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Deutschland braucht Mindestlöhne

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi in der abschließenden Debatte über den Antrag der Fraktion DIE LINKE. "Deutschland braucht Mindestlöhne"

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Connemann, eine arrogante Rede hilft den Betroffenen keinen einzigen Schritt weiter. Nichts anderes haben Sie hier geboten.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Ich sage als Erstes etwas zum Vorwurf gegenüber unserer Fraktion: Natürlich haben wir für unsere Fraktionsmitarbeiter einen Betriebsrat. Es gibt keine Entlassungen, und es wird auch ein ordentlicher Lohn bezahlt. Sie müssen verstehen: Das, was der „Spiegel“ aufgreift, der schon immer an Ihrer Seite schrieb, was ja nichts Neues ist

(Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
ich wusste doch, dass ich Sie erheitern kann ,

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

bezieht sich auf persönliche Mitarbeiter von Abgeordneten. Sie als Fraktion haben darauf genauso wenig Einfluss wie wir.

Zweiter Punkt. Kollege Brandner, was Sie hier zu Beginn Ihrer Rede geliefert haben, war ein starkes Stück. Sie hoben auf das Abschreiben in der Schule ab. Der Unterschied zur Schule besteht darin, dass wir von Anfang an erklärt haben, dass das Ihr Text ist. Das geschah mit Absicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Außerdem sprachen Sie hier von Mätzchen. Sie machen Mätzchen. Sie wollen eine bundesweite Unterschriftenaktion für gesetzliche Mindestlöhne durchführen und erklären im Bundestag, Sie würden ihnen nicht zustimmen. Das sind Mätzchen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Friedrich?

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Nein, die erlaube ich nicht.
Sie haben auch gesagt, dass Sie wegen unserer Mails Papier einsparen wollen. Wissen Sie, was die Wahrheit ist? Ihre Mitglieder sind gar nicht mehr bereit, die Unterschriftenaktion durchzuführen. Dadurch haben wir viel Papier eingespart und Bäume gerettet.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas zum Vorwurf der Politshow.

(Klaus Brandner (SPD): Kamelle!)

Das Gegenteil ist richtig. Warum stimmen Sie nicht zu? Sie stimmen aus einem Grund nicht zu, nämlich weil Ihr Koalitionspartner, die Union, das nicht will. Sie haben das aber nie gesagt. Sie haben in der ersten Lesung gesagt, Sie hätten noch Beratungsbedarf, sie müssten noch über Ihren eigenen Text nachdenken.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Sie haben in den Ausschüssen gesagt, Sie wollten eine Verschiebung, um weiter darüber nachzudenken. Warum haben Sie nicht gleich gesagt, dass Sie das nicht dürfen, weil die Union Ihnen das verbietet.

(Zuruf von der SPD: Wir wollen Sie nicht als Koalitionspartner!)

Die Koalitionsdisziplin ist Ihnen wichtiger als die Erreichung eines so wichtigen Zieles. Das darf man der Öffentlichkeit doch mitteilen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Ein Satz zur FDP: Ich weiß, dass Sie strikt gegen Mindestlöhne sind. Sie müssen nur erklären, warum Sie bei Ärztinnen und Ärzten und bei Rechtsanwälten immer dafür sind, nur bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das habe ich Ihnen schon einmal erklärt: Umsatz und Einkommen sind verschieden!)

Zur Union: Sie sind für Kombilöhne. Das heißt, Sie sind für Staatsinterventionismus; der Staat soll die Teillöhne bezahlen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Sonst plädieren Sie immer für die Freiheit der Wirtschaft. Bei den Löhnen sehen Sie das aber genau umgekehrt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Dann argumentieren Sie mit der Schwarzarbeit. Frau Connemann, ich bitte Sie. Haben Sie je gefordert, die Warenhäuser zu schließen, weil zu viel geklaut wird? Seit wann lassen wir uns bei unseren Gesetzen von Kriminalität beeinflussen? Das ist doch keine Herangehensweise.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Ich sage Ihnen etwas zu den Folgen: Laut Statistischem Bundesamt verdienen in Deutschland 3,5 Millionen Vollbeschäftigte unter 900 Euro netto. Es geht um diese 3,5 Millionen Menschen. Hinzu kommen diejenigen, die nur wenig mehr verdienen. Deshalb ist das keine Politshow; das ist für diese eine ernst zu nehmende Frage. Es gibt im Bundestag eine Mehrheit. Die ist Ihnen nicht wichtig. Ihnen ist Ihre Koalitionsdisziplin gegenüber der Union wichtig.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Es geht aber um über 3,5 Millionen Menschen, die entweder in Würde oder nicht in Würde leben können. Darauf verzichten Sie heute.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Ich finde, das ist ein starkes Stück. Es ist völlig legitim, dass wir das in der Gesellschaft politisch deutlich machen, und zwar auch zu diesem Zeitpunkt.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Peter Friedrich.

Peter Friedrich (SPD):
Herr Kollege Gysi, ich wollte Ihnen eigentlich eine Zwischenfrage stellen. Aber vielleicht können wir das auch auf diesem Wege klären.
Sie haben vorhin gesagt, selbstverständlich gäbe es einen Betriebsrat für die Mitarbeiter der Fraktionen. Das, was bei den Abgeordneten passiere, sei Sache der Abgeordneten. Ich frage Sie: Wie stehen Sie dazu, dass der Parteitag der WASG in Rheinland-Pfalz abgebrochen werden musste, weil die Delegierten aus Protest gegen das Arbeitgeberverhalten Ihres Fraktionskollegen Ulrich aus dem Saal gegangen sind?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD Zuruf von der CDU/CSU: Hört, hört!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Gysi.

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Ich finde innerparteiliche demokratische Auseinandersetzungen immer spitze.
(Lachen bei der SPD und CDU/CSU)
Ich finde es auch spitze, wenn man sich mit einzelnen Abgeordneten auseinandersetzt.
Ich glaube, Sie hatten auch Schwierigkeiten mit einem Abgeordneten, der sein Mandat niedergelegt hat. Man kann über die Dinge sehr unterschiedlich diskutieren. Ich lasse aber nicht zu, dass Sie der Fraktion Vorwürfe machen, die nicht angebracht sind und bei denen es wenn überhaupt um das Verhalten einzelner Abgeordneter geht. Eines sage ich Ihnen allen: Wenn Sie einen persönlichen Mitarbeiter haben, mit dem Sie nicht zurechtkommen, dann sind Sie alle dafür, das Verhältnis aufzulösen. Das sollten Sie dann aber nicht anderen Abgeordneten vorwerfen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))