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Bundestag novelliert Berufsbildungsgesetz

Rede von Nicole Gohlke,

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es gibt viele Menschen, die jeden Tag im Job viel leisten und die jeden Tag unter Beweis stellen, was sie können und welche beruflichen Kompetenzen sie haben, die viel Berufserfahrung mitbringen, die aber oft, weil sie eben formal un- oder angelernte Geringqualifizierte sind, deutlich schlechter bezahlt werden. Und warum? Weil ihnen ein Stück Papier, weil ihnen ein Nachweis fehlt, auf dem steht: Ja, du kannst es.

In Deutschland arbeiten über 60 Prozent der Geringqualifizierten in einer Tätigkeit, für die sie keinen Berufsabschluss besitzen. Betroffen sind oft Menschen mit Behinderung oder auch Menschen mit Fluchterfahrungen, denen ihre Papiere und Nachweise fehlen, und natürlich schlicht Menschen, die in einem anderen Tätigkeitsfeld als dem von ihnen erlernten arbeiten, die sich aber Berufserfahrung im neuen Feld angeeignet haben, oder – das ist auch schon erwähnt worden – die knapp 5,5 Millionen Erwerbstätigen, die über keinen Berufsabschluss verfügen. Für all diese Menschen ist es von großer Bedeutung, dass sie ihre berufliche Erfahrung nachweisen und anerkennen lassen können. Dieses Problem geht die Ampel jetzt an; und das ist gut.

(Beifall bei der Linken)

Aber die Tücken stecken natürlich wie immer im Detail.

(Friedhelm Boginski [FDP]: Ah!)

Es wurde versäumt, die Frage nach der Finanzierung dieser Verfahren abschließend zu klären. Ich finde, die Frage, wie viel es kostet, ist natürlich für die meisten Betroffenen ziemlich essenziell. Das kann man nicht unbeantwortet lassen. Sie müssen schon sicherstellen, dass zum Beispiel Menschen mit Behinderung, die Grundsicherung oder andere Sozialleistungen beziehen, keine Hürden beim Zugang und bei der Teilnahme an den Verfahren haben.

(Beifall bei der Linken)

Ich finde, es leuchtet auch nicht ein, dass Berufe außerhalb des dualen Systems, also schulische Ausbildungsberufe, nicht einbezogen sind. Ich finde, das ist gerade angesichts des Fachkräftemangels in Berufen wie Gesundheit, Pflege, Erziehung mit vollzeitschulischen Ausbildungen nicht zu Ende gedacht.

(Beifall bei der Linken)

Ja, wir Linke bleiben bei unserer Kritik, dass es eine vertane Chance ist, dass Sie im Rahmen dieser Reform nicht die Chance ergreifen, ein paar Dinge anzugehen, die wirklich die Attraktivität der beruflichen Bildung erhöhen würden. Ich meine, alle reden davon – das sind wir uns ja auch einig –, dass berufliche und akademische Bildung gleichgestellt sein sollen, dass man angesichts von immer weniger Menschen, die eine berufliche Ausbildung beginnen und dann auch zu Ende bringen, die berufliche Bildung stärken und die jungen Menschen wieder dafür begeistern muss. Und dann novelliert die Ampel eines der wichtigsten Instrumente der beruflichen Bildung, nämlich das Berufsbildungsgesetz, und lässt genau das aus, also macht genau das nicht. Ich finde, das ist natürlich ein Versäumnis und verlorene Zeit.

(Beifall bei der Linken)

Wer die Attraktivität der beruflichen Bildung stärken will, muss auch die Rechte und Möglichkeiten von Auszubildenden als Arbeitnehmer/-innen stärken, zum Beispiel dadurch, dass die Mindestausbildungsvergütung erhöht wird, dass die Schutzbestimmungen für Azubis ausgeweitet werden und dass die betriebliche Mitbestimmung gestärkt wird, vor allem die Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Genau das will Die Linke in ihrem Antrag, der eine Ergänzung um diese Punkte vorsieht. Deswegen bitte ich hier noch mal: Stimmen Sie unserem Antrag auch zu.

(Beifall bei der Linken)

Machen Sie das Berufsbildungsgesetz noch ein bisschen besser.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)