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Das Stipendienprogramm gefällt nur der Wirtschaft

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Anstatt auch nur einen Cent für dieses unsoziale und undemokratische Stipendienprogramm zu verschwenden, sollte man eine BAföG-Erhöhung beschließen, die mehr ist als nur ein Tropfen auf den heißen Stein! Die Länder benötigen höhere Steuereinnahmen, aber der Vorstoß von den Unions-Ministerpräsidenten Koch und Seehofer, die Bafög-Erhöhung zu blockieren und damit die Finanznot der Länder auf dem Rücken der sozial Schwachen, der Schüler/innen und Studierenden auszutragen, muss abgewehrt werden.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Regierung will ein nationales Stipendienprogramm, das den vermeintlich besten Studierenden monatlich 300 Euro spendiert, begründet dies aber damit, die Studierneigung insgesamt fördern zu wollen. Frau Schavan hat, wie ich glaube, gerade in diesem Zusammenhang die Formulierung „junge Leute ermutigen“ gebraucht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zu Recht hagelt es von allen Seiten Kritik an diesem Gesetz, auch aus dem Kreis der Stipendiatinnen und Stipendiaten selbst, die übrigens in diesen Minuten vor dem Bundestag demonstrieren. Sie kritisieren, dass durch dieses Programm wieder vor allem Jugendliche aus bessergestellten Elternhäusern gefördert werden. Sie verlangen von einem Sozialstaat, dass öffentliche Gelder endlich zur Studienförderung nach sozialen Gesichtspunkten eingesetzt werden und nicht nach Noten. Dafür haben sie die Unterstützung der Linken.
(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ui!)
Die wenigen Fürsprecher dieses Gesetzes – ihre Zahl ist wirklich sehr überschaubar – finden sich bei den Unternehmern. Diese allerdings versprechen sich davon offenbar etwas ganz anderes und bewerten diese Stipendien auch ganz anders, als es die Regierung tut. Am 19. März erklärte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in ihrer Stellungnahme zum Stipendiengesetz:
Zentrales Instrument zur sozial motivierten Studienförderung ist und bleibt das BAföG.
Die Liberale Hochschulgruppe stellte fest:
Ein Studium nach Neigung zu ermöglichen, ist alleine Aufgabe des BAföG.
Das heißt im Klartext: Das nationale Stipendienprogramm fördert offenbar nicht die allgemeine Studierneigung. Das haben die BDA und die Liberale Hochschulgruppe erkannt.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Wir reden doch jetzt über das BAföG!)
Jetzt frage ich Sie: Wenn viele Stipendiatinnen und Stipendiaten das Gesetz nicht wollen, und wenn es gar nicht, wie angegeben, dazu dient, die allgemeine Studierneigung zu fördern, was soll dieses Gesetz dann? Die Arbeitgeber lassen die Katze aus dem Sack. Die Industrie- und Handelskammer formuliert sehr deutlich ihre Korrekturwünsche an dem Gesetz. Sie fordert, dass die privaten Geldgeber stärker am Prozess der Auswahl der Geförderten beteiligt werden, und will eine – Zitat – „Gegenleistung“ von den Stipendiaten.
Den wunderbaren Begriff des „Mäzenatentums“ haben ja Sie, Frau Schavan, hier in die Debatte eingeführt: reiche Gönner zur Finanzierung Ihres Stipendienprojekts. Mäzene sind aber meines Wissens Menschen, die Geld geben, ohne eine direkte Gegenleistung zu verlangen. Unter „Mäzenatentum“ stelle ich mir also auf gar keinen Fall die Schaffung neuer Abhängigkeiten vor.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Tankred Schipanski [CDU/ CSU]: Oh!)
Dieses Gesetz ermöglicht Dritten de facto einen Zugriff auf öffentliche Gelder. Von einer je hälftigen Finanzierung durch private und öffentliche Gelder, wie es im Gesetzentwurf heißt, kann nicht die Rede sein. Die private Seite, die Unternehmen, übernehmen nur rund ein Drittel der Kosten – den Rest ihrer Spende bekommen sie über Steuerabschreibungen zurück –, und die immensen Verwaltungskosten für dieses Programm liegen einzig bei den Hochschulen.
Fakt ist aber, dass die privaten Mittelgeber bei zwei Dritteln der Stipendien bei Studieninhalt und Studienfach mitentscheiden und insgesamt bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber mitberaten.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ja! Gott sei Dank!)
Frau Schavan, das ist aus unserer Sicht nicht nur unsozial, sondern das ist auch völlig undemokratisch. So etwas ist mit uns nicht zu machen.
(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wollen Sie die Stipendiaten etwa wählen, oder was wollen Sie machen?)
Die Ministerin redet bei dem Programm – das hat sie auch gerade wieder getan – gerne von einem Projekt der Zivilgesellschaft und erklärt die Zivilgesellschaft zum Stipendienstifter. Aber es ist doch wohl klar, wer es sich leisten kann, Stipendien zu stiften. Eine kleine Initiative für Ökostrom hat doch nicht die gleichen finanziellen Möglichkeiten wie der Energieriese RWE.
(Zuruf von der CDU/CSU: Es geht um 300 Euro im Monat, Frau Kollegin!)
Das Stadttheater in Jena hat doch nicht annähernd so viel Geld für Stipendien übrig wie der Axel-Springer-Verlag. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie das nicht wüssten!
(Beifall bei der LINKEN)
Kolleginnen und Kollegen, aus Sicht der Linken muss das dritte Kind einer alleinerziehenden Hartz-IV-Bezieherin die gleichen Chancen haben wie der Sohn eines Rechtsanwaltes.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Hat es auch!)
Wer wirklich die Studierneigung fördern will, der muss in erster Linie soziale Hürden zum Studium beseitigen, der muss das BAföG deutlich ausbauen.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ist ausgebaut!)
In den letzten Tagen wurde deutlich, dass die Zustimmung zur Mini-BAföG-Erhöhung der Regierung im Bundesrat keineswegs gesichert ist. Die Unionsministerpräsidenten Koch und Seehofer haben angekündigt, das Gesetz zu blockieren. Sie wollen damit die Finanznot der Länder auf dem Rücken der sozial Schwachen, der Schülerinnen und Schüler und der Studierenden austragen. Wenn die Bundesregierung diese skandalösen Angriffe auf das BAföG zurückweisen will und wenn sie wirklich möchte, dass die Länder mehr Geld für Bildung ausgeben, muss sie die Länderfinanzen stärken, anstatt sie weiter zu ruinieren.
Ein Anfang wäre, wenn Sie es uns und den Ländern ersparen würden, auch nur einen Cent für dieses unsoziale und undemokratische Stipendienprogramm zu verschwenden. Wir brauchen stattdessen eine BAföG-Reform, die mehr ist als nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)