Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ob jetzt alle wieder runterkommen, werden wir gleich sehen.
Geschichtsrevisionismus gehörte schon immer zu den Kernkompetenzen der extremen Rechten – ob Kriegsschuld, Ostgebiete oder eben auch geraubte Kunst.
(Otto Fricke [FDP]: Ach! Und Stalin?)
Für Letzteres gibt es auch ein Wort: Kolonialrevisionismus. Ihr Ziel ist: Alle geraubten Kunst- und Kulturschätze sollen in Deutschland bleiben.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das hat doch niemand gesagt!)
Nebenbei geht es Ihnen – und das ist Ihr eigentliches geschichtspolitisches Ziel –
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das wissen Sie doch nicht! – Jörn König [AfD]: Reine Unterstellung!)
um das Deutsche Kaiserreich, Ihren völkischen Ersatzerinnerungsort.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wovon träumen Sie? – Sebastian Münzenmaier [AfD]: Sagen Sie mal, was trinken Sie denn morgens zum Frühstück? Sie sind ja völlig verwirrt!)
In Ihren Chats reden Sie ja – das haben wir diese Woche gesehen – über Ihren eigentlichen Ersatzerinnerungsort. Das tun Sie nicht öffentlich; aber wir wissen, wo Ihr Bezugspunkt ist.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nicht beim Kaiserreich!)
Dieser völkische Ersatzerinnerungsort soll von den störenden kolonialen Verbrechen befreit werden.
Die Benin-Bronzen versinnbildlichen alles, um was es den Europäerinnen und Europäern in den Kolonien ging: Gold, Reichtum, Macht. Jürgen Zimmerer hat es im „Freitag“, finde ich, sehr treffend gesagt:
(Jörn König [AfD]: Mit einer Auflage von 15 000!)
"Sie stehen für die Schamlosigkeit, mit der sich die Räuber als Retter des Raubguts inszenierten und ihre Trophäen des Unrechts stolz ausstellten,"
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
"garniert mit einer Erzählung von künstlerischer Wertschätzung, welche die Plünderer und Vergewaltiger ehrte und die Beraubten noch in der Erinnerung rassistisch herabstufte."
Nachdem Ihnen nicht gelungen war, die Rückgabe in die Herkunftsländer zu verhindern, wärmen Sie jetzt genau diese Inszenierung auf. Das ist durchschaubar, das ist reaktionär, und das ist ekelhaft.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb muss hier noch einmal unmissverständlich von meiner Seite festgehalten werden: Die Rückgabe der Benin-Bronzen ist richtig und wichtig.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Aber an wen?)
Restitution ist weit mehr als materielle und rechtlich verbriefte Rückgabe von Raubgut. Es geht um die Anerkennung von begangenem Unrecht. Kolonialismus ist ein verbrecherisches Herrschaftssystem.
(Jörn König [AfD]: Und bei uns seit über 100 Jahren vorbei, Frau Renner!)
Die Forderung reaktionärer Kräfte, den Kolonialismus differenziert zu betrachten, ist nichts anderes als der Versuch, die Verbrechen zu relativieren. Hierher gehören auch der vermeintliche Skandal
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: „Vermeintlich“!)
und das Fiasko um die im Dezember zurückgegebenen Bronzen,
(Jörn König [AfD]: Aha, es war ein Fiasko! Danke für die Feststellung!)
die Präsident Buhari nicht einem Museum, sondern dem heutigen Oberhaupt der ehemaligen Königsfamilie, Oba Ewuare II., übergab.
Denn worum geht es in der Debatte eigentlich? Die Benin-Bronzen sind eine Gruppe von mehreren Tausend Kunstwerken, die seit dem 16. Jahrhundert den Palast des Königreichs Benin schmückten und zeremonielle Bedeutung hatten. 1897 – es ist gerade gesagt worden – fielen etwa 1 200 britische Soldaten mordend und plündernd in Benin-Stadt ein und raubten Tausende Artefakte aus dem Königspalast. Die Benin-Bronzen kamen als Beutekunst nach Europa und in die USA.
Leider ist die Debatte nicht nur weitgehend verlogen, sondern auch rassistisch.
(Jörn König [AfD]: Bingo!)
Die Behauptung, dass die zurückgegebenen Benin-Bronzen in Zukunft in Privaträumen verschwinden, beruht derzeit auf Spekulationen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das Königshaus raubt sein Land aus! Sie sollten mal Zeitung lesen!)
Ein Präsidialerlass legt fest, dass die Objekte unversehrt bleiben und öffentlich gezeigt werden sollen. Dass nun Stimmen aus Deutschland meinen, sich in den Verbleib der Objekte einmischen zu müssen, kann man nur als „neokolonial“ bezeichnen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
So konsequent wir die Rückgabe finden, so verschließen wir nicht die Ohren vor Wortmeldungen aus Zivilgesellschaft und Forschung. Ein Manko bei der ganzen Debatte um Restitution ist sicherlich, dass der Komplex Kolonialismus in der Auseinandersetzung auf museale Objekte reduziert wurde und bisher eine Debatte über Raub, kolonialen Genozid und die Nutznießer des transatlantischen Sklavenhandels und Wiedergutmachung fehlt. Die aktuelle Debatte um die Benin-Bronzen zeigt, dass wir in Deutschland noch einen sehr weiten Weg der Dekolonisierung vor uns haben. Fragen der Restitution sind unserer Meinung nach nicht allein auf der Ebene staatlicher Diplomatie zu lösen, sondern wir brauchen die Stimmen internationaler Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)