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Bildungshaushalt der großen Koalition: Ankündigungen statt Aufbruch

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen zur Kenntnis: Die Große Koali­tion versucht, sich für einen Aufbruch in der Bildung zu feiern, und hat angekündigt, 6 Milliarden Euro für Bil­dung und 3 Milliarden Euro für Forschung zur Verfü­gung zu stellen.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Richtig!)

Ob das wirklich schon ein Aufbruch ist, da kann man si­cherlich geteilter Meinung sein,

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wie bitte? Entschuldigung!)

wenn man sich die krassen Mängel vor Augen führt, die im Bildungsbereich – von der Kita über die Hochschule bis hin zur Weiterbildung – bestehen, und angesichts der viel höheren Summen, die bei Bund, Ländern und Kom­munen eigentlich nötig wären.

Aber selbst dann, wenn man sich darüber freuen wollte:

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sollten Sie!)

In dem Haushalt, der heute vorliegt, findet sich nichts davon wieder. Sie können hier lediglich – das sagen Sie ja selber – Ankündigungen feiern, aber eben keine realen Zahlen. Es ist schon erstaunlich, wie oft, wie lange und bei wie vielen Haushaltstiteln Sie diese Ankündigungen feiern. Man hat das Gefühl: Das Geld wird immer mehr.

Ihrem Finanzminister ist aber in letzter Minute einge­fallen, dass er ja noch Haushaltslöcher stopfen muss. Sie können versuchen, das anders zu bezeichnen; aber genau das ist da geschehen.

(Beifall des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])

Wo holt er sich das Geld?

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Vielleicht bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung?)

Das Geld holt er sich nicht etwa über die Besteuerung von Vermögen und großen Einkommen; das wäre ja eine kreative Antwort. Nein, er nimmt einfach die 500 Mil­lionen Euro aus dem Bildungsetat, mit denen Frau Wanka in diesem Jahr zaghaft anfangen wollte, ein paar ihrer Versprechen einzulösen, und man hört noch nicht einmal einen Aufschrei aus dem Bildungsministerium.

(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ja, weil es nicht stimmt!)

Der Kollege Rossmann hat ja kürzlich in einem Inter­view gesagt, es sei vor allem als ein starkes symboli­sches Zeichen zu verstehen, dass diese 500 Millionen Euro für das laufende Haushaltsjahr verbucht wurden; Frau Wanka nannte das gerade ein „Signal“. Abgesehen davon, dass Symbolik und Signale allein eben nicht aus­reichen, um die Bildungsmisere in der Republik zu behe­ben, frage ich mich schon: Welches Symbol ist das denn dann, wenn Union und SPD den Mittelaufwuchs bei nächster Gelegenheit zurücknehmen und das Geld ge­wissermaßen für die Haushaltssanierung verwenden? Zwischen den großen Worten von der Bildungsrepublik und dem Haushalt der Großen Koalition klafft auf jeden Fall mehr als nur eine Lücke.

(Beifall bei der LINKEN)

Reine Symbolpolitik ist leider auch die BAföG-Poli­tik der Großen Koalition. Den Studierenden muss es wirklich schon zu den Ohren herauskommen: schon wie­der eine Verschleppung, diesmal bis zum Wintersemes­ter 2016/2017. Erst nach sechs Jahren, also nach zwei vollen Generationen von Bachelor-Studierenden, soll es wieder eine BAföG-Erhöhung geben.

(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Eine ganz klare Perspektive, Frau Kollegin!)

Dabei hatte die Bundesregierung doch immer behauptet, die BAföG-Erhöhung würde an den Ländern scheitern. Jetzt ist das endlich geklärt: Der Bund will die Finanzie­rung des BAföG voll übernehmen, um dann aber die Er­höhung auf die lange Bank zu schieben.

Viel dürfen die Studierenden dann auch nicht erwar­ten. Die von Ihnen geplanten Gelder werden doch nie­mals für eine substanzielle Erhöhung reichen. Der DGB sagt, dass eine erst im Jahr 2016 durchgeführte BAföG-Erhöhung eigentlich 15 Prozent umfassen müsste, wollte man die Preisentwicklung der letzten Jahre ausgleichen.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: BAföG-Be­richt lesen bildet!)

Das ist eine Forderung, die aus den Reihen der Koalition als weltfremd bezeichnet wird.

Dabei kommt diese Zahl ganz einfach zustande. Dazu muss man einfach einmal die Lebenssituation der Stu­dierenden zur Grundlage nehmen. Ein Beispiel: Zurzeit sind im BAföG-Satz 224 Euro für Wohnkosten vorgese­hen. Die Realität ist aber, dass Studierende in Hamburg im Schnitt monatlich 351 Euro an Miete zahlen. In Mün­chen und in Köln sind es 358 bzw. 359 Euro. Sie zahlen also im Schnitt über 130 Euro mehr, als im BAföG-Satz dafür vorgesehen ist.

Man muss ganz klar sagen: Eine BAföG-Erhöhung um mindestens 10 Prozent, die die Gewerkschaften, die Studierendenvertretungen und eben auch die Linke for­dern, ist nicht weltfremd. Das ist angesichts dieser Situa­tion realistisch. Weltfremd ist, ehrlich gesagt, dass diese Regierung nicht zur Kenntnis nimmt, was an den Hoch­schulen und auf dem Wohnungsmarkt los ist. Ihre Politik besteht darin, die Wirklichkeit zu ignorieren. Hauptsa­che, Sie bekommen Ihren knappen Bildungshaushalt schöngeredet und schöngerechnet!

(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU])

Realitätsfern geht es bei den Berechnungen der Gro­ßen Koalition weiter. Man kann es ja schon fast als Tra­dition bezeichnen, dass sich die Bundesregierung bei der Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger im­mer wieder verrechnet. Sie haben gerade eben die letzte Zahl nach oben korrigieren müssen, und schon wieder liegt Ihr Haushaltsansatz für die Jahre 2013 und 2014 mit über 70 000 Studienanfängern unter den Berechnun­gen der Kultusministerkonferenz.

Die 6 500 Euro, die Sie im Hochschulpakt pro Studi­enplatz veranschlagt haben, reichen auch nicht, um die Situation in der Lehre zu verbessern. 2008 lagen die rea­len Kosten pro Studienplatz schon bei über 7 000 Euro, und darin sind zum Beispiel die Investitionen in Ge­bäude noch gar nicht eingerechnet.

Dass Ihnen nicht an einer soliden Grundfinanzierung der Hochschulen und schon gar nicht der anderen Bil­dungseinrichtungen gelegen ist, ist mit dem Vorschlag zur Änderung des Kooperationsverbotes klar geworden. Als hätte es die Diskussion der letzten zwei Jahre gar nicht gegeben, will man sich weiterhin darauf beschrän­ken, Forschung und Lehre nur dann zu fördern, wenn es von überregionaler Bedeutung ist und alle Länder zu­stimmen, sprich: Freie Fahrt für die Eliteförderung, und beim Rest kann sich der Bund weiterhin aus der Verant­wortung stehlen.

Davon, das Kooperationsverbot für den gesamten Bil­dungsbereich aufzuheben, sodass auch die Kitas und die schulische Bildung davon profitieren könnten, will Frau Wanka offensichtlich gar nichts wissen. Man darf jetzt wirklich auf die Nachbesserungen gespannt sein, die die SPD angekündigt hat. Ich hoffe, wir werden sie zu Ge­sicht bekommen. Vielleicht sollten Sie in der Koalition solche wichtigen Vorhaben aber erst einmal gemeinsam besprechen, bevor die Vorschläge auf den Tisch gelegt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Kolleginnen und Kollegen, die Linke bleibt dabei: Die Grundfinanzierung der Bildung, der Wissenschaft und der Forschung muss durch ein Zusammenwirken von Bund und Ländern gesichert werden. Der Wettbe­werbsföderalismus gehört endlich beendet.

(Lachen des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU])

Die unterschiedlichen Bildungsbereiche – die frühkindli­che Bildung, die schulische Bildung und die hochschuli­sche Bildung – dürfen nicht mit dem Argument der knappen Kassen gegeneinander ausgespielt werden. Alle Bereiche sind gleichermaßen wichtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus dem unsäglichen Kooperationsverbot muss end­lich ein Kooperationsgebot werden. Das wäre tatsächlich mal ein echter Aufbruch in der Bildungspolitik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)