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Der Bundestag muss den Rechtsextremismus endlich ernster nehmen

Archiv Linksfraktion - Rede von Petra Pau,

Petra Pau (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Karl, eine Zahl vorweg: Im statistischen Schnitt werden bundesweit nicht durch die Linke, sondern durch die Bundesregierung Tag für Tag drei Gewalttaten registriert, die rechtsextremistisch, rassistisch oder antisemitisch motiviert sind. Das sind die offiziellen Zahlen die tatsächlichen liegen weit höher und damit auch die Zahl der Opfer.
Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind also längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben. Wenn jemand brandstiftet, dann sind das diese Menschenfeinde, die auf andere Menschen, weil sie anders aussehen, anders leben oder anders lieben, Übergriffe vollziehen. Von den Toten hat meine Kollegin Jelpke schon gesprochen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine zweite Zahl dazu: Allein von 2004 bis 2006, also binnen zwei Jahren, hat die Zahl der registrierten Straf- und Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund um 50 Prozent zugenommen. Diese Entwicklung ist alarmierend. Deshalb müssen auch wir, der Bundestag und alle Fraktionen, uns fragen, ob wir bislang adäquat auf diese Entwicklung reagiert haben. Ich finde: Nein. Wir sollten es aber endlich tun, und zwar parteiübergreifend.
Aber nicht nur die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Wir haben es auch mit einer neuen Qualität von Rechtsextremismus zu tun. Rechtsextremismus ist heute längst nicht mehr auf schlagende Stiefelknechte zu reduzieren wie vielleicht noch vor zehn Jahren. Von der Strategie über die Programmatik bis hin zum Personal suchen Rechtsextremisten Widerhall in der Gesellschaft, und das mit Erfolg. Auch hiermit haben wir uns gemeinsam im Bundestag bisher nicht adäquat beschäftigt.
Meine erste These: Nur wenn die Analyse stimmt, gibt es auch Aussicht auf Erfolg. Stimmen unsere Analysen? Ich sage: Nein. Das beginnt schon bei den Zahlen und Fakten. Deshalb sage ich erneut für die Fraktion Die Linke: Wir brauchen endlich eine unabhängige Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Einrichtung war eigentlich in diesem Hause schon einmal beschlossen, aber es gibt sie noch immer nicht.
Meine zweite These: Solange Rechtsextremismus vorwiegend als Rand , Jugend- oder Ost-Phänomen behandelt wird, werden wir ihn nicht zurückdrängen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Dasselbe gilt übrigens, solange der Rechtsextremismus vorwiegend als innen- oder rechtspolitisches Problem bearbeitet wird. Die Besetzung der Regierungsbank bei dieser Debatte spricht Bände.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Miriam Gruß (FDP))
Deshalb brauchen wir endlich eine ressortübergreifende Strategie, die sich auf Kompetenz stützt und die Zivilgesellschaft stärkt.
Aber genau da haben wir das nächste Problem. Wir erleben gerade das spielte hier schon eine Rolle eine Umstrukturierung der Initiativen, die sich für Demokratie und Toleranz engagieren. Die Gefahr ist eben immer noch nicht gebannt, dass dabei Bewährtes gegen Verfehltes ausgetauscht wird. Zu dem sächsischen Beispiel wurde hier schon gesprochen. Das wäre natürlich ein Ding aus dem Tollhaus, wenn sich Rechte hier Mittel erschleichen könnten.
Meine dritte These: Wer die NPD verbieten will, der ist zum Erfolg verpflichtet. Deshalb halte ich es ausnahmsweise einmal mit meinem Kollegen Bosbach aus der CDU. Er hatte an die Adresse der SPD gemeint: Eines gehe überhaupt nicht, nämlich monatelang öffentlich über ein NPD-Verbot zu reden, aber nichts dafür zu tun;

(Beifall bei der LINKEN)

denn das werte die NPD nur zusätzlich auf. Ich füge hinzu: Das sollten wir tunlichst alle gemeinsam unterlassen.
Bezüglich der Frage, ob ein NPD-Verbot sinnvoll ist oder nicht, gibt es übrigens auch in der Linken unterschiedliche Auffassungen. Aber in einem sind wir uns einig: Wer die verfassungsfeindliche NPD ernsthaft und rechtsstaatlich verbieten will, muss zuerst das Verbotshindernis beseitigen, das heißt, die V-Leute abschalten. Sie nützen nichts, sie schaden aber sehr viel.

(Beifall bei der LINKEN)