Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich schließe mich gerne dem produktiven Diskurs hier an und finde es richtig, dass ein solcher Antrag, in dem doch einige Dinge zur Situation der Geistes- und Sozialwissenschaften präzise benannt worden sind, von Ihnen vorgelegt wurde.
(Jörg Tauss (SPD): Einige? Klasse Antrag! Richtig gut ist er!)
Auf Seite 3 des Antrags der Koalitionsfraktionen heißt es ich zitiere :
Allerdings birgt die Verschärfung des Wettbewerbs um öffentliche Mittel die Gefahr, dass die Geistes- und Sozialwissenschaften gegenüber den als expansiv erlebten Natur- und Ingenieurswissenschaften benachteiligt werden. Eine Ausrichtung der Förderung alleine an Drittmittelquoten wird den Geistes- und Sozialwissenschaften nicht gerecht.
Das ist zwar durchaus richtig, aber leider ist das nicht ganz die Wahrheit, sondern Sie treffen haarscharf an ihr vorbei. So richtig diese Analyse in dem Punkt ansatzweise ist: Das Grundproblem Kollege Schulz, Sie haben es angesprochen ist die Ökonomisierung des Bildungssystems. Gerade in den Sozial- und Geisteswissenschaften, die an den Universitäten eine große Rolle spielen, wirkt sich diese Ökonomisierung von Lehre und Forschung verheerend aus.
Ebenso fehlt ein Verweis auf die Studienbedingungen in den Geistes- und Sozialwissenschaften an den deutschen Hochschulen. Ein konkretes Beispiel. Es ist wenig förderlich und dient nicht dem Erkenntnisgewinn, wenn man zum Beispiel an der Uni Hannover ein soziologisches Seminar veranstaltet, einen Lektürekurs zu „Das Kapital“ von Karl Marx, drei Bände man muss sich ein wenig konzentrieren, aber wenn man es vernünftig macht, kann man den größtmöglichen Erkenntnisgewinn erzielen , an dem 80 Personen teilnehmen. Das ist aber die Realität an den Hochschulen. Das ist eigentlich der Kern des Problems.
(Beifall bei der LINKEN)
In dem Antrag der FDP ist zu wenig davon die Rede das ist nicht ganz überraschend , dass man sich darüber verständigen muss, was denn die Rolle von Geistes- und Sozialwissenschaften in einer Gesellschaft ist. Dabei das ist zum Teil schon richtig angesprochen worden kann es nicht um Verwertungskriterien im ökonomischen Sinne gehen, sondern es muss darum gehen, Kritik lernen zu üben; das ist ein Wert an sich. Die Kritik als solche ist sozusagen der Kern von Geistes- und Sozialwissenschaften.
In dem Antrag kommt leider auch nicht vor, dass es wichtig ist, Analysen greifbar zu machen, Kritik sichtbar zu machen, und zwar als Voraussetzung dafür, die Gesellschaft zu verändern. Das ist aus unserer Sicht eine originäre Aufgabe der Geistes- und Sozialwissenschaften.
Deswegen haben wir als linke Fraktion ebenfalls einen Antrag eingebracht. Uns geht es darum, dass diese Fragen langfristig und systematisch diskutiert werden. Dazu soll nach unserer Vorstellung ein Diskussionsforum unter dem Titel „Perspektiven der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften“ eingerichtet werden.
Außerdem ist es dringend erforderlich, sich noch einmal genau anzuschauen, was eigentlich der Bolognaprozess für die Geistes- und Sozialwissenschaften bedeutet. Dabei geht es im Kern es ist natürlich auch eine Ausgestaltungsfrage um Verschulung, um Verschulung von Lehre und Studium. Das Hineinpressen in einen Bachelor- und Masterstudiengang ist gerade bei den Geistes- und Sozialwissenschaften der Erkenntnis das ist ganz klar nicht förderlich. Das ist nicht verschulbar. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich glaube, dass wir einige Schritte gemeinsam gehen können. Es ist ganz wichtig, die Funktion von Geistes- und Sozialwissenschaften in der Gesellschaft noch einmal zu diskutieren und zu analysieren und sich jeglichen Bestrebungen in Richtung ökonomischer Verwertbarkeit von Lehre und Forschung entgegenzustellen.Wir brauchen gerade für die Studentinnen und Studenten der Geistes- und Sozialwissenschaften mehr Muße und Zeit; das ist die Mutter der Geistes- und Sozialwissenschaften. Längere Zeit in der Bibliothek sitzen zu können und zu versuchen, mit anderen das zu diskutieren, was man gerade gelesen hat, ist der Kern von Geistes- und Sozialwissenschaften. Dafür müssen wir die Bedingungen ändern. Zum Beispiel darf es keine Studiengebühren für ein Langzeitstudium geben.
Eine letzte Bemerkung will ich noch machen. Gerade die Studentinnen und Studenten der Geistes- und Sozialwissenschaften sind diejenigen, die politisch aktiv sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Es sind diejenigen, die sich in politischen Interessenvertretungen engagieren. Sie werden aufgrund dieser Studienbedingungen davon abgehalten.
Ich hoffe, dass wir in einen Diskurs eintreten können. Wir sind dazu bereit. Es gibt einen alten Lehrsatz, und der ist wahr: Der Geist steht links.
(Beifall bei der LINKEN Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Herz schlägt links, heißt das!)
Der Geist steht links
Archiv Linksfraktion -
Rede
von
Jan Korte,