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Der neoliberale Zeitgeist fängt an zu bröckeln

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Rede von Gregor Gysi zum politischen Aschermittwoch, am 01.03.2006 in Wallerfangen

Liebe Bürgerinnen und Bürger aus dem Saarland und aus anderen Bundesländern, ich „Idiot“ hab zu dem Oskar gesagt, lass mich mal als Zweiten sprechen. Jetzt hat er mir gar kein Thema übrig gelassen. Aber ich denke, mir fällt noch etwas ein. Ich finde den Aschermittwoch ja toll, weil man zwar scharf, aber auch deutlich politisch reden kann und weil es eine große politische Aufmerksamkeit gibt und die ist auch dringend erforderlich, denn in diesem Land, in Europa und weltweit muss sich politisch etwas verändern. Jetzt sind wir, die Linken, wieder ganz anders gefragt, dem müssen wir gerecht werden. Ich finde es gut, dass ihr hier zu Oskar Lafontaine kommt - das kann ich gut verstehen - denn er kann mitreißend reden und überzeugen. Ich möchte Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen, die ihn heute beschimpfen, sagen: Er hat sich natürlich entwickelt im Laufe der Jahrzehnte, wie jeder Mensch. Aber im Kern ist er immer bei seinen Auffassungen geblieben. Sie haben sich geändert, nicht er! Darüber sollten sie mal nachdenken Beifall Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine Menge erlebt. Das Ende der Sowjetunion, damit das Ende der DDR. Da haben Gewerkschafter zu mir gesagt, ja jetzt hätten sie keinen dritten Tarifpartner mehr. Ich habe das nicht gleich verstanden! Sie haben mir erklärt, die DDR war immer günstig bei Tarifverhandlungen. Man konnte ein bisschen drohen. Aha, da hatte ich begriffen, sie (die DDR) war in der Bundesrepublik nützlicher als bei ihren eigenen Bürgerinnen und Bürgern. Nun bestand die Chance, die Welt besser zu gestalten, aber die Vertreter von Kapitalverwertungsinteressen haben sich entschieden, die Welt nicht besser zu gestalten, sondern ihre Interessen nackt und direkt durchzusetzen! Damit haben wir es zu tun und das nennt man Neoliberalismus. Damit haben wir es weltweit, in Europa und in Deutschland zu tun Beifall Es fängt bei der internationalen Politik an - Oskar hat darauf hingewiesen! Die USA hatten doch zwei Möglichkeiten. Sie blieben als einzige Weltmacht, sie haben eine besondere Verantwortung. Wir müssen darauf achten, dass das Völkerrecht geachtet wird, gerade für kleine Staaten. Die Großmacht braucht kein Völkerrecht. Kleine Staaten brauchen das Völkerrecht, wenn sie existieren wollen. Aber die USA sind einen anderen Weg gegangen. Sie haben gesagt, wir brauchen jetzt viele Staaten nicht mehr. Wir setzen jetzt unsere wirtschaftlichen, politischen, militärischen Interessen so durch, wie wir sie haben wollen. Der erste entscheidende Bruch des Völkerrechts - ich war damals ziemlich isoliert, ich kann mich gut daran erinnern - war der Krieg gegen Jugoslawien. Der Sicherheitsrat ist nicht gefragt worden. Man hat moralische Gründe genannt. Ich habe gesagt: wenn sie den Sicherheitsrat nicht fragen, wenn sie die Charta der UN verletzen, wird man die Charta nicht mehr heranziehen. Ich erinnere mich noch daran, dass Herr Scharping zu mir sagte, wegen eines eventuellen Neins von China werde er sich doch nicht an diesem Krieg hindern lassen. Und dass ich ihm, ohne einen konkreten Fall im Kopf zu haben, antwortete: „ Wieso sollen sich denn dann irgendwann die USA durch ein Nein von Frankreich daran hindern lassen?“ Und genauso ist es gekommen. Das Völkerrecht ist mit Füßen getreten worden. Die Linke muss begreifen - so unvollständig das Völkerrecht auch ist, wir haben es zu verteidigen, sonst gibt es gar kein Recht international. Beifall Oskar Lafontaine hat schon viel dazu gesagt. Entweder vereinnahmt man Regime wie Saudi-Arabien oder man führt Krieg gegen sie und es ist nicht ganz zufällig, dass im Irak und im Iran sehr viel Öl lagert. Aber ich will noch auf einen anderen Umstand hinweisen. Man kann mittels Krieg wirksam gar nicht Terrorismus bekämpfen, weil man mittels Krieg immer neuen Hass erzeugt. Man tötet Unschuldige, die haben Angehörige, die haben Freundinnen und Freunde. So entsteht Hass, aus dem wieder Leute für terroristische Anschläge gewonnen werden. Das ist eine Spirale der Gewalt aus der wir heraus müssen. Wir brauchen endlich wieder Friedenspolitik. Beifall Deshalb ist es gut, dass unsere Fraktion jetzt in diesem Konflikt einen weitgehenden mutigen Vorschlag unterbreitet und gesagt hat, die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates sollen eine Nahost-Friedenskonferenz einberufen. Da sollen sie die ungelösten Fragen, die entscheidenden Fragen auf die Tagesordnung setzen: Erstens: Jetzt legen wir mal fest, in welchen Grenzen, nicht in irgendwelchen, in welchen konkreten Grenzen Israel existieren soll - auch international geschützt. Dann haben wir auch konkrete Grenzen für Palästina und gründen den Staat. Der braucht politisch, ökonomisch, sozial und kulturell eine Zukunft. Dann regeln wir, wie die Besatzung des Irak endet und wie dort die ökonomische, politische und demokratische Zukunft aussehen soll. Und dann machen wir die ganze Region, von Israel bis Indien atomwaffenfrei. Dann gibt es auch für den Iran keinen einzigen Grund mehr, auch nur eine Sekunde über Atomwaffen nachzudenken. Dann setzen sich die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates hin, und sagen wir beginnen den Kernwaffensperrvertrag zu erfüllen und legen hier der internationalen Gemeinschaft unseren Plan vor, in welchen Schritten wir uns von diesen Massenvernichtungswaffen trennen. Das wäre mal eine Friedenskonferenz! Das wäre mal eine andere Herangehensweise! Beifall Oskar Lafontaine hat von den Steuern und vom Sozialabbau gesprochen. Ich will ganz klar sagen, was Neoliberalismus ist. Es kann sogar einer linken Regierung nach einer großen Katastrophe passieren, dass sie irgendwas kürzen muss, was sie nicht kürzen will. Es ist nicht allein der Sozialabbau. Neoliberal wird das Ganze, wenn man zeitgleich Milliarden-Geschenke an Konzernleitungen, an die Vermögenden, an die Best - und Besserverdienenden macht und sich dann vor die Kranken, die Alten und Arbeitslosen hinstellt, um ihnen zu erklären, dass man für sie kein Geld habe . Das ist unter Führung der Sozialdemokratie in den letzten sieben Jahren geschehen und zwar in einem Maße, wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Beifall Ich möchte Sie erinnern, die Körperschaftsteuer, die ist nicht um 2% gesenkt worden, auch nicht um 3% oder 5%, sondern um 15% . Die Veräußerungserlössteuer - ich bitte Sie, das war eine Steuer, die Firmen dafür zu zahlen hatten, dass sie einen Kaufpreis einnahmen. Das war unter Helmut Kohl so: Da musste die Aktiengesellschaft den vollen Steuersatz bezahlen und der Inhaber einer Firma, wie dieser Gaststätte oder einer Bäckerei, den halben Steuersatz. Nun kam die Sozialdemokratie und die hat gesagt, dass ist nicht gerecht, die sollen auch den gleichen Steuersatz bezahlen. Kann man sagen! Aber dann war Oskar Lafontaine weg, und als der weg war, entschied Schröder auf Bitte der Konzerne, die Steuer für Kapitalgesellschaften komplett zu streichen. Die hatten übrigens nur darum gebeten die Veräußerungserlössteuer zu senken, die waren gar nicht auf die Idee gekommen, sie ganz wegzukriegen - das hat aber Schröder gemacht. Verstehen Sie - mal ganz langsam, damit wir das begreifen. Unter Kohl musste der Bäckermeister den halben Steuersatz bezahlen und die Deutsche Bank den vollen. Unter Schröder musste der Bäckermeister den vollen Steuersatz bezahlen und die Deutsche Bank gar keinen mehr. Das ist die Wahrheit. Und da hab ich im Bundestag gesagt, sie seien doch nicht dazu da, mich ständig ideologisch zu verwirren. Wie soll ich denn das begreifen? Wenn es umgekehrt gewesen wäre, dann wäre ich doch mit den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten übers Land gefahren und wäre über Kohl hergefallen, wie es sich gehörte. Wie soll ich aber das erklären? Kohl war übrigens sehr stolz und hat gesagt, er war schon immer ein Mann des deutschen Bäckermeisters und nicht der Deutschen Bank. Da darf man zwar auch Zweifel haben, aber verstehen Sie, was das Problem ist? Das alles ist unter sozialdemokratischer Führung geschehen. Die Einkommenssteuer da haben sie - was in Ordnung geht - den Freibetrag erhöht. Aber dann haben sie den Spitzensteuersatz gesenkt. Der betrug unter Kohl 53% und als Schröder ging, betrug er 42% - 11% weniger. Nehmen Sie mal das Gehalt von Ackermann, rechnen Sie sich mal die 11% aus. Das würden Sie gerne verdienen, was der an Steuern spart. Verstehen Sie, das bringt uns weder wirtschaftlich noch sozial voran. Das machten sie alles und gleichzeitig trauten sie sich nicht, eine Vermögenssteuer einzuführen. Es gibt Beschlüsse der SPD-Parteitage dazu. Schröder sagte nein, findet nicht statt. Internationale Börsensteuer - er sagte nein, findet nicht statt. Er traute sich an keinen Besserverdienenden, an keinen Bestverdienenden, an keinen Vermögenden, an keinen Konzern heran. Nachdem er Milliarden-Geschenke gemacht hatte - ich darf noch dazu sagen, die Körperschaftssteuer war die drittgrößte Einnahmequelle Deutschlands, stattdessen haben die Finanzämter zwei Jahre an die Konzerne zubezahlt - trat Schröder vor die Alten, vor die Kranken und vor die Arbeitslosen und sagte, ich habe für Euch kein Geld mehr. Ich muss es sagen, so hart es klingt, weder unter Adenauer, noch unter Erhardt noch unter Kiesinger noch unter Kohl hat es je eine solchen Sozialabbau und solche Milliarden-Geschenke an Vermögende und Reiche gegeben, wie unter Schröder. Und das nenne ich Entsozialdemokratisierung der SPD - das ist ein Skandal. Beifall In dem Zusammenhang etwas zu Hartz IV: Hartz IV wirkt ja viel früher. Hartz IV dominiert die Leute in Unternehmen. Nehmen Sie doch mal einen 48,49jährigen Ingenieur, der in einem Unternehmen arbeitet und der Ärger mit dem Chef hat. Traut der sich noch, das wirklich auszutragen? Wissen Sie, warum der sich das nicht traut? Weil er sich sagt, wenn der irgendeinen Grund findet, und mich rausschmeißt - oder, was noch schlimmer ist, wenn die Firma in Insolvenz geht, da muss ja sein Chef nichts für können - dann werde ich arbeitslos. Wenn ich arbeitslos werde, mit etwa 50 habe ich ja nicht mal mehr die Andeutung einer Chance auf Vermittlung. Dann kriege ich ein Jahr lang Arbeitslosengeld I, berechnet nach meinem Einkommen. Und nach dem einen Jahr, machen die mich per Gesetz arm und sagen du kriegst die 345 Euro, Miete und Heizkosten, aber nur unter einer Bedingung, dass du alles auf ein Niveau herunter senkst, das wir gerade einem Sozialhilfeempfänger in Deutschland zubilligen. Deine Wohnung musst du verkleinern, dein Auto, deine Altersvorsorge, deine Sparguthaben, alles runter. Der Mann muss sich selbst arm machen, sonst kriegt er nichts. Verstehen Sie, er hat sich gegen Arbeitslosigkeit versichert. Er hat über 20 Jahre eingezahlt - ein Jahr nutzt ihm das etwas und danach nutzt es ihm gar nichts mehr. Diese Philosophie ist brutal, sie ist antisozialdemokratisch. Sie hat mit „links“ und mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun. Und deshalb treten wir gegen diese Philosophie an. Hartz IV muss sterben. Es nutzt ökonomisch nichts und ist sozial eine Katastrophe! Beifall Jetzt ist etwas passiert! Die sieben Jahre haben ja etwas bewirkt! Ich muss Ihnen das sagen. In der Bundesrepublik Deutschland hat es nach 1949 - schon ein Umstand, an dem ich manchmal verzweifelt bin - nie ein Bedürfnis gegeben, eine Partei links von der Sozialdemokratie zu wählen. Die Grünen waren ein Sonderfall - das war ein Generationenkonflikt - den kann man so nicht einordnen. Es gab dieses Bedürfnis nach 1949 nicht. Und ich hab ja 1990 gedacht, na ja vielleicht nicht gleich, aber in vier Jahren und dann in acht Jahren. Und irgendwann habe ich mir gedacht, na gut, sie wollen halt nicht. Ich musste es begreifen - unter Schröder ist dieser Wunsch entstanden! Und das macht die so nervös. Wir erleben eine Änderung des Zeitgeistes. 10 Jahre lang - jede Zeitung, die ich aufschlug, wie Kohl immer sagte , die linken Kampfblätter „Spiegel“ und „Stern“, na ja, ich darf darunter etwas anderes verstehen, also, was ich auch aufschlug, ich las „ Ja , es ist hart, aber nötig mit der Rentenkürzung, ja, es ist hart, aber nötig, dass die Kranken dazu zahlen“ usw. überall dasselbe. Wissen Sie, das geht dann soweit, dass selbst eine Sozialhilfeempfängerin glaubt, ihre Bezüge müssen gekürzt werden. Wenn sie das erst mal glaubt, dann hat die Linke gar nichts mehr zu sagen in der Gesellschaft. Da kannste deine Sachen packen. Beifall Das meine ich mit Zeitgeist! Beifall Aber dadurch, dass der Schröder das zusammengepackt hat - auf der einen Seite diese Geschenke und auf der anderen Seite diese Kürzungen - wurden die Leute stutzig! Und jetzt entstanden wir, mit der Hilfe von Oskar, mit der Hilfe der WASG, also ich will gar nicht weiter auf die Prozesse eingehen. Sehen Sie mal, am Anfang haben die mich bekämpft, haben Ausschüsse gemacht, sie wollten mich loswerden, raus aus dem Bundestag - weg mit dem Gysi. Und irgendwann haben sie gesagt, mein Gott, der Osten wählt eben komisch. Wenn sie denn bundesweit so um die 5% haben und der Gysi, der ist ja auch krank gewesen, mein Gott, dann nehmen wir ihn doch bis er… (Handbewegung gen Himmel) Also man kriegt ja dann auch so einen Zug von Großzügigkeit. Aber verstehen Sie, jetzt kommt einer aus ihrem Kerndeutschland. Ich weiß schon, wie die West- und Ostdeutschland sehen. Beifall Plötzlich entsteht zwischen Schleswig-Holstein und Bayern das Bedürfnis nach einer Partei links von der Sozialdemokratie, was sie nach 1949 nicht mehr kennen gelernt haben. Wir waren nicht wie Italien, wir waren nicht wie Frankreich, wie Portugal oder Spanien. Deutschland war anders. Wir leisten jetzt einen Beitrag dazu, Deutschland europäisch zu normalisieren! Dazu gehört doch eine Partei links von der Sozialdemokratie. Das ist schon spannend - plötzlich eine neue Frau Merkel - bitte erinnern Sie sich an den Wahlkampf. Die Worte soziale Gerechtigkeit kannte sie gar nicht. Verstehen Sie, die kamen bei ihr nicht vor. Sie hatte eine Gesundheitsversicherung, wo jeder dasselbe bezahlen sollte, ob er arm ist oder reich. Dann hat sie gesagt Mehrwertsteuererhöhung 2%. Und die SPD hat gesagt, ökonomisch und sozial, die blanke Katastrophe. Jedes Argument konnte man unterschreiben. Dann verhandeln sie, machen einen Kompromiss - da kommen drei Prozent raus. Da gibt’s dann 13 Gegenstimmen auf dem SPD-Parteitag, also ich bitte Sie meine Damen und Herren. Das ist doch wohl das Ende einer Partei, wenn sie darüber nicht mal mehr streitet. Beifall, Proteste Sie sind alle diskussionslos geworden. Beifall Und sie wissen sich nicht mehr zu verhalten. Ich habe das erlebt. Mindestlohn haben wir vorgeschlagen. Ist mir erzählt worden sozial, tarifvertraglich, ökonomisch alles Quatsch. Jetzt redet der Bundespräsident vom Mindestlohn, jetzt sagt die Kanzlerin, man muss mal über den Mindestlohn nachdenken. Der Oskar hat den Vorteil, er kennt alle Zahlen. Ich kenne keine Zahlen. Jetzt kenne ich sie auch, weil er sie mir sagt. Ich schreib sie mir auf. Beifall Das ist sehr gut, funktioniert hervorragend. Beifall Er hat vorhin die Zahlen gesagt von der Entwicklung der Realeinkommen. Es ist ja auch so, wenn die USA das anders machen, Großbritannien, Skandinavien, Frankreich, Holland - sind wir denn die einzig Schlauen auf der Welt? Nur wir wissen, dass Lohnsenkung weiter hilft? Das ist doch absurd. Unsere kleinen und mittleren Unternehmen gehen ein, weil die Kaufkraft sinkt und sie ihre Waren und Dienstleistungen nicht mehr loswerden. Das erzeugt immer mehr Arbeitslosigkeit. Der Weg ist einfach völlig falsch, und zwar wirtschaftlich und sozial völlig falsch! Beifall Bundeswirtschaftsminister Glos - ich bitte Sie - kriegt zwischen Weihnachten und Neujahr einen Anfall und sagt, vielleicht müssten doch mal die Reallöhne steigen, damit die Binnenwirtschaft angekurbelt wird. Nur zwischen Weihnachten und Neujahr, aber immerhin da hat er es gesagt. Dann haben wir ein Zukunftsinvestitionsprogramm vorgestellt in unserem Wahlprogramm. Da haben sie gesagt, das ist unbezahlbar - alles Quatsch! Jetzt verabreden sie in der großen Koalition ein Zukunftsinvestitionsprogramm! Die klauen unsere Vokabeln. Die machen zwar daraus einen Miniplan - das reicht nicht hin und nicht her. Aber all das soll Ihnen ein bisschen Hoffnung machen. Der Zeitgeist fängt an zu bröckeln. Die wissen nicht mehr genau, wohin. In den Zeitungen lesen wir das eine oder das andere. Jetzt erhöhen sie das Rentenalter, das geht völlig daneben. Oskar hat das völlig richtig geschildert. Das ist nichts weiter als Rentenkürzung! Wir sind in einer altersrassistischen Gesellschaft. Früher gingen die alten Leute durch die Bundesrepublik, stolz, weil sie das Land mal aufgebaut hatten. Heute müssen sie immer erklären, weshalb sie noch leben. Das ist unerträglich geworden. Beifall Ja, das muss sich ändern! Beifall Die jungen Leute, lassen Sie mich das auch sagen. Sie haben jetzt endlich das ALGII angeglichen West/ Ost. Aber gleichzeitig haben sie den jungen Leuten gesagt, die kriegen nur 80% und die Miete wird nicht übernommen, Die müssen die Eltern bezahlen. Wissen Sie, da denken die an den einen Missbrauchsfall oder an den anderen. Ich bitte Sie, wir haben ein Grundgesetz. In dem Grundgesetz bist du mit 18 volljährig, du bist strafrechtlich voll verantwortlich, Du bist zivilrechtlich voll verantwortlich. Der darf freiwillig an den Hindukush und soll dort angeblich den Frieden verteidigen. Der darf da sogar sein Leben lassen. Aber wenn er arbeitslos wird, dann sagen sie ab zu Mami und Papi, wir haben mit dir nichts zu tun! Das ist unerträglich! Beifall Also diese Regierung fängt zwar an, anders zu reden, aber wenn es um praktische Dinge geht, setzt sie fort, was Schröder gemacht hat. Verstehen Sie, der Zeitgeist ist durcheinander geraten. Es gibt eine Chance! Den Linken sage ich immer, seid vorsichtig, wir haben keinen Grund eingebildet zu sein. Wir hatten Chancen, die wir nicht genutzt haben. Das weiß ich. Aber wir müssen die Chancen, die es jetzt gibt, auch nutzen. Denn die Menschen haben eins mitbekommen, der Kapitalismus in Richtung Manchester, der ist unerträglich, der ist nicht human. Er beutet aus und er ist in höchstem Maße unsozial. Also die Sozialdemokratie müsste doch wenigstens den rheinischen Kapitalismus verteidigen, statt dafür zu sorgen, dass dieser zu Gunsten des von Manchester überwunden wird, statt neoliberal zu werden. Die anderen Parteien sind alle neoliberal geworden. Dazu gehört noch die Deregulierung. Dazu gehört noch die Privatisierung des öffentlichen Eigentums. Da meine ich nicht die Eisdiele - wirklich, da brauchen Sie mich nicht zu überzeugen. Ich komme von einer Staatswirtschaft, die will ich nicht wieder! Aber ich will, dass dort, wo es eine öffentliche Verantwortung gibt, die auch wahrgenommen wird und werden kann. Das heißt, wir brauchen öffentliches Eigentum bei Bildung, bei Kultur. Wir brauchen sie beim öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Wir brauchen sie bei Wohnungen, wir brauchen sie bei Wasser und bei Energie. Dort, wo es um Existenzfragen der Menschen geht, da müssen wir entscheiden können. Beifall Und ich will Ihnen sagen, das ist auch eine Frage der Demokratie. Denn wenn Sie die Wahl haben, ob Sie einen CDU -Bürgermeister oder einen SPD-Bürgermeister wählen oder ob Sie eine Bürgermeisterin von uns wählen, und die haben gar nichts mehr zu entscheiden, weil alles privatisiert ist, dann werden Sie nicht zur Wahl gehen. Sie wollen jemanden wählen, der darüber entscheiden kann und dann macht es auch Sinn zu sagen, ich nehme den, der für gerechte Preise sorgt und nicht den, der das erhöhen will. Und deshalb ist diese Privatisierung undemokratisch. Deregulierung , um das klar zu sagen - das ist nicht gerechte Entbürokratisierung. Deregulierung heißt, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Rechte zu nehmen, zum Beispiel den Kündigungsschutz abzuschaffen. Das bringt ökonomisch gar nichts, aber es stellt diese schlechter. Beifall Wir könnten noch viele Themen wie z.B. Arbeitszeit ansprechen - Dazu komme ich jetzt nicht mehr. Ich war heute früh in Bayern - man reist ja viel - in Passau - da haben wir nicht ganz das Wahlergebnis gehabt, wie hier. Beifall Aber immerhin auch eine beachtliche Steigerung. Da hatte ich schon einen Wunsch - verstehen Sie - ich möchte gern mal Herrn Stoiber berichten, was mir unsere Fraktionsvorsitzende im Landtag von Bayern gesagt hat. Also wissen Sie, ich möchte ihm einfach mal sagen, die hätte mir berichtet und er müsste mir antworten, weil sie es mir berichtet haben könnte. Es ist ja noch ein bisschen weit weg. Noch mehr und noch viel realer wünsche ich mir das natürlich für das Saarland. Vorher sage ich Ihnen aber noch einen Satz. Sie lesen jetzt immer in der Zeitung, da gibt es Schwierigkeiten zwischen WASG und Linkspartei und ob das überhaupt was wird. Also vertrauen Sie mal Oskar, vertrauen Sie mal Lothar Bisky, vertrauen Sie mal Klaus Ernst, mir und vor allen Dingen den Zehntausenden Mitgliedern. Die sind doch nicht doof und bescheuert. Die haben doch mitgekriegt, was wir zusammen können und was wir einzeln können. Und die haben mitgekriegt, wir kommen als letzte mit der Einheit - das ist wahr - dafür aber auch am fairsten. Nächstes Jahr gibt es eine neu gebildete einheitliche Partei - links von der Sozialdemokratie von Mecklenburg -Vorpommern bis Bayern in ganz Deutschland. Das ist hiermit versprochen. Beifall Wir lassen uns daran durch niemanden hindern. Es gibt Neoliberale, die das nicht wollen, es gibt ein paar rechte Zeitungen, die das nicht wollen und es gibt natürlich auch ein paar Sektierer, die das nicht wollen. Die wollen ja wahnsinnig revolutionär sein, aber sie haben - das tut mir leid - die gleichen Ziele wie die Neoliberalen und die rechten Zeitungen, nämlich zu verhindern, dass wir eine Partei werden. Sie werden scheitern! Wo ich hinkomme - das muss ich Ihnen sagen - die Basis ist immer dafür. Und wenn dann mal Bedenken kommen, dann von ein paar Funktionären. Ich hab das nicht gleich verstanden, bis mir eins klar wurde, die Basis weiß ja, dass sie Basis bleibt, so ein Funktionär weiß aber noch nicht, was aus ihm wird. Beifall Dafür habe ich zwar Verständnis, aber ich sage, das ist kein ausreichender Verhinderungsgrund. Und ich finde unsere Fraktion macht das gut. Wir haben uns zusammen gefunden trotz unterschiedlicher politischer Ansätze. Oskar und ich - was haben Sie alles gelesen, wie schnell wir völlig zerstritten sind, alles Quark. Wir sind beide in einem Alter, in dem wir uns über Arbeitsteilung freuen. Der Anruf ist immer: „Kannst Du nicht mal“, nicht etwa umgekehrt. Darauf verständigen wir uns hervorragend! Er hat mich nie belogen, ich habe ihn nicht belogen. Was will man heute mehr in der Politik. Das kann man nirgendwo anders sagen, das will ich hier auch mal deutlich erklären. Beifall Nun ist das Saarland doch etwas Besonders Im Schnitt hatten wir in den alten Bundesländern 4,9%, hier hatten wir 18,5%. Ich weiß seit dem, was eine Person ausmachen kann und eine linke Grundstimmung - das ist mir schon alles klar. Es tut mir leid, wir hatten hier früher zwei Prozent - war ja auch schon ein relativ gutes Ergebnis. Jetzt sind wir bei 18,5% - das ist eine Verneunfachung des Ganzen - das ist beachtlich! Also ich hätte gerne, dass wir so mit rund 20% bei der nächsten Landtagswahl hier eine Fraktion reinkriegen. Verstehen Sie, ich will, dass in den Landtag mal ein bisschen Spannung reinkommt, nicht nur diese Langweiler, wie Müller und Maas. Da muss mal wieder ein bisschen Stimmung rein. Es muss eine Partei rein, die nicht neoliberal ist, die andere Fragen stellt, so dass vom Saarland wieder neue Entwicklungen für Deutschland ausgehen. Glück auf und Danke! Beifall - Jubel