Sehr geehrte Damen und Herren,
das Experiment LOHAFEX zu Effekten des Eiseneintrags auf maritime Ökosysteme und den Kohlenstoffkreislauf, aber auch die Debatte darüber ist schon jetzt ein Lehrstück. Wir können etwas lernen über das Verhältnis von Klima- und Umweltschutz, über die Beziehungen zwischen Forschung und Politik, die sich beide ihrer gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung zu stellen haben, aber auch über klassisches Missmanagement der Bundesregierung in einem sehr sensiblen Bereich deutscher Forschungs- und Umweltpolitik. Der Streit um LOHAFEX entzündete sich, als Umweltverbände im Dezember vergangenen Jahres gegen die Durchführung des Experiments protestierten.
Das Umweltministerium will erst im November 2008, so die Aussage von Staatssekretär Müller, überhaupt davon erfahren haben. Hier fragt man sich jedoch: was ist da falsch gelaufen? Seit 2005 wird der Versuch vorbereitet und hat einen langen Vorlauf inklusive Begutachtungs- und Genehmigungsverfahren durch mehrere wissenschaftliche Kommissionen. Auch Expertinnen und Experten des Umweltbundesamtes waren beteiligt. Im Jahr 2007 wurde die Kooperationsvereinbarung zwischen den beteiligten Instituten in Anwesenheit der Bundeskanzlerin unterzeichnet. Und Ihnen, lieber Herr Umweltminister Gabriel, fällt ein gutes Jahr später, zufällig im Vorwahlkampf, auf, dass LOHAFEX vielleicht Ihre Glaubwürdigkeit als Umweltschützer beeinträchtigen könnte? Und wieso haben Sie erst insistiert, als das Schiff bereits ausgelaufen war?
Unverständlich ist jedoch auch, wieso das Forschungsministerium in einem so sensiblen Bereich nicht von selbst auf die Idee kommt, die Vereinbarkeit eines international angelegten Großprojektes mit Umweltschutzvereinbarungen wie der Bonner UN-Konvention zur Biodiversität vorab prüfen zu lassen. Unser Land kann es sich aus Sicht der LINKEN nicht leisten, die erreichten Fortschritte bei der globalen Ablehnung von Geo-engineering durch eigene Nachlässigkeit und Unaufmerksamkeit zu gefährden. Die am Experiment beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst müssen zudem dafür sorgen, dass ihre Reputation nicht gefährdet wird. Und da sind die früheren Äußerungen der Projektleitung von LOHAFEX, die die Machbarkeit von flächendeckender Eisendüngung zum Zweck der CO2-Speicherung am Meeresboden in Aussicht stellen, wenig hilfreich. Während die Leitung des Alfred-Wegener-Instituts in überzeugender Weise ihrer Verantwortung für Transparenz nachkommt, sollten die durchführenden Forscherinnen und Forscher bei der Erarbeitung ihres Forschungsdesigns ökologische und gesellschaftliche Folgen einer Nutzung des erarbeiteten Wissens mit bedenken. Dazu gehört etwa, dass die Auswirkungen des Eiseneintrags auf die sensiblen maritimen Ökosysteme in ihrer Ganzheit, auf weitere Tier- und Pflanzenarten im Meer, untersucht werden. Auch Grundlagenforschung, und um die handelt es sich bei LOHAFEX, findet nicht in einem interessenfreien Raum statt.
Diese Interessen müssen Forscherinnen und Forscher berücksichtigen. Die Debatte um das Experiment hat, und das begrüßen wir, dazu geführt, dass die beteiligten Bundesministerien, aber auch die Fraktionen des Bundestages ausdrücklich ihre Ablehnung von Meeresdüngung zum Zweck der Klimagestaltung bekräftigen. Wir sind in diesem Hause gemeinsam der Auffassung, dass in Übereinstimmung mit der Bonner Konvention zur Biodiversität, dem Protokoll über die Verhütung der Meeresverschmutzung der Londoner Konvention der Internationalen Seeschiffahrtsorgansiation sowie dem Weltklimarat die CO2-Abscheidung durch künstlich vermehrtes Algenwachstum kein nachhaltiger Weg zum Klimaschutz ist. Erst recht muss eine kommerzielle Meeresdüngung zum Zweck des Zertifikatehandels international geächtet und dies durch verbindliche Regelwerke festgeschrieben werden.
Die Ergebnisse von LOHAFEX können zur Legitimation dieser Ächtung einen entscheidenden Beitrag liefern. Auch aus diesem Grund steht nicht die rechtliche Bewertung des Experiments für uns im Vordergrund, sondern die politische. LOHAFEX untersucht die Rolle des Eisens im Kohlenstoffkreislauf zwischen Ozean und Atmosphäre und stellt Daten für Beantwortung mehrerer komplexer Fragestellungen zur Verfügung. Das Experiment selbst dient dem besseren Verständnis des Wandels der ökologischen und klimatischen Systeme. Diese Art der Forschung wird in den genannten internationalen Vereinbarungen eindeutig begrüßt. Alle vorliegenden Gutachten, auch das des Bundesamtes für Naturschutz, belegen eine ökologische Unbedenklichkeit dieses im kleinen Maßstab stattfindenden Experiments.
Für DIE LINKE hat die Forschungsfreiheit, deren Ergebnisse einen aufklärenden Diskurs zum Klimaschutz erst ermöglichen, einen hohen Stellenwert. Abschließend noch ein Wort zu dem Antrag der Grünen: in Ihrem Antrag steht nichts Falsches, sondern viele zutreffende Feststellungen und allgemeine, aber nicht weniger richtige Forderungen. Deswegen werden wir auch zustimmen. Leider sind Sie doch ein wenig der Versuchung erlegen, schnell mit einem fertigen Produkt auf der Wahlkampfbühne aufzutreten, anstatt den Verlauf der Debatte und die verschiedenen Gutachten abzuwarten. Dass Sie sich nun innerfraktionell in der Einschätzung von LOHAFEX doch nicht mehr einig sind zeigt einmal mehr, dass allen Seiten weniger Profilierung und mehr Verständigung über die gemeinsam zu erreichenden Ziele in Forschungs- wie Umweltpolitik gut getan hätte.