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Bundeswehr aus Afghanistan zurückziehen

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi in der Aktuellen Stunde zu den Aufgaben von Bundeswehrkampftruppen als Quick Reaction Forces in Afghanistan

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDP, die Union und die SPD haben uns vorgeworfen, hier Wahlkampf zu führen. Es ist interessant, darüber nachzudenken. Man müsste zunächst einmal definieren, was Wahlkampf ist. Für mich ist Wahlkampf der Versuch, Menschen von meinen politischen Auffassungen zu überzeugen. Das mache ich als Politiker die ganze Zeit; so gesehen bin ich immer im Wahlkampf, ist das für mich nichts Besonderes.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Aber es gibt fairen Wahlkampf und es gibt unfairen Wahlkampf, und da muss man unterscheiden. Nichts von dem, worum es hier geht, hat die Linke entschieden; das alles haben andere entschieden. Deshalb stellen wir das zur Diskussion.

Wie man auf Welt Online lesen kann, rückt laut NATO der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr offenbar immer näher. Das bringt den Bundesverteidigungsminister in Nöte, sodass er diesen Einsatz erst nach der Hessenwahl verkünden will. Da Sie mir das nicht glauben werden, zitiere ich den SPD-Verteidigungspolitiker Jörn Thießen, der, wie es in Bild steht, „vermutet, dass die Bekanntgabe des neuen Einsatzes bewusst nach den Landtagswahlen erfolge“. Ein ganz übler Wahlkampf ist das, unehrlich ist das! Sagen Sie so etwas vorher!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) - Widerspruch bei der SPD)

Herr Schmidbauer, Sie haben gesagt, kein Hesse werde auf uns hereinfallen. Ich sage Ihnen: Den miesesten Wahlkampf führt nun wirklich Herr Koch. Ich möchte, dass von der Hessenwahl ein Signal ausgeht: dass man in Deutschland mit ausländerfeindlichen Parolen keine Wahlen mehr gewinnt.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Oskar Lafontaine hat über einen Bericht des Stern gesprochen. Als Sie sich in diesem Zusammenhang aufregten, dachte ich, Sie wollten das dementieren. Das wollten Sie gar nicht. Sie wollten nur sagen, dass die Bundeswehr nicht beteiligt war und Sie dagegen sind. Er hat gar nicht behauptet, dass Sie dafür sind; ich glaube, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir alle dagegen sind. Aber wir werden doch noch sagen dürfen, was in Afghanistan passiert, woran man sich beteiligt, wenn man Truppen dorthin schickt!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Walter Kolbow (SPD): Der Stern hat das nicht belegt!)

Noch etwas Interessantes: Norwegen zieht seine schnelle Eingreiftruppe ab, weil die politischen Kräfte sagen: Das ist der falsche Weg.

(Zuruf von der CDU/CSU: Neu! - Bernd Schmidbauer (CDU/CSU): Das ist gelungen!)

Und dann meldet sich Deutschland und bietet an, entsprechende Truppen zu schicken!

(Bernd Schmidbauer (CDU/CSU): Falsch!)

Sie reden hier die ganze Zeit davon, dass es darum geht, Afghanistan aufzubauen. Eine schnelle Eingreiftruppe hat mit der Ausbildung der Polizei, mit der Ausbildung der Armee, mit Mädchen, die zur Schule gehen können, nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Die Bundeswehr ist jetzt seit fast sieben Jahren dort. Was hat sie in den sieben Jahren gemacht? Es gibt keine nennenswerte Polizei, es gibt keine nennenswerte Armee, das Bildungswesen ist rückständig.

(Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Waren Sie einmal in Afghanistan, Herr Gysi?)

Aber Sie haben immer noch die Illusion, mittels Krieg Terror bekämpfen zu können.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Quatsch!)

Nun zum Inhalt; was uns vorgeworfen wird, ist ja schwerwiegend. Der Chef der norwegischen Eingreiftruppe hat gesagt, die Soldaten seien darauf vorzubereiten, Krieg zu führen und das eigene Leben zu verlieren. Das sagt Rune Solberg, nicht wir. Was meint Bundeswehrgeneral Kasdorf dazu? In der FAZ vom 17. Januar steht zu lesen, wie er gefragt wurde:

Ist das sogenannte Targeting,
- das muss man übersetzen
gezieltes Ausschalten gegnerischer Kämpfer, ein Vorgehen der Isaf wie von OEF?
Seine Antwort:
Das gibt es in beiden Operationen. Das ist Teil des Targeting, das ist Teil der Operationsführung.
Das ist gezieltes Töten, und das hat mit der Ausbildung von Mädchen nichts zu tun, wenn ich das einmal sagen darf.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Herr Schmidbauer, Sie haben behauptet, dass man mittels Krieg Terror bekämpfen kann. Terror verurteilen wir alle. Doch ist dieser Weg der Bekämpfung des Terrors wirklich der richtige? Denken Sie einmal darüber nach: Wir sind in einer Spirale der Gewalt. Wenn Sie eine Bombe werfen, wenn Sie gezieltes Töten und andere Dinge verrichten, treffen Sie immer auch Unschuldige. Das gilt auch in Afghanistan. Sie wissen, dass Sie zum Beispiel Unbeteiligte und Unschuldige in Hochzeitsgesellschaften und Geburtengesellschaften getroffen haben. Diese haben Freunde und Angehörige. Dort entsteht Hass. Irgendein reicher Bin Laden nutzt dann diesen Hass und rekrutiert Terroristen übrigens auch Selbstmordterroristen. Er macht das ja nicht selber, sondern findet immer andere. Sie müssen meine Wut gar nicht schüren; die ist schon da. Wir antworten dann wieder mit Bomben. Dann entstehen wieder neuer Hass und neuer Terror.
Wenn die Industriegesellschaften nicht endlich Vernunft zeigen und aus der Spirale der Gewalt herausgehen, dann gibt es keine Lösung.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sagen wir: Die Bundeswehr muss aus Afghanistan zurückgezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN Bernd Schmidbauer (CDU/CSU): Alter Kommunist mit seinen Theorien! Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fünf Minuten Unwissenheit am Stück!)