nicht nur ein deutsches, sondern auch ein europäisches Problem.

Frankreich und Italien wollen mehr investieren, um die Krise zu bewältigen. Dazu müssten die Regeln des sogenannten Stabilitätspakts geändert werden.

Ich sage sogenannten Stabilitätspakt, weil der Pakt seit seiner Existenz uns keine Stabilität gebracht hat. Der Stabilitätspakt ist in Wirklichkeit ein Stagnationspakt.

Der Bundesfinanzminister ist immer noch der Meinung, dass der Versuch, die Kriterien des sogenannten Stabilitätspaktes einzuhalten, dazu beigetragen habe, dass es den Krisenländern heute wirtschaftlich besser ginge.

Das ist schon eine erstaunliche Ansicht, die mit der Realität wenig zu tun hat.

Ich würde gern wissen, wie griechische oder spanische Jugendliche auf eine solche Äußerung reagieren.

Am 11. Juli sollte ein EU-Gipfel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit stattfinden. Dieser Gipfel wurde abgesagt. Warum? Weil Sie Ihre Garantie nicht absichern können. Sie hatten jedem Jugendlichen unter 25 Jahren garantiert, innerhalb von vier Monaten einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu bekommen. Diese Garantie können Sie natürlich nicht umsetzen, wenn alle Staaten um die Wette sparen und nicht in neue Arbeitsplätze investieren.

 

Was die Bundesregierung Haushaltskonsolidierung nennt, ist nicht Ergebnis eigener Anstrengungen.

Ein Teil der Haushaltssanierung ist ihnen wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen. Da mussten sie gar nichts machen.

Allein die Senkung der Zinsen durch die EZB wird die Bundesschuld (von 2013: 32,9 Mrd. Euro auf 28,5 Mrd. Euro 2014) mindern. Das ist natürlich eine schöne Sache für den Finanzminister. Für die Bürgerinnen und Bürger, die für die Alterssicherung sparen, ist das eine Hiobsbotschaft.

Haben Sie nicht immer die Menschen aufgefordert, sich nicht auf die staatliche Rente zu verlassen, sondern zusätzlich privat vorzusorgen?

Jetzt werden die Menschen doppelt bestraft: Das Rentenniveau sinkt und die Zinsen auch. Damit ist Altersarmut vorprogrammiert. Daran wird ihr Rentenpaket nichts ändern. Aber Altersarmut ist ein gravierendes Problem, wie Ursula von der Leyen übrigens schon vor Jahren erkannt hat.

Müttern, die im Alter die Grundsicherung erhalten, werden die 28 Euro pro Kind auf die Grundsicherung angerechnet. Denen bringt Ihre Reform gar nichts.

Die Erwerbminderungsrentner bekommen aus dem Rentenpaket 36 Euro im Monat. Wenn man weiß, dass die durchschnittliche Erwerbminderungsrente 2001 noch 670 Euro betrug und heute im Durchschnitt nur noch 600 Euro ausmacht, dann haben Sie mit ihrer Reform nicht einmal den Stand von 2001 erreicht. Das ist ein Armutszeugnis für diese Regierung!

Zu Beginn der Haushaltsberatung wurde von der Koalition laut darüber nachgedacht, den Abbau der kalten Progression endlich anzupacken. Die kalte Progression ist nichts anderes als eine Steuererhöhung für die Mittelschicht. Der Finanzminister kann also weiter mit den Lohnerhöhungen der Beschäftigten seine Kasse füllen. Wir wollen die kalte Progression abschaffen, dafür aber den Spitzensteuersatz anheben. Das würde mehr Gerechtigkeit in unser Steuersystem bringen.

Wie das Design – die schwarze Null – das Bewusstsein trübt, können wir an den Haushaltstricks der Koalition beobachten.

Im Vorfeld der Bereinigungssitzung wurde wahrscheinlich aus dem Finanzministerium lanciert, dass im Haushalt 2014 fast 4 Mrd. Euro fehlen. Das haben auch viele Medien aufgenommen. Dieses Haushaltsloch war natürlich inszeniert.

Teuer wird der Trick mit den Krankenkassen für die Versicherten. Die Krankenkassen bekommen nicht den versprochenen Zuschuss durch den Bund. Es sind in diesem Jahr 3, 5 Mrd. Euro und 2015 2,5 Mrd. Euro weniger. (Also fehlen dem Gesundheitsfonds insgesamt 6 Mrd. Euro.) Die Kassen haben ja schon höhere Zusatzbeiträge angekündigt.

Mit der Entlastung der Versicherten wird es also nichts, Herr Gröhe!

Wir brauchen als LINKE keine Haushaltstricks für eine schwarze Null und mehr soziale Gerechtigkeit. Unsere Anträge fordern höhere Steuern für Vermögende und Besserverdienende und Ausgabenkürzungen für Rüstungsprojekte und Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Mit den Mehreinnahmen wollen wir Armut bekämpfen und Investitionen in die Zukunft möglich machen. Sie haben diese schlüssigen Vorschläge leider abgelehnt. Aber ich bin optimistisch, dass sie – ebenso wie beim Mindestlohn unseren Vorschlägen folgen werden.

Bloß warten Sie nicht wieder so lange damit!

Im Laufe der Debatte wurde schon vielen gedankt: natürlich den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss und in den anderen Ausschüssen, die sich an der Arbeit beteiligt haben, fleißig und engagiert, wenn gleich auch mit unterschiedlichen Auffassungen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen und in den Ministerien, dem Bundesrechnungshof. Nicht unerwähnt sollen auch die Menschen bleiben, die uns mit Essen versorgt haben und den Ausschusssaal aufgeräumt haben.

Ganz besonders möchte ich mich als Vorsitzende des Haushaltsausschusses bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats für ihre unermüdliche Arbeit bedanken.

Wir haben 22 Einzelpläne, ein Haushaltsgesetz, ein Haushaltsbegleitgesetz, über 670 Änderungsanträge in über 7 Haushaltsausschusssitzungen mit insgesamt fast 39 Stunden Dauer beraten. Die zahlreichen Berichterstattergespräche sind in dieser Rechnung nicht enthalten. All diese Sitzungen mussten vorbereitet werden. Das war ein wirklicher Kraftakt. Dafür gilt der Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschusssekretariats.