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"Das ist ein 2-Klassen-Haushalt"

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Rede anlässlich der 2. und 3. Lesung des Haushaltes 2008

am 26. November 2007 im Deutschen Bundestag

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Lötzsch ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Viele Menschen haben die bittere Erfahrung gemacht, dass der wirtschaftliche Aufschwung bei ihnen nicht ankommt. Sie fragen sich: Was hat die Bundesregierung unternommen, damit an dem Aufschwung alle teilhaben können? Wenn man sich die geplanten Ausgaben der Koalition für 2008 anschaut, dann stellt man fest, dass sich CDU/CSU und SPD diese Frage erst gar nicht gestellt zu haben scheinen.
Der Haushalt 2008 ist vor allen Dingen ein Wahlkampfhaushalt. Bestes Beispiel ist die Arbeitsmarktpolitik der Koalition. Die Anhebung des Arbeitslosengeldes I für eine Gruppe von älteren Arbeitslosen ist ein sehr kleines Zugeständnis an die SPD. Die Kriterien für die längere Zahlung des Arbeitslosengeldes I sind nämlich so rigide, dass nur wenige Menschen im Westen und kaum Menschen im Osten davon profitieren. Auch Frauen und Mädchen in prekären Arbeitsverhältnissen sind von einer Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I faktisch ausgeschlossen. Das ist keine soziale Arbeitsmarktpolitik, sondern Sozialkosmetik.
(Beifall bei der LINKEN)
Den Arbeitslosengeld-II-Empfängern, die zum größten Teil in Ostdeutschland leben, bietet die Koalition gar keine Verbesserung an, nicht einmal einen Inflationsausgleich. In Anbetracht der Mehrwertsteuererhöhung und der steigenden Preise für Grundnahrungsmittel ist aus unserer Sicht die Anhebung des Arbeitslosengeldes II jetzt und nicht erst später dringend notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe Herrn Müntefering in den Haushaltsberatungen darauf angesprochen. Eine Anhebung soll 2009 geprüft werden. Das heißt im Klartext: Wenn die Koalition nicht vorher zusammenbricht, wird es erst zur Bundestagswahl 2009 einen Inflationsausgleich für die Empfänger von Arbeitslosengeld II geben. Wir als Linke fordern die Anhebung auf 435 Euro, und zwar nicht erst 2009, sondern 2008.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundesregierung will im nächsten Jahr die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken. Auch das ist ein nettes Wahlkampfgeschenk, über das sich vor allen Dingen die Unternehmen freuen. Die Unternehmen werden allein durch die überflüssige Unternehmensteuerreform 2008 um über 10 Milliarden Euro entlastet. Durch die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden den Unternehmen weitere 3,8 Milliarden Euro geschenkt. Frau Barbara Höll aus meiner Fraktion wird darauf noch näher eingehen.
Die Unternehmensteuerreform und die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind jedoch nicht die einzigen Geschenke an die Arbeitgeber. Viel zu wenig Beachtung findet die Tatsache, dass rund 8,5 Milliarden Euro 8,5 Milliarden Euro! an die sogenannten Aufstocker gezahlt werden. Carsten Schneider ist darauf bereits eingegangen. Allerdings hat seine Fraktion leider keine Konsequenzen gezogen. Weil die Bundesregierung nicht bereit ist, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen, werden die Steuerzahler gezwungen, Hungerlöhne mit Steuermitteln aufzustocken. Das ist wirklich ein Skandal in unserem Land.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir als Linke fordern ich will das hier wiederholen einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8 Euro pro Stunde. Der positive Nebeneffekt wäre die Einsparung von 8,5 Milliarden Euro im Bundeshaushalt. Das entspricht fast den Gesamtausgaben des Bundes für Bildung und Forschung. Das muss man sich einmal vorstellen!
Wir als Linke haben eine Reihe weiterer Sparvorschläge in anderen Bereichen gemacht, zum Beispiel im Rüstungsbereich. Ich habe die Bundesregierung gefragt, welche großen Rüstungsprojekte nach Ende des Kalten Krieges eingestellt wurden, da sich doch die gesamte Weltlage und damit wohl auch die Bedrohungssituation grundlegend geändert haben. Raten Sie einmal, welches die Antwort der Bundesregierung war! Kein einziges Rüstungsprojekt wurde beendet. Da entsteht doch der Eindruck, dass es nicht um die Sicherheit geht, sondern um die Bedienung der Rüstungslobby, die augenscheinlich sehr effektiv arbeitet. Dieses Geld können wir für soziale Zwecke besser verwenden.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir als Linke sehen im Haushalt des Verteidigungsministeriums ein Einsparvolumen von mindestens 2,6 Milliarden Euro; dazu aber morgen mehr im Detail.
Wenn es um die Sparsamkeit der Koalition geht, wird mit unterschiedlicher Elle gemessen. Zwei Beispiele: Ich habe Verständnis dafür, dass ein langjähriger Ministerpräsident von der Bundesregierung ordentlich verabschiedet wird. Aber hätten es nicht auch ein Blumenstrauß und ein schöner Bildband über Berlin getan? Nein, das Abschiedsgeschenk für Herrn Stoiber ist etwas teurer ausgefallen: 925 Millionen Euro. Das muss man sich einmal vorstellen. Das ist nämlich der völlig überflüssige Bundeszuschuss für den Münchener Transrapid. Das ist ein Abschiedsgeschenk, das mit einer sparsamen Haushaltsführung nichts zu tun hat. Da können Sie, Herr Ramsauer, mir doch sicher recht geben.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Ich hätte mir jetzt was anderes einfallen lassen! Das war ein schlechtes Beispiel!)
Zweites Beispiel: Das Berliner Schloss soll 520 Millionen Euro kosten. Davon sollen 80 Millionen Euro durch Spenden aufgebracht werden. Der zuständige Minister, Herr Tiefensee, hat bereits angekündigt, dass dann, wenn die Spenden nicht kommen sollten, der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Auf meine Nachfrage hat mir Herr Tiefensee bestätigt, dass er weder einen Überblick hat, wie viele Spenden bereits gesammelt wurden, noch eine Vereinbarung abgeschlossen hat, wie viele Spenden zusammenkommen sollen so seine Auskunft auf meine Frage. Es kann doch wohl nicht sein, dass nur deshalb, weil einige Politiker sich ein Denkmal setzen wollen, alle Regeln der sorgfältigen und sparsamen Haushaltsführung in den Wind geschrieben werden. Das ist nicht hinnehmbar.
(Beifall bei der LINKEN - Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): In der Schweiz soll noch etwas sein! Da kann man noch etwas holen!)
An einer Stelle allerdings will ich die Koalition loben. Sie, liebe Kollegen, haben einen Fehler eingesehen, sind unserem Vorschlag gefolgt und haben die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur um 50 Millionen Euro angehoben. Es hätte mehr sein können, aber diese 50 Millionen Euro sind ein richtiger Schritt. Daran sehen Sie, dass wir Ihre Leistung differenziert bewerten können und sie nicht pauschal ablehnen.
Wir haben in einem Entschließungsantrag sehr genau unsere Vorschläge aufgeführt. Abschließend will ich feststellen: Dieser Haushalt produziert dort Armut, wo schon Armut ist, und er schafft dort Reichtum, wo schon Reichtum ist. Es ist ein Zweiklassenhaushalt. Der einfache Steuerzahler soll sparen, eine Minderheit wird weiter fürstlich bedient. Einen solchen Haushalt wird die Linke selbstverständlich ablehnen.
(Beifall bei der LINKEN)

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